Mit der Premiere von Mieczysław Weinbergs Oper „Die Passagierin“ startet die Oper Graz in die neue Saison.
Text: Bettina Leitner
Kann man die erbarmungslosen Grausamkeiten von Auschwitz in einer Oper in Szene setzen? Würden die Darstellungen der unsäglichen Gnadenlosigkeit in einer Vernichtungsanstalt in der Welt der Musik funktionieren? Diesen beinahe unmöglichen Versuch unternahm der polnische Komponist Mieczysław Weinberg vor rund 50 Jahren mit seinem Werk Die Passagierin. Weinberg, der seine jüdische Familie selbst im Holocaust verlor, komponierte seine Oper nach dem gleichnamigen Roman der Auschwitz-Überlebenden Zofia Posmysz, was sich auch in der zutiefst berührenden Authentizität des Stückes widerspiegelt. Er wählte dazu das mehrsprachige Libretto von Alexander Medwedew, in dem neben Deutsch, Polnisch, Französisch, Russisch, Tschechisch und Englisch auch auf Jiddisch gesungen wird, und er bediente sich unterschiedlicher musikalischer Stilmittel und Instrumente, um das Stück klanglich möglichst greifbar zu machen: Die Musik bewegt sich dabei zwischen Beethoven, Mahler und Schostakowitsch bis hin zu Folklore und Chansons, die uns in den unvorstellbaren Wahnsinn dieser Zeit mithineinziehen.
Oper Graz als Erinnerungsort
Die ehemalige KZ-Aufseherin Lisa sucht mit ihrem Diplomatengatten Walter auf einem Ozeandampfer Zerstreuung. Plötzlich entdeckt sie die totgeglaubte Marta, eine ehemalige Insassin, die Auschwitz überlebt hat. Zuerst sind es nur verschwommene Gedankenfetzen, doch allmählich drängen immer mehr vergessene Melodien, Gesichter, Berührungen und Narben an die Oberfläche ihres Gedächtnisses, die Lisa immer weiter in ihre traumatisierende Vergangenheit hineinziehen. Schließlich wird Lisa noch einmal in den Nationalsozialismus und die Schrecken dieser Zeit versetzt. Unter der musikalischen Leitung von Roland Kluttig schlüpft Dshamilja Kaiser, die 9 Jahre lang Ensemblemitglied an der Oper Graz war, in die Rolle der Lisa und Nadja Stefanoff verleiht der Auschwitz-Überlebenden Marta ihre Stimme. Mit der Inszenierung ist Nadja Loschky betraut, die 2018 ihr Regiedebüt an der Oper Graz mit Ariane et Barbe-Bleue von Paul Dukas gab und für diese Inszenierung wieder an die Oper Graz zurückkehrt.
Premiere: Fr, 18.9.2020, 19.30 Uhr
Weitere Termine: Mi, 23.9., Do, 1.10.,
Fr, 16.10., Mi, 28.10., So, 1.11.*, Sa, 5.12. und Fr, 11.12.2020 jeweils 19.30 Uhr
(* 15 Uhr)
Vor der Premiere: So, 13.9., 11 Uhr
Kostprobe: Di, 15.9., 18.30 Uhr
Nachklang für Studenten: Mi, 28.10., 22.30 Uhr
Nachgespräch: Fr, 11.12., 22.30 Uhr