Früher als geplant wurde in den Räumlichkeiten des KULTUM bereits seit Ostern umgebaut. Nicht nur Steine wurden neu arrangiert – auch die Website bekam einen modernen Auftritt und neuen Auftrag verpasst.
Text: Lydia Bißmann
Die Corona-Pandemie und die dadurch ausgelöste Krise hat vieles aus den Angeln gehoben, aber auch viele Möglichkeiten eröffnet. So weht auch durch die Höfe und Räumlichkeiten der Minoriten zu Sommerende eine Aufbruchsstimmung, die mehr mit Frühlingsgefühlen denn mit Herbstluft zu tun hat. Wie in der schönsten Jahreszeit, wo alle Zeichen auf Neubeginn und Veränderung stehen, reckt und streckt sich aktuell auch alles einem Neuaufritt entgegen. Noch hämmert und dröhnt es, noch sind historische Figuren wie der heilige Nepomuk unter schwarzer Plastikfolie verborgen. Obwohl hier bereits ab 15. Mai mit Alois Neuholds Paradies Schau Innergärten und Trotzdemblüten der Ausstellungsbetrieb wieder aufgenommen wurde, nutzte man seit Ostern die Gunst der Stunde und verwirklichte lange geplante Umbauarbeiten. Zeitlich etwas vorverlegt wurde mit der Renovierung der Minoritensäle und des Zugangs zum Kloster begonnen. Der Boden des Kreuzgangs wird tiefer gelegt, was bedeutet, dass die bislang verborgenen Säulenschäfte wieder sichtbar werden. Das „Skelett” der typisch franziskanischen Kreuzgangsarchitektur, die zahlreichen Säulen selbst, wird renoviert, gereinigt und wo nötig ergänzt. Auf die Besucher wartet ein neuer Empfangsbereich, der zweite Hof wird endlich autofrei gemacht und steht ab kommendem Jahr auch für Veranstaltungen zur Verfügung. Kunstschaffende und Künstler bekommen einen neuen Backstagebereich zum Ausruhen und Vorbereiten auf ihre Auftritte. Das bedeutet in Summe völlig neue und aufregende Möglichkeiten für Veranstaltungen und die Kunstvermittlung. Der Umbau kratz nicht nur alte Patina und Fehler von den Wänden – unter Baustaub und Abdeckfolien entsteht hier ein neues Kultur- und Veranstaltungszentrum.
Das Tor zum kollektiven Gedächtnis
Neben der gründlichen „Neuformatierung” des Gebäudes wurde auch der Webauftritt neu überdacht. Eine Aufgabe, die viel Nachdenken und ein Konzept erfordert: Eine Homepage ist wie eine Visitenkarte oder ein Inhaltsverzeichnis und lebt von präzisen Aussagen, die bestmögliche Information und Orientierung bieten sollen, ohne zu ausführlich zu werden. Neben den technischen Aspekten geht es hier vor allem um eine überlegte Auswahl des Contents. Und Inhalt gibt es zur Genüge nach so vielen Jahren. Die neue Website ist in fünf Teilbereiche eingeteilt, die die Besucher gezielt durch das Angebot des KULTUM führen sollen. Unter „KULTURZENTRUM” werden die derzeit bespielten Sparten (Galerie, Literatur, Neue Musik, junges Publikum und Film) in ihren jeweiligen „Mission-Statements“ und in den Programmarten vorgestellt. Zur schnellen Orientierung dient ein Farbschema. Die Rubrik „AKTUELLES/TERMINE” birgt einen Kalender für aktuelle Veranstaltungen sowie Artikel und Essays, die sich damit beschäftigten. Im Kalender sind aber auch bereits vergangene Events mit dabei entstandenen Fotos zu finden.
Ein neues Museum im Museum
Ein Museum ist keine Tageszeitung – sie lebt zu einem Großteil davon, was bereits passiert und baut darauf auf. Deswegen wurde auch ein neuer Bereich geschaffen, der sich schlicht MUSEUM nennt. Hier ist eine Art „virtuelle Kunsthalle“ entstanden, die erstmals Einblick in die Ausstellungen der letzten Jahre erlaubt. In zehn imaginären Museumsräumen werden die Core Values des KULTUM vorgestellt und beleuchtet – die unterschiedlichen und immer wieder neu behandelten Aspekte von Religion in der Gegenwartskunst. Die Projekte können einzeln für sich oder als vernetzte Gesamtschau betrachtet werden. Denn dieses Museum realisiert sich ja gerade in Form immer neuer Ausstellungen. In der Unterkategorie „Ein Museum in der Zeit” sind die Ausstellungen chronologisch nach Jahren geordnet. Der nächste Unterpunkt bietet einen Einblick in die sakrale Kunst der Steiermark, eingeteilt in Stilepochen. Für 800 Jahre Diözese Graz-Seckau hat das KULTUM vor zwei Jahren die Schönheit steirischer Sakralkunst, romanische, gotische, barocke und gegenwärtige in Form von Videoportraits als eigene Online-Ausstellung konzipiert. Das KULTUM hat keine Sammlung realer sakraler Kunst. Wohl aber hat es eine reiche Bildersammlung mit mehr als 3.000 Motiven. Mit dem Ansatz bildtheologischer Forschung wird seit mehr als 15 Jahren in universitären Lehrveranstaltungen dieser Aspekt behandelt. In der Rubrik „LEHRHAUS” gibt es die passenden Bilder zu aktuellen Vorlesungen an der Theologischen Fakultät. Im „LESERAUM” kann online nach Herzenslust geschmökert werden. Hier sind neben der regelmäßig erscheinenden Programmzeitschrift und den Ausstellungskatalogen auch noch weitere wichtige Bücher zum Thema „Kunst und Religion“ gelistet. Wem das zu wenig ist, der kann alle Werke auch in Papierform im neu entstandenen Lesesaal ertasten, beschnuppern, anlesen und erwerben.
Mut zum Umweg
Was der nächste Herbst für uns alle bringen wird, ist auf sehr vielen Ebenen noch ungewiss. Auf keinen Fall versäumen sollte man aber das für den 4. September anberaumte Screening und die Preisverleihung für den besten Kurzdokumentarfilm der Diagonale’20 How To Disappear des Trios Total Refusal (Robin Klengel, Leonhard Müllner, Michael Stumpf). Der 21-Minuten-Film geht der Frage nach, wie Kriegsdienstverweigerung eigentlich bei Ego-Shooter-Spielen funktionieren könnte. Das System der Unterhaltungsindustrie wird hier mit genauso viel Ironie und Poesie hinterfragt wie das moralische System des Krieges an sich. Das heurige Diagonale-Filmfestival musste ja coronabedingt abgesagt werden und hat, wie auch das KULTUM, viele andere Wege gefunden, sein Programm dennoch unter die Menschen zu bringen. Der mit 4.000 Euro dotierte Preis wird vom KULTUM gestiftet und nun von Johannes Rauchenberger im Rahmen der Veranstaltung verliehen.
KULTUM. Zentrum für Gegenwart, Kunst & Religion
Mariahilferplatz 3, 8020 Graz, Tel. 0316 711 133, www.kultum.at