Seit März 2020 ist Georg Schulz amtierender Rektor der Kunstuniversität Graz. Im Gespräch mit „Achtzig“ spricht er über das neue Lehramtsstudium für Bildnerische Erziehung, die dafür geschaffene Professur und über weitere Pläne für die nächsten Jahre.
Text: Stefan Zavernik
Der Studienbetrieb an der KUG hat diesen Oktober wieder begonnen. Es ist anzunehmen, dass die Coronakrise weiterhin Auswirkungen auf die universitäre Lehre haben wird. Wie geht man mit der aktuellen Unterrichtssituation um?
Anfang September herrschte bei allen im Haus große Freude, da die Chancen auf ein Präsenzsemester gut standen, doch durch die gegenwärtigen Umstände und die stetig steigenden Infektionszahlen sind wir nicht mehr gänzlich davon überzeugt, dass wir alles wie geplant analog anbieten können. Wir versuchen aber, so viel Kunst wie irgend geht möglich zu machen und das neue Semester, so weit machbar, mittels Präsenzlehre durchzuführen. Denn künstlerische Ausbildung ist im Regelfall eben nicht dauerhaft digital substituierbar.
Die KUG ist international sehr gut vernetzt. Der Großteil ihrer Studierenden kommt aus dem Ausland, viele Lehrende sind mit Projekten und Engagements ebenfalls international tätig. Ist die Internationalität der Uni im Hinblick auf die Pandemie eine besondere Herausforderung?
Die Internationalität bringt große Herausforderungen mit sich, die sich sowohl auf Lehrenden- als auch auf Studierendenebene zeigen: Bei Lehrenden aus dem Ausland haben wir uns schon im Vorfeld um sehr genaue Planungen bemüht, wann und wie sie ohne großes Risiko einreisen können. Bei den Studierenden ist die Situation weniger vorhersehbar, da wir erst jetzt mit Semesterbeginn sehen, wer von ihnen vor Ort ist und wer aufgrund der aktuellen Bestimmungen gar nicht kommen kann. Hier müssen wir uns laufend einen Überblick verschaffen und können dann situations- und fallbezogen reagieren.
Sie haben das Rektorat offiziell zeitgleich mit dem Ausbruch der Coronakrise und wenige Wochen vor dem Lockdown übernommen. Viel Zeit für die Umsetzung langfristiger Zielsetzungen ist durch die Pandemie bisher nicht geblieben. Wo aber möchten Sie die KUG unter Ihrer Leitung mittel- und langfristig hinführen?
Das wesentlichste Ziel ist es, die KUG gesellschaftlich relevanter zu machen. Unsere Absolventinnen und Absolventen sollen die Voraussetzung haben, gesehen zu werden und ihre Kunst in die Gesellschaft zu tragen. Zudem gibt es an der KUG Bereiche, die sehr stark sind, wie die zeitgenössische Kunst, im Bereich der Musik wie im Schauspiel. Diese Bereiche wollen wir ausbauen und weiterentwickeln. Wir wollen aber auch im transdisziplinären Feld stärkere Konnexe schaffen. Das bietet sich bei uns sehr gut an, da hier an der KUG viele Disziplinen vor Ort vertreten sind. Was unsere Universität weiter auszeichnet, ist, dass bei uns nicht so sehr die Solistinnen und Solisten im Mittelpunkt stehen, sondern das Zusammenspiel. Um dies weiterhin zu fördern, wollen wir die Orchesterausbildung reformieren. Dazu konnten wir mit der Dirigentin Claire Levacher eine sehr gute Professorin gewinnen, die im Oktober bei uns zu lehren begonnen hat.
Der Bereich Bildende Kunst wird in absehbarer Zeit in das Curriculum Aufnahme finden. Es handelt sich dabei um einen bildungs- und kulturpolitischen Meilenstein für die Steiermark. Die KUG ist nun auf der Suche nach einem geeigneten Professor. Welche Rolle wird dieser für die Uni, aber auch für die heimische Szene spielen?
Wir suchen explizit nach einer Künstlerin oder einem Künstler, der über große Expertise im transdisziplinären Bereich verfügt und dementsprechend verschiedene Kunstformen verbinden kann. Gleichzeitig suchen wir auch jemanden, der weitreichende Erfahrungen mit digitalen Medien hat. Ich glaube, dass diese Professur sehr stark am Diskurs der Künste hier teilnehmen wird und dadurch eine große Bereicherung für die KUG wie für die Szene sein wird.
Was hat schlussendlich den Ausschlag gegeben, dass das jahrelang heiß diskutierte Vorhaben – eine akademische Ausbildung im bildnerischen Bereich – endlich umgesetzt wird?
Aus meiner persönlichen und universitätspolitischen Sicht war es so lange unrealistisch, so lange man gleich von Beginn an ein Vollstudium der Bildenden Künste in Graz anbieten wollte; also quasi eine Kopie der Akademie der Bildenden Künste oder der Angewandten in Wien bzw. der Linzer Kunst-Uni. Dazu braucht es eine kritische Masse, man braucht mehrere Professuren, muss mehrere Fachbereiche anbieten können und auch entsprechende Nebenfächer. Das ist für Graz derzeit nicht umsetzbar. Jetzt ist aber massiver Druck entstanden, da im Bereich der Sekundarstufe dringend Lehrpersonal für das Fach Bildnerische Erziehung gebraucht wird. So war es notwendig, darauf zu reagieren. Was für diese Ausbildung nun angeboten wird, ist ein ausgezeichnetes Kooperationsstudium, das wir gemeinsam mit der Uni Graz und den beiden pädagogischen Hochschulen ausrichten.
Wo sehen Sie die KUG in ihrer Position als Veranstalter langfristig?
Ich möchte gerne unsere Möglichkeiten ausnützen, mit Veranstaltungs- und Präsentationsformen zu experimentieren. Wir haben den riesigen Vorteil, dass wir nicht primär von Karteneinnahmen abhängig sind. Ich finde es für die KUG schade, dass es viele Veranstalter gibt, die in der Vergangenheit deutlich mehr experimentiert haben als wir, obwohl sie stärker auch traditionelle Publikumserwartungen berücksichtigen müssen. Hier sollten wir die treibende Kraft sein. Ich werde insbesondere mit Vizerektorin Constanze Wimmer, unserer Professorin für Kunstvermittlung, die Kreativität vorantreiben und neue Veranstaltungsformate austesten. Es soll Platz für den Mut geben, etwas auszuprobieren, auch wenn man manchmal Gefahr läuft, zu scheitern.
Corona hat deutlich gemacht, dass Kunst und Kultur fehlen, wenn sie nicht mehr vorhanden sind. Welchen Stellenwert hat Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft aus Ihrer Sicht?
In der Politik herrscht oftmals der Gedanke vor, dass es in erster Linie die Wirtschaft braucht, damit eine Gesellschaft funktionieren kann. Diese Fokussierung kann vielleicht den finanziellen Wohlstand der Bevölkerung erhöhen, nicht aber das Wohlbefinden. Dazu braucht es die Kunst und die Kultur. Ich glaube daher, dass nur eine Kombination aus Wirtschaft und Kunst zu einem besseren Leben im umfassenden Sinne führen kann. Denn Kunst bzw. Kultur macht uns überhaupt erst zu Menschen.