Die „steirische herbst“-Ausstellung im Kunsthaus Graz handelt von Identitäten und dem Umgang mit unserem kulturellen Erbe in einer sich immer weiter angleichenden, globalen Konsumgesellschaft. Wie sich Mensch und Mur gegenseitig geformt haben, das erzählt die interdisziplinäre Schau im Museum im Palais.
Xu Zhen gilt seit einigen Jahren als eine der kritischsten und gleichzeitig virtuosesten Leitfiguren einer jüngeren Generation von chinesischen Kunstschaffenden. Seine künstlerischen Strategien sind dabei ein Spiegel einer sich rasant entwickelnden chinesischen Kunstszene. Sie pendeln zwischen ironischer Systemkritik und einer „Kunst der Anpassung“ an weltumspannende Wirtschaftsstrukturen sowie zwischen einer partiellen Verwertung von Konzeptkunst bis Reenactment. Die oft theatralischen, hochprovokanten Skulpturen, Bilder, Performances und Filme konfrontieren das zeitgenössische China mit – nicht nur – sozialpolitischen und kulturellen Tabus. Auch die in Graz gezeigten Arbeiten, die in seiner MadeIn Company (sprich: made in) seriell und hochpräzise hergestellt werden, verweisen auf die unheimlich hohe Produktivität der chinesischen Wirtschaft und des Kunstbetriebs. Die massenhafte industrielle Produktion spiegelt sich auch in der quasi-militärischen Stellung der Objekte im Raum wider.
Neuschöpfungen der globalen Welt
Corporate ist eine Ausstellung über Vorurteile zwischen Ost und West, über Identitätsbildung, kulturelles Erbe und dessen Aufarbeitung unter den Bedingungen einer sich angleichenden, globalen und konsumorientierten Gesellschaft. Skulpturale amalgamierte Kopien präsentieren sich als Neuschöpfungen dieser globalen Kultur, die den Markt und seine Regeln aufdecken. Auf diesem agiert Xu Zhen mit seiner 2009 gegründeten MadeIn Company virtuos. „Xu Zhen ist ein Künstler, der sich seit Langem mit Elementen der Geschichte, mit antiken Skulpturen und Friesen beschäftigt. Wesentliche Werke unserer Kulturgeschichte werden plötzlich kommentiert und mit seinen Sachen überformt“, zeigt sich herbst-Intendantin Kaup-Hasler von der Ausstellung begeistert. „Der Künstler passt mit seiner Arbeitsweise gut zum diesjährigen Thema Back to the Future.“ Die Skulpturen verlangen vom Besucher, genau hinzusehen, um die Brüche zu verstehen. Das Auge trifft auf eine Kulturen verbindende Skulptur, die im Kopfstand die ewigen Schönheiten einer Bodhisattva mit der Venus de Vienne aus dem Pariser Louvre vereint; dem stattlichen Herrscher der Meere, Poseidon, sitzen an gegrillte Penkingenten erinnernde Tauben auf der Schulter und vieles mehr.
Künstlerische Selbstvermarktung
Inventing Ritual heißt die Performance mit 22 Arbeiten von vorwiegend aus China stammenden Künstlern, die am 24. September um 18 Uhr im Kunsthaus Graz stattfindet. Sie nutzen auf raffinierte Weise die üblichen Methoden künstlerischer Selbstpräsentation, um das zeitgenössische, westlich-zentrierte Kunstgeschehen und das „typisch Chinesische“ auf Muster und Strategien hin zu testen. Die Performance wird auch länderübergreifend und zeitgleich an der Ural Industrial Biennial of Contemporary Art und der Moscow Biennale of Contemporary Art in Szene gesetzt.
Corporate von Xu Zhen/MadeIn Company
26.9.2015 – 10.1.2016, Kunsthaus Graz Space01
AUSSTELLUNGSTIPP: Die Mur. Eine Kulturgeschichte
bis 17.7.2016, Museum im Palais
Die Ausstellung beschäftigt sich auf interdisziplinäre Weise mit der Mur, ihrem Einfluss auf die Bevölkerung, aber auch mit den Spuren, welche die Menschen hinterlassen haben. Der Berliner Sounddesigner Moritz Fehr hat zwei Atmosphärenräume geschaffen, in denen zwei Installationen Geräusche unter- und oberhalb der Wasseroberfläche hörbar machen. Der Sound wird zum Zeitzeugnis.
Text: Natalie Resch