Vor wenigen Wochen feierte einer der bedeutendsten Kabarettisten im deutschsprachigen Raum seine Premiere als Opernregisseur am Theater an der Wien. Wir sprachen mit Alfred Dorfer über einen zeitlosen „Figaro“, den Lockdown des Kunstbetriebes und das mangelnde Bewusstsein für den Wert von Kultur in einer Kulturnation.
Text: Stefan Zavernik
Vor wenigen Wochen haben Sie als Opernregisseur mit Ihrer ersten Produktion debütiert. Sie selbst haben anfangs gezögert, den Auftrag anzunehmen, da Sie sich laut eigenen Angaben nicht sicher waren, etwas Konstruktives zum „Figaro“ beitragen zu können. Wie zufrieden waren Sie nun mit der Premiere und Ihrer Arbeit?
Die Premiere im TV lief hervorragend und ich bin sehr froh, dass es nach all den Mühen in Coronazeiten überhaupt zu einer Art Schlusspunkt kam. Meinen Anteil an diesem Erfolg kenne ich nicht, letztendlich ist es auch egal, weil es bei der Oper ein Zusammenspiel von vielen Abteilungen ist.
Wie schwierig war die Umstellung vom Solo-Künstler zum Regisseur einer Opernproduktion?
Nicht so eklatant, da ich ja von meinen Film- und Fernseherfahrungen bereits vertraut damit war, mich in großen Konstrukten zu bewegen. Der größte Unterschied ist die ständige Suche nach positiven Kompromissen, was beim Solo-Künstler wegfällt.
Ihr Figaro zeigt die Schauspieler in moderner Kleidung, die Geschichte spielt in einem verfallenen Schloss in der Nähe von Wien. Mit welchen Ideen sind Sie an die Inszenierung herangetreten?
Da der Figaro zeitlos ist, teile ich die Ansichten eingefleischter Klassikfans nicht, eine zumindest optische Modernisierung wäre verfehlt. Uns ging es eben darum, diese Zeitlosigkeit in einem heutigen Ambiente darzustellen. Ebenso wollten wir den Raum beweglich halten, da es ja in der Nozze auch um Macht und Reviere geht. Mein Hauptanliegen war es aber, dass sehr gut schauspielerisch dargestellt wird, was meiner Ansicht nach gelungen ist.
Nicht wenige Zuseher hätten sich eine gag-geladenere Inszenierung von Ihnen erwartet. Was hat Sie davon abgehalten?
Erstens finde ich es prinzipiell gut, Erwartungshaltungen nicht zu erfüllen. Zweitens ist mein Respekt vor dem Werk so groß, auch vor der immanenten Komik, sodass meine Handschrift eher in der Ermöglichung dessen liegen sollte.
Hat Ihnen die Arbeit am „Figaro“ Lust auf mehr gemacht? Wenn ja, welche Oper würden Sie gerne als Nächstes inszenieren?
Wozzeck oder Così fan tutte.
Sie bezeichneten das Theater während der Proben als einen Hochsicherheitstrakt. War es für Sie nachvollziehbar, dass der komplette Kunst- und Kulturbetrieb seit vielen Wochen im Rahmen des 2. Lockdowns von der Regierung erneut geschlossen wurde?
Nein, das ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, immerhin hat man beim 2. Lockdown etwas nachgedacht und zumindest auch die Bau- und Christkindlmärkte nicht aufgesperrt.
Bundeskanzler Kurz bezeichnete all jene, die dem Kultur-Lockdown kritisch gegenüberstehen, als sogenannte „Kulturverliebte“. So wie auch „sportliche Menschen“ mit der Schließung der Sportstätten hadern würden. Wie stehen Sie zu dieser Etikettierung?
Beides sind unabsichtlich positive Bezeichnungen von jemandem, der vermutlich mit beiden Terrains wenig anfangen kann. Vermutlich deshalb, weil ich des Kanzlers Sportaffinität nicht kenne.
Sie haben die Initiative „Wir und Kultur“ mitinitiiert, um der Öffentlichkeit bewusst zu machen, wie zentral Kunst und Kultur für Österreich sind. Wie konnte es in einer ausgewiesenen Kulturnation wie Österreich dazu kommen, dass der Wert von Kunst und Kultur nicht ohnehin im allgemeinen Bewusstsein präsent ist?
Da gibt es einige Ansätze. Kultur und Bildung sind untrennbar, und da unser Bildungssystem immer mehr zu einem Kompetenzsystem umgewandelt wurde im Sinne der Brauchbarkeit für die Wirtschaft, ist das sicher ein Punkt. Ein anderer ist das offen gelebte Desinteresse der meisten Repräsentanten an diesem Bereich. Zudem gibt es einen Zug zum Nützlichen im Sinn des Materiellen und da ist die Kunst auf verlorenem Posten.
Wie viel hat „Wir und Kultur“ bis jetzt erreichen können?
Hoffentlich einen weiteren Schritt in Richtung Bewusstwerdung oben genannter Problematik
Vom aktuellen Kunst-Lockdown sind Sie auch als Kabarettist betroffen. Wie haben Sie die Zeit ohne Live-Auftritte verbracht?
Ganz einfach, ich habe von früh bis spät Figaro geprobt.
Ihr aktuelles Kabarett-Programm „und …“ spart die Tagespolitik komplett aus. Sind Sie dessen überdrüssig, diese auf der Bühne stets zu kommentieren?
Weitaus interessanter als die aktuelle Tagespolitik, wo man ohnehin nur den Medien hinterherjagt in einer schnelllebigen Zeit, ist das allgemein Politische, das nicht von Aktualität lebt. Überdies hab ich das mit meinen „Die Zeit“-Kolumnen über 14 Jahre gemacht und ebenso mit Dorfers Donnerstalk.
Hat das Virus für Sie das Potenzial zum Thema eines eigenen Kabarett-Programmes zu werden?
Nein, warum sollte man ein Thema behandeln, dessen alle überdrüssig sind?
Denken Sie, dass wir aus der Krise etwas lernen werden?
Ich hoffe, dass punktuell neues Bewusstsein entstehen könnte. Etwa über den Zusammenhang von Respekt und Abstand, oder ob unser Mobilitäts- und Kaufverhalten so weitergehen darf, oder schlicht wie verheerend Massentourismus und Billigflüge sind. Oder wie unumgänglich es ist, regional und persönlich einzukaufen und, und, und …
Alfred Dorfer ist das nächste Mal live im Rahmen seiner Kabarett-Tournee „und …“ in Graz zu erleben. Orpheum, 25. März, 20 Uhr