Im Rahmen der Steiermark Schau wird im Museum für Geschichte und im Volkskundemuseum das Werden und Sein der Steiermark genauer betrachtet.
Text: Lydia Bißmann
Die Landesausstellung ist zurück auf der Bühne der Kulturerlebnisse und bietet heuer Einheimischen und Besuchern des zweitgrößten Bundeslandes einen tiefen Einblick in die geografische und kulturelle DNA seiner Bewohner. Neben dem mobilen Pavillon, der noch bis Ende Oktober mehrere Stationen anfahren wird, beschäftigt sich auch das Kunsthaus mit der flirrenden und flimmernden Gegenwart und Zukunft der Steirer in modernen Ausstellungs-Formaten wie Videoarbeiten oder collagenhaften Momentaufnahmen. Nicht weniger modern geht es im Museum für Geschichte in der Sackstraße und den wunderschön renovierten Räumlichkeiten des Volkskundemuseums in der Paulustorgasse zu. Hier geht die Steiermark Schau aber zurück in die Geschichte des Landes und widmet sich dem, was daraus entstanden ist. Ein Rahmenprogramm mit Workshops, Vorträgen, Diskussionen und sogar einer „Landpartie” begleitet die Besucher bis zum 31. Oktober beim Erkunden dabei.
Woher alles kommt – die Basis
Im Museum für Geschichte wird die Geschichte der Steiermark aufgrund ihrer historischen Räume und Landschaften bis in die Gegenwart aufgerollt. Es ist die Natur, die uns prägt, die unsere Wege leitet, unsere Ansiedlungen und Spielräume bestimmt. Es sind die Berge, die die Menschen trennen, und die Flüsse, die sie schneller miteinander verbinden. Historische Fundstücke wie Grabsteine, Fragmente der Grazer Burg, Teile einer gotischen Kirchenorgel der berühmten Frankfurter Kirche, Schienen aus Donawitz, ein Verkaufshäuschen eines geschlossenen Kinos werden hier mit unzähligen Karten und Modellen kombiniert und mit einer Soundinstallation, die den Rhythmus vorgibt, umrahmt. Lichtinstallationen machen Zusammenhänge klar, stellen Gedankennetze zur Verfügung. Auf schlichtem Papier wird die Geschichte entlang der Landschaft erzählt. Wo sich die Römer angesiedelt haben, wie sich sakrale und profane Bauten entwickelt haben oder wo sie gleich geblieben sind. Es ist eine lange und intensive Reise von den römischen Fundstücken über die mittelalterlichen Dörfer, Wehranlagen bis hin zu Architekturmodellen des Eggenberger Bades.
Dazwischen eingestreut erzählen Expertinnen und Experten in Videos von den Orten des Geschehens. Die Soundkulisse von 13&9 in Zusammenarbeit mit Severin Su, die sich durch alle Räume zieht und verändert, bietet einen Klangteppich, der die dreidimensionale Erzählung unterstreicht und den Betrachter auch weitertreibt, wenn die Blicke sich in den unzähligen Details der Artefakte verlieren. Die Schau Was war – historische Räume Landschaften verschiebt die gewohnten Perspektiven sehr angenehm. Hier spielen nicht Herrscher, gezogene Grenzen oder Religionen die Hauptrolle, es ist die Substanz, die Erde, auf die die Füße treten, wenn sie zu einer Hochzeit, zum Begräbnis oder ins Bergwerk gehen, die als Protagonist hier elegant und schlicht Zeugnis über das Geschehene abliefert. Über die Geschichte und die Geschichten, die die Steirer bewegten. Im allerletzten Raum muss der Besucher nach innen schauen und wird dazu angehalten, darüber nachzudenken, wie die Landschaft in Zukunft aussehen könnte. Auch wenn es nicht gelingt, einen Erzberg in Jahrhunderten ganz abzutragen – Gletscher schmelzen ganz schnell innerhalb von nur wenigen Generationen.
Wie es jetzt ist und warum – das Gefühl
Viel mehr Menschenbilder, aber auch mehr hautnahes Drama wird im Volkskundemuseum im Teil der Steiermark Schau, der sich mit der Gegenwart beschäftigt, gezeigt. Kümmert es die steirischen Gewässer, Gebirgszüge und Ebenen recht wenig, wenn eine Pandemie ausbricht, kann eine neue Virusart oder auch der Stopp der Eisengewinnung sehr viel im täglichen Leben anrichten. Welten – Wandel – Perspektiven zeigt hier aktuelle gesellschaftliche Themen, Fragestellungen, Strukturen und Orientierungen auf, die die Menschen von heute beschäftigen. Die Ausstellung ist in vier wesentliche Teilbereiche geteilt und stellt mit ausgewählten historischen Gegenwarten dar, wie die Menschen in der Steiermark mit Krisen umgehen. Die Rolle der Bildung, der Aufstieg des Tourismus, der Fall der obersteirischen Industrieregionen und das Volkskundemuseum selbst, als Ressource in der Zwischenkriegszeit, bilden hier den Rahmen für die Erzählung, wie die in der Steiermark ansässigen Menschen mit ihren guten und weniger ruhmreichen Erbstücken den Alltag bestritten haben und das immer noch tun.
Auch die weltweite Covid-Pandemie und die Auswirkungen auf die Region finden hier ihren Platz – sei es in alten Fragestellungen wie sozialer Absicherung, die nun neu gemacht werden müssen, oder leeren Bildschirmen, in denen Interviews geplant waren, die aufgrund des Lockdowns nie stattgefunden haben. Zeitzeugen erzählen über ihre Erlebnisse im ehemaligen Gestapo-Hauptquartier, das gleich gegenüber dem Museum lag, und daneben hängen Zeitungsberichte über die Taten von Neonazis oder Asyl-Abschiebungen. Der Formel-1-Ring findet hier ebenso Platz wie die touristisch genutzten Thermen, wieder in Mode gekommene Puch-Rad-Raritäten oder das steirische Aushängeschild Apfel und machen den steirischen Alltag sichtbar.
Eine schöne Klammer zwischen gestern und heute bilden die Antoniuskirche und das Café Grün, die beide mit der Ausstellung verschmelzen und willkommene Orte mitten und am Ende der Ausstellung anbieten.
was war. Historische Räume und Landschaften.
Die Steiermark Schau im Museum für Geschichte, Sackstraße 16, 8010 Graz bis 31.10.2021, tägl. 10–18 Uhr
Tel. 0316 8017-9800
wie es ist. Welten – Wandel – Perspektiven.
Die Steiermark Schau im Volkskundemuseum, Paulustorgasse 11–13a, 8010 Graz bis 31.10.2021, tägl. 10–18 Uhr
Tel. 0316 8017-9810