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Weltklasse im Musikverein

Plácido Domingo gastiert am 10. Juni 2022 im Musikverein Foto: Fiorenzo Niccoli

Internationalität, Repertoirevielfalt und die Förderung junger Talente prägen die neue Saison im Musikverein Graz. Michael Nemeth, Generalsekretär und Künstlerischer Leiter, präsentiert die Spielzeit 2021/22.

Text: Stefan Zavernik

Der Musikverein geht in eine neue Spielzeit. Wie fühlt sich das an, nach Monaten der Schließung?

Ich sehe es als Befreiungsschlag der Kultur- und Musikszene. Wir hatten auch in den Monaten der Schließung sehr viel Arbeit, sowohl mit der Umplanung und auch der Planung der nächsten Saisonen. Denn wir wollen bis 2023 allen Künstlern, die durch die Pandemie kein Engagement bekommen konnten, einen Ersatztermin anbieten. Es war aber natürlich ein gutes Gefühl, als wir im Mai endlich wieder starten durften. Wir hatten – trotz Covid-Beschränkungen – viel Zuspruch und die Leute sind hungrig auf Musik. Das freut mich sehr.

Gibt es Positives, das sie aus der Pandemie für den weiteren Spielbetrieb mitnehmen?

Ich bin ein positiver Mensch und auch in Zeiten der Pandemie immer optimistisch gewesen, aber im Gegensatz zu anderen Kulturmanagern kann ich nichts Positives daraus ziehen. Ich denke, es war eine der schwierigsten Zeiten für die Kultur seit dem Zweiten Weltkrieg. Vielleicht das einzig kleine Quäntchen an Positivem, das ich dem Ganzen abgewinnen kann, ist, dass wir im organisatorischen Bereich etwas verbessern konnten. Beispielsweise beim Einlass, beim Auslass, ganz allgemein bei der Durchführung unserer Konzerte. Auch im digitalen Bereich konnten wir uns weiterentwickeln. Die Mediathek ist prall gefüllt mit Streamingproduktionen. Aber ich sehe das als reine Überbrückungsmaßnahme, denn es ist unsere Hauptaufgabe, Live-Musik zu bieten. Ich glaube nicht, dass irgendjemand noch Lust darauf hat, sich ein Konzert am Computer anzuschauen. Ich gehöre mit Sicherheit nicht dazu.

Michael Nemeth, Generalsekretär und Künstlerischer Leiter des Musikverein Graz
Foto: Oskar Schmidt

Wie digitalisierbar ist die Kunst?

Die Zukunft sehe ich klar im Live-Betrieb. Wenn man sich die Geschichte vor Augen führt, so gibt es seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden, zwei Seiten: Die eine produziert und die andere hört zu. Das ist eine Interaktion, die nicht zu durchbrechen ist. Das digitale Format kann hier unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir müssen jetzt einerseits das Publikum ermuntern, in die Konzerte zu kommen, und andererseits die jungen Talente motivieren, mit Optimismus an der Sache zu bleiben. Denn ich höre von vielen jungen Musikern, die überlegen, einen anderen Karriereweg einzuschlagen. Deshalb haben wir im Streaming besonders stark auf die Jugend gesetzt. Ich habe immer appelliert, dass sich die jungen Künstler jetzt nicht von ihrem Weg abbringen lassen dürfen.

Die Spiellängen im Stream waren meist kürzer und ohne Pause. Wird das bleiben?

Das ist sicher richtig, aber es gibt gewisse Stücke in der Musikgeschichte, die dauern einfach länger. Und wenn jemand den Ring des Nibelungen oder Die Fledermaus aufführt, dann kann man das nicht auf eine Stunde komprimieren. Theater und Oper scheiden also aus. Im Konzertbetrieb sage ich Jein. Hier gibt es Werke, die eine gewisse Länge haben und die einen gewissen dramaturgischen Zusammenhang verlangen. Umgekehrt ist es aber natürlich richtig, dass wir bei gewissen Formaten, etwa bei der Kammermusik, schon überlegen, ob wir etwas kürzer und ohne Pause spielen. Da könnte man etwas adaptieren. Aber ich denke nicht, dass wir uns mit einer Schere daranmachen und alle Konzertprogramme auf ein Miniformat zusammenstutzen müssen.

Innovative Zugänge hat der Musikverein beim Thema Kulturvermittlung. Was bringt hier die neue Spielzeit?

Wenn man in den Jugendbereich schaut, haben wir unsere Reihe „Amabile“, eine Familienkonzertreihe, die sehr gut funktioniert. Zusätzlich haben wir zwei Formate etabliert: Einerseits den „Musikalischen Aperitif“, wo wir jungen Ensembles der Kunstuniversität die Möglichkeit geben, vor dem Hauptkonzert eine zehnminütige Carte Blanche zu bekommen und ihr Können zu zeigen. In der Folge bekommen sie auch ein Nachmittagskonzert mit einer Stunde Laufzeit. Hier schauen wir auch in andere Musikformate hinein, denn wir wollen auch Publikumsschichten ansprechen, die nicht den Zugang zur Klassik haben. Das ergänzt unser Tagesprogramm. Ein wichtiges Projekt ist auch das PROBE:HÖREN, im Rahmen dessen fünf Generalproben der Grazer Philharmoniker für jeweils 200 Gäste kostengünstig geöffnet werden.

Gestaltet an zwei Abenden ein Konzert für Menschenrechte: Hubert von Goisern
Foto: Konrad Fersterer

Wie viel Vorbildung braucht es, um die Qualität der Konzerte voll auskosten zu können?

Das Wichtigste ist die Freude an der Musik. Man muss kein Bild malen können, um in die Albertina zu gehen, und man muss auch nicht alle Balladen von Schiller auswendig können, um Literatur zu genießen. Unsere Aufgabe ist es, den unkomplizierten Zugang zur Musik zu gewährleisten und die Schwellenangst zu nehmen. Die Leute vorzubereiten und zu informieren, durch leicht zu handhabende Drucksorten oder Online-Aktivitäten im Vorfeld. Einfach Lust zu machen und die Menschen zu bitten, diesen offenen Kulturbetrieb auch weiterzutragen.

Eines Ihrer Langzeitziele ist, den Altersschnitt der Abonnenten zu senken. Was bedeutet es, Mitglied des Musikvereins zu sein?

Die Mitgliedschaft beim Musikverein bedeutet, ein weit über die Steiermark ausstrahlendes Projekt zu unterstützen und eine gewisse Loyalität zu dieser Kunstsparte zu zeigen. Sie bringt neben marketingtechnischen Erleichterungen wie günstigeren Karten oder Vorkaufsrecht auch einen gewissen Gemeinschaftssinn, den wir vermitteln wollen. Sozusagen: Jetzt erst recht ist es notwendig, dass die Künstler und das Publikum gemeinsam an einem Strang ziehen.

Auf welche Highlights der neuen Spielzeit freuen Sie sich persönlich am meisten?          

Ich freue mich, dass es gelungen ist, wieder eine große Vielfalt nach Graz zu bringen, denn die Internationalität ist uns wichtig. Auch freut mich, dass Elīna Garanča zwei Konzerte an einem Tag für uns bringen wird. Das ist etwas, was sie auf der ganzen Welt noch nicht gemacht hat. Worüber ich mich am meisten freue, ist aber, dass wir Steigbügelhalter für internationale Karrieren sind. Die großen Stars sind natürlich wichtig, aber in erster Linie sehe ich den Musikverein als Sprungbrett für junge Musiker. Ich freue mich aber auch auf Hubert von Goisern oder auf unser erstes Open-Air-Konzert im Landhaushof, das die paneuropäische Alpe-Adria-Idee der Steiermark symbolisiert und wo wir Jugendorchester aus Italien und Slowenien zu Gast haben werden. Und natürlich ist es eine große Ehre, dass Plácido Domingo erstmals bei uns im Musikverein auftritt. Damit runden wir, glaube ich, eine große Bandbreite ab. Ein Highlight ist sicher auch die Kooperation mit Bogdan Roščić und Philippe Jordan, dem ehemaligen Musikchef der Oper Graz: Gemeinsam werden wir am 12. Oktober in einem Konzert mit der Wiener Staatsoper im Musikverein Graz eine Richard-Wagner-Gala präsentieren und auch eine längerfristige Zusammenarbeit wird folgen.  

Stefaniensaal
Foto: Robert Illemann

Festkonzerte im Musikverein

Fr, 17. September 2021
Mozart: Don Giovanni
Mozartoper.Wien / Michael Werba / Niels Muus

So, 19. September 2021
Rachmaninow, Strauss, Guridi
Elīna Garanča / Malcolm Martineau

Sa, 30. Oktober 2021
Monteverdi: L’Orfe
Christina Pluhar / L’Arpeggiata / Rolando Villazón u. a.

Fr, 11. März 2022
Serenata Latina: Ginastera, De Abreu, Guastavin
Rolando Villazón / Xavier de Maistre

Mo, 11. & Di, 12. April 2022
Konzert für Menschenrechte „Zeiten & Zeichen
Hubert von Goisern & Band

Sa, 7. Mai 2022 – Open Air im Landhaushof
Seid umschlungen, Millionen! Jugend und Europa
Thomas Platzgummer / Slaven Kulenović / Romolo Gessi / Junge Orchester / Herzogenberg-Chor / Franz Herzog / Christoph Feurstein (Moderation)
Beethoven, Verdi, Stolz, Jasbar u. a.

Sa, 28. Mai 2022
Bruckner: 9. Symphonie
Christian Thielemann / Sächsische Staatskapelle Dresden

Fr, 10. Juni 2022
Verdi: Nabucco
Plácido Domingo / Francesco Ivan Ciampa / Slowenische Philharmonie / Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor u. a.

jeweils 19.30 Uhr, Congress Graz

Information, Karten und Abonnements: Konzertkasse, Sparkassenplatz 2, 8010 Graz

www.musikverein-graz.at