Zirzensische Intensität

An den Feiertagen in der Weihnachtszeit bietet der Cirque Noël seit vielen Jahren Raum für neue Gedanken und Perspektiven.

Der zeitgenössische Zirkus ist wie ein Buch, das man öffnet, um in eine andere Welt einzutauchen. Die Künstlerinnen und Künstler erzählen mit ihren Körpern Geschichten. Eindringlich und leise, aber umso intensiver und ganz nah an den Menschen. Das idealisierte Bild des übermenschlichen Artisten, wie wir es aus dem klassischen Zirkus kennen, wird dekonstruiert, was Scheitern erlaubt und einen Anstoß für Auseinandersetzung mit menschlichen Beziehungsgeflechten gibt. Denn die einst von Trommelwirbel begleitete Abfolge von Tier- und Trapeznummern, brennenden Ringen und bunten Clowns wurde durch neue Formen der Vertiefung in Themen unserer Zeit abgelöst. Es entstand eine Kunstform, die Dramaturgien entwickelt und das Publikum auf eine ganz andere Weise mitnimmt.

Durch die langjährige Kooperation wichtiger Initiativen und Festivals hierzulande wie dem Winterfest in Salzburg, La Strada und Cirque Noël in Graz gibt es immer mehr Menschen, die von der Verbindung von Theater, Akrobatik, Tanz, bildender Kunst und Musik fasziniert sind. Das Festival Cirque Noël öffnet diese Räume zur Weihnachtszeit mit einem Programm, das einen Ort für neue Gedanken schafft. Wie großartig das gelingen kann, beweisen in diesem Jahr zwei ganz besondere Produktionen.

Von Licht und Schatten

So zeigt die Familie Flöz mit Feste die Schattenseiten hinter den Lichterfesten und verweist auf humorvolle Weise, was hinter den Kulissen ertragen, gearbeitet und verborgen werden muss, damit es vorn schön glitzert und glänzt. Das ist in dem herrschaftlichen Haus am Meer nicht anders: Im dunklen Betriebshof wird für die anstehende Hochzeit geliefert, geputzt, geräumt, bewacht und entsorgt. In einer Melange aus Tragik und Slapstick geben die Figuren im Dunklen ihr Bestes, um die Versorgung der Pracht sicherzustellen; kämpfen trotz aller Schwäche um ihre Würde und den Respekt der Starken und Reichen. Nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit La Strada, dessen Intendant Werner Schrempf auch für den Cirque Noël verantwortlich ist, wird es heuer eine ganz besonders festliche Zusammenarbeit geben, die hier aber alle im vorderen Haus, dem Orpheum Graz, gemeinsam mit dem Publikum erleben können.

Wege zum Glück

Bei Sweat & Ink der Barcode Circus Company wird es – Weihnachten hin oder her – zwar auch schön und poetisch, aber ebenso verschwitzt, turbulent und witzig: Die vier Artistinnen und Artisten setzen sich mit der zu Weihnachten ganz besonders aktuellen Frage auseinander, ob die perfekte Erinnerung glücklich macht oder nicht doch eher das Ringen mit den Herausforderungen des Lebens. Auf der Suche nach der Antwort bringen sie ihr Publikum zum Weinen, Lachen, Staunen und Nach-Luft-Schnappen zugleich. In ihrer Performance erforschen die Künstlerinnen und Künstler Erinnerungen und Beziehungen mit akrobatischen Mitteln; lassen vier Menschen mit ihren persönlichen Makeln an Grenzen stoßen, während sie mit der schmerzhaften Fehlbarkeit der eigenen Erinnerung ringen, indem sie scheinbar die Schwerkraft außer Kraft setzen und ein eindringliches Schauspiel mit kraftvoll-anmutiger Luftakrobatik auf die Bühne bringen. Dabei zeigen sie „die Kraft der menschlichen Möglichkeiten“, „wenn jemand fällt und dann doch – entgegen aller Wahrscheinlichkeit – landet“, wie es die Broad Street Review beschrieben hat. Was das Wesen des zeitgenössischen Zirkus lebendig werden lässt, in dem das Scheitern und Hinfallen genauso zelebriert werden wie das Wiederaufstehen und Triumphieren. Nicht nur zu Weihnachten.       

CIRQUE NOËL – Die Zirkusgeschichten in Graz
21. Dezember 2021 bis 6. Jänner 2022, Orpheum Graz

Familie Flöz (DE) – „Feste“
mit: Andres Angulo, Johannes Stubenvoll, Thomas van Ouwerkerk
Regie: Michael Vogel und Björn Leese
Masken: Hajo Schüler
Di, 21.12., 19 Uhr / Mi, 22.12., 19 Uhr / Fr, 24.12., 11 Uhr
Sa, 25.12., 19 Uhr / So, 26.12., 15 Uhr / Mo, 27.12., 19 Uhr
Di, 28.12., 19 Uhr / Mi, 29.12., 19 Uhr
Vorstellungsdauer 95 min. (ohne Pause)
Empfohlen ab 8 Jahren

Barcode Circus Company (CA) – „Sweat & Ink“
mit: Eric Bates, Alexandra Royer, Mason Ames, Eve Bigel*
Regie: Jean-Pierre Cloutier
So, 2.1., 19 Uhr / Mo, 3.1., 19 Uhr / Di, 4.1., 19 Uhr
Mi, 5.1., 19 Uhr / Do, 6.1., 15 Uhr
Vorstellungsdauer 75 min. (ohne Pause)
Für die ganze Familie

Kartenvorverkauf & Information:
Ticketzentrum: Kaiser-Josef-Platz 10, 8010 Graz,
Tel. 0316 8000, tickets@ticketzentrum.at, www.ticketzentrum.at
Graz Tourismus: Herrengasse 16, 8010 Graz, Tel. 0316 8075-0, info@graztourismus.at, www.graztourismus.at
Alle Informationen: www.cirque-noel.at