Die Sommerausstellung „Venedig“ im Greith-Haus zeigt bis Mitte August alte und noch nie gezeigte Fotografien aus Venedig des Schriftstellers und Fotokünstlers Gerhard Roth.
Text: Lydia Bißmann
Die aktuelle Ausstellung hätte im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des 80. Geburtstags von Gerhard Roth stattfinden sollen. Doch es kam anders. Gerhard Roth verstarb im Februar 2022. Er war nicht nur ein großer Erzähler, sondern auch ein leidenschaftlicher Fotograf. Eines seiner liebsten Motive war über die Jahre hinweg der Sehnsuchtsort Venedig. Geweckt wurde die Liebe zur Serenissima durch ein Kindheitserlebnis. „Ich war zwölf Jahre alt, als ich das erste Mal in Begleitung meiner Eltern nach Venedig kam. Der Markusdom mit seinen Mosaiken, der Dogenpalast mit der Fülle an Bildern und Geschichten – das alles hat für mich einen neuen Kosmos sichtbar gemacht“, erzählte Roth im Buch. Zeit seines Lebens ist er 15 Mal mit der Kamera nach Venedig gereist. Mehr als 15.000 Bilder sind das Resultat dieser Reisen. Vor zwei Jahren ist daraus der einfühlsame und poetische Bildband Venedig. Ein Spiegelbild der Menschheit entstanden, der auch sehr gut als Reiseführer funktioniert. Roth berichtet darin über seine ganz persönlichen Erlebnisse am Markusplatz, das Hochwasser Acqua alta, die Biblioteca Marciana, den Lido, das Caffè Florian sowie über Begegnungen mit Menschen und steuert als passionierter und genauer Venedig-Forscher auch viele historische Anekdoten bei. Geschichten von verfluchten Häusern, Sterbeursachen, Intrigen und unglücklichen Liebesangelegenheiten. Mitherausgeber Martin Behr war seit Jahrzehnten mit Gerhard Roth befreundet und durfte ihn 2019 auf einer Venedig-Reise begleiten. Zum Bildband steuerte er ein Vorwort bei, nun kuratierte er auch die Sommerausstellung im Greith-Haus in St. Ulrich, die am 24. Juni eröffnet wird.
Der Fotokünstler Gerhard Roth
Behr, der mit seinem Freund Gerhard Roth die Liebe zum Fußball und zur Fotografie teilte, will mit dieser Schau Roth als Fotokünstler ins Rampenlicht rücken. Neben den prominenten Touristenorten, dem Lido, der Rialtobrücke, dem Arsenal und dem Campanile hat er auch Bilder aufgenommen, die keine klassischen Venedig-Motive zeigen. Hier gibt es abstrakt anmutende Flecken auf Mauern, Blicke ins Wasser, Graffitis oder devastierte Orte wie das Ospedale al Mare am Lido. Gerhard Roth war es immer wichtig, in seinen Büchern wie auch Fotografien den Verfall und die Schattenseiten der Zivilisation aufzuzeigen. Fast nirgendwo geht das so gut wie in der sterbenden und blühenden Stadt Venedig. Mit seinen Lost-Places-Aufnahmen bekommen „Grandezza und Grauen“, das er dort immer gesucht hatte, einen weiteren und auch sehr modernen Anstrich. Roth verzichtet aber auf Filter und hatte überhaupt – trotz klarer künstlerischer Positionierung als Fotograf – einen sehr saloppen Umgang mit seinem Foto-Œuvre. Vergrößern ließ er seine Bilder nicht wie andere Fotokünstler in kostspieligen Spezialgeschäften in Wien, sondern erledigte das lieber pragmatisch im nächsten Drogeriemarkt.
Durch Zufall stießen Martin Behr und Senta Roth im Zuge ihrer Recherchen für die Ausstellung auch auf ein altes Kastner & Öhler-Plastiksackerl, das, verborgen im Roth-Lager im Pfarrhaus von St. Martin, Schwarz-Weiß-Fotos der legendären Winterreise aus dem Jahr 1975 verbarg. Es war die erste Reise gemeinsam mit Senta Roth, aus der in Folge auch der Roman Die Winterreise entstand. Die wunderschönen, teils vergilbten Aufnahmen zeigen ein noch ganz anderes Venedig. Die Piazzi sind hier noch etwas heruntergekommener, nicht so geschleckt und touristisch, wie wir sie jetzt kennen. Eine Auswahl aus diesen Bildern wird zum ersten Mal im Greith-Haus zu sehen sein.
Wunderkammer-Charme
Begleitet wird die Fotoausstellung von sorgfältig bestückten Vitrinen, die Utensilien und Alltagsgegenstände zeigen, die der Flaneur und Stadtforscher Roth bei seinen Venedig-Reisen benutzt hat. Landkarten mit persönlichen Markierungen, einige vollgeschriebene schwarze Moleskine-Notizbücher sowie Nippes, die er als passionierter Sammler für sich entdeckt hatte, sind hier zu sehen. Am Tag der Vernissage wird der Roman Die Imker, das letzte Buch, das Gerhard Roth selbst vor seinem Ableben fertigstellen konnte, präsentiert. Wenige Tage zuvor erscheint im Brandstätter Verlag der erstmals 2007 herausgegebene Bildband Atlas der Stille in einer limitierten Sonderauflage von 999 Exemplaren. Hier erkundete Roth die Region rund um sein damaliges Wohnhaus in Obergreith. Dieser Landstrich, seine Häuser und Bewohner, die Jahreszeiten und Lebensläufe, das Dorf- und Tierleben, die Landschaften sind Schauplätze für Fotografien, die so nur Gerhard Roth einfangen konnte.
Sommerausstellung – Gerhard Roth, „Venedig“
24.6.–15.8.2022, Mi–So, 10–18 Uhr
Eröffnung: Fr, 24.6.22, 18 Uhr
Greith-Haus
Kopreinigg 90, 8544 St. Ulrich in Greith
Tel. 03465 20 200