Start Featureshome „Fernab jeglicher Marktgelüste!“

„Fernab jeglicher Marktgelüste!“

Martin Roth, Untitled, 2013

Galerist Helmut Reinisch über den Künstler Martin Roth, junge Talente, das Kunstsammeln und die Malerei von Herbert Brandl.

Text: Stefan Zavernik

Das Kunsthaus Graz zeigt in einer seiner aktuellen Ausstellungen gerade Arbeiten von Martin Roth. Als Galerist haben Sie den mittlerweile verstorbenen Künstler von Beginn seiner Karriere an begleitet. Was hat Sie von seiner Kunst überzeugt?

Wir haben 2012 eine Email aus Amerika bekommen. Martin Roth hat darin angefragt, ob er bei uns ausstellen könnte. Anfragen wie diese erreichen uns unzählige jedes Jahr. Bei Martin Roth waren wir allerding sofort begeistert, in seiner Email war ein Bild beigefügt, auf dem Teppiche in einer Galerie zu sehen waren, auf denen Gras wächst. Kunst wie diese lässt sich zwar nicht so einfach verkaufen, ist aber unglaublich spannend. Das war etwas, das weit entfernt von jeglichen Marktgelüsten angesiedelt war. Es ging ihm mit seiner Kunst darum, uns die vom Menschen verdrängte Natur, wieder bewusst zu machen.

War es damals für Sie schon absehbar, dass Martin Roths Kunst irgendwann auch von Museen gezeigt werden würde?

Ich habe sofort gesehen, dass er völlig andere Wege geht. Wir haben mit ihm einige tolle Projekte realisiert. Etwa eine Ausstellung, bei der wir die Galerie geflutet haben. Seine Kunst war so ungewöhnlich, dass es klar war, dass dieser junge Mann noch viel Aufsehen erregen würde. Er hatte zahlreiche Ausstellungen zu Lebzeiten, nahm an der documenta in Kassel teil und hätte sicherlich noch große Erfolge verzeichnet. Es freut mich sehr, dass wir die erste Galerie in Österreich waren, die ihn zeigen konnte. Schrecklich, dass er viel zu früh verstorben ist.

Galerist Helmut Reinisch vor einem Kunstwerk von Herbert Brandl

Wie entdecken Sie Künstler-Talente für Ihre Galerie?

Wir sind ständig auf der Jagd, ganz egal wo. Umgekehrt bekommen wir sehr viel angeboten. Es geht darum Talente früh zu erkennen. Das ist eine der Hauptaufgaben eines Galeristen. Einen Künstler machen, das kann man nicht. Ein Künstler entwickelt sich. Aber das Talent muss dafür schon vorhanden sein.

Was bedeutet für Sie Talent?

Es geht nicht darum, von großen Künstlern Stile zu übernehmen. Kunst ist immer auch zeitbezogen. Heute Aktionismus zu machen oder sich dem Surrealismus zu widmen, ergibt keinen Sinn. Das gibt es bereits alles schon viel besser. Kunst ist eine Geisteshaltung.

Wer sind heute die vielversprechenden, jungen Künstler in Ihrem Programm?

Besonders auffallend ist Levente Szücs. Ein Deutscher mit ungarischen Wurzeln. Er war in der Meisterklasse von Herbert Brandl. Er arbeitet mit einem mutigen, großzügigen Pinselstrich. 

Neben jungen Künstlern vertreten Sie auch eine Reihe an österreichischen Kunst-Stars. Bis vor Kurzem zeigten Sie exklusiv eine Werkreihe aus Arnulf Rainers Spätwerk. Wie ist die Ausstellung angekommen?

Sie wurde sehr gut angenommen. Auch in Wien, wo wir die Ausstellung zum ersten Mal gezeigt haben. Auch wenn der Verkauf nicht das Wichtigste bei einer Ausstellung ist, war es dennoch erfreulich, wie hoch die Nachfrage nach diesen Kunstwerken ist. Rainer ist bei dieser Werkreihe farblich explodiert, das war für viele sehr attraktiv. 

Levente Szücs, Augmented Nature, 2022

Regelmäßige Ausstellungen gibt es seit Jahren etwa mit Herbert Brandl. Was macht seine Kunst so wertvoll?

Herbert Brandl verfügt über enormes Talent. Es gelingt ihm immer wieder, neue Werkgruppen zu schaffen. Selbst wenn er sich immer wieder den Bergen als Motiv widmet, sind diese von Werkgruppe zu Werkgruppe verschieden. Es gibt sie von mega-bunt bis hin zu schwarz-weiß. Er spielt mit Materialien und Farben und lotet immer neue Grenzen der Kunst aus. Seine vielfältige Neuerfindung zählt für mich zu den Hauptgründen, warum seine Kunst in den Museen so gefragt ist.  

Warum sind gerade seine Berg-Bilder so begehrt?

Seine ungewöhnliche Herangehensweise an dieses Motiv trägt vermutlich dazu bei. Er widmet sich dem Prototyp des Berges, malt Berge schroff und bedrohlich, verherrlicht sie nicht. Hier geht es nicht um klassische Landschaftsmalerei.

Aus einem Pop-up-Projekt in der Salzburger Altstadt während der Salzburger Festspiele wurde nun ein weiterer fixer Standort Ihrer Galerie. Was wird in Salzburg gezeigt?

Wir heben für Messen und Events in Salzburg, wie die nächste Ausstellung zu Ostern, absolute Highlights auf. Die Leute sollen überrascht werden, was es in unserer Salzburger Galerie zu sehen gibt. Für die kommende Ausstellung gibt es neue Bilder von Katherina Grosse, Herbert Brandl oder Arnulf Rainer.

Immer wieder sind Sie mit Ihrer Galerie auf österreichischen Kunstmessen vertreten. Wie wichtig sind solche Teilnahmen für eine Galerie wie die Ihre?

Über die Jahre sind wir mit unserer Galerie immer mehr in die Richtung eines Wanderzirkus gegangen. Graz alleine wäre für das, was wir zeigen, zu klein. Messen werden von Kunstinteressierten dazu genutzt, um zu vergleichen. Eine Kunstmesse ist die beste Möglichkeit, um Qualität und Preise von unterschiedlichen Galerien miteinander zu vergleichen. Das hat mir immer gut gefallen, hier mittendrin zu sein und dort mitzuspielen. Erfreulicherweise gewinnen wir so gut wie bei jeder Messe, an der wir teilnehmen, neue Kunden. Oft sind es Leute, die bisher konservativere Kunst sammelten, etwa Kunst aus dem 19. Jahrhundert, und plötzlich auf den Geschmack für zeitgenössische Kunst kommen. Das ist für uns ein Erfolgserlebnis.

Was raten Sie Menschen, die sich für zeitgenössische Kunst interessieren?

Lieber ein gutes Objekt kaufen als vier durchschnittliche. Ganz egal, wo Sie Kunst kaufen.

Der Schauspieler Philipp Hochmaier und das Rainer-Modell Sarah Gold inmitten des Reinisch-Teams bei der Eröffnung der Ausstellung Rainer Akte

Welche Entwicklung hat zeitgenössische Kunst als Wertanlage Ihrer Erfahrung nach?

Wie bei allem, etwa auch bei Grundstücken oder Immobilien, muss man unterscheiden zwischen einem Topobjekt und einem Durchschnittsobjekt. Kunst im Topsegment verdoppelt sich alle 6 bis 7 Jahre. Bei weniger spannenden Kunstwerken kommt es zu einer Preissteigerung von 10 oder 20 Prozent nach 10 Jahren. Hochwertigste Kunst ist eine Wertanlage wie Immobilien in bester Lage.  

Wie reich muss man sein, um sich Spitzenkunst leisten zu können?

Den großen Reichtum braucht es nicht. Man kann um 3.000 bis 5.000 Euro schon ein Spitzenwerk von Arnulf Rainer kaufen. Zum Beispiel eine Kaltnadelradierung. Davon haben Sie mehr, als Sie kaufen sich um 20.000 Euro ein riesengroßes Durchschnittsbild.

Was wird in Ihrer Grazer Galerie in nächster Zeit gezeigt?

Wir zeigen im Mai Fotoarbeiten von Branko Lenart.      

Reinisch Contemporary Graz
Hauptplatz 6, 8010 Graz

Reinisch Top-Up Gallery Salzburg
27.3.–10.4.2023, täglich geöffnet
Getreidegasse 12, 5020 Salzburg

www.reinisch-graz.com