Die „Lange Nacht der Kirchen“ am 2. Juni macht das spirituelle und kulturelle Erbe der Steiermark einem breiten Publikum sichtbar – unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder religiöser Überzeugung.
Text: Wolfgang Pauker
Seit mehr als 15 Jahren ist die „Lange Nacht der Kirchen“, bei der in ganz Österreich rund 750 Kirchen und Klöster ihre Pforten öffnen, ein Erfolg. Auch in der Steiermark, wo in den vergangenen Jahren rund 100 Pfarren und kirchliche Einrichtungen zu über 500 Veranstaltungen einluden, in denen dem Publikum bei freiem Eintritt ein vielfältiges, alle Sinne ansprechendes Programm geboten wurde. Nachdem die „Lange Nacht der Kirchen“ nun drei Jahre coronabedingt pausieren musste, feiert sie heuer ein herbeigesehntes Comeback mit einem feinen Programm, das hinter Kirchen- und Klostermauern blicken lässt, verborgene Orte aufspürt, neue Entdeckungstouren anbietet sowie allerlei Interessantes aus der Geschichte vermitteln möchte. Vor allem aber soll sie wieder persönliche Begegnungen, Gespräche und außergewöhnliche Erlebnisse an stimmungsvollen Orten in der Steiermark ermöglichen.
Lange Nacht der Kirchen in Graz
In Graz werden sich heuer rund 50 Pfarren und christliche Institutionen beteiligen und mit mehreren Dutzend Programmpunkten Innenstadt und umliegendes Stadtgebiet bespielen. Neben vielen katholischen und evangelischen Kirchen sind auch die altkatholische, die koptisch-orthodoxe und die baptistische Kirchengemeinde vertreten. Viele christliche Institutionen wie die Caritas, das Netzwerk Weltkirche, Bildungsforum Mariatrost, Katholisch-Theologische Hochschule, Afro-Asiatisches Institut, Diözesanmuseum, KULTUM bei den Minoriten und die Diözesansportgemeinschaft (DSG) sind ebenfalls mit an Bord. Die Programme finden nicht nur in Kirchen, sondern auch unter freiem Himmel oder an unerwarteten Orten wie dem Schloss Eggenberg oder dem Volkskundemuseum statt. Der festliche Abschluss wird traditionell im Hof des Priesterseminars mit einem ökumenischen Segen und Livemusik begangen. Ein Schwerpunkt liegt auch wieder auf der Vermittlung von Kunst und Kultur – hier ein Überblick über die Highlights.
Alte Musik in der Welsche Kirche
In der Welsche Kirche am Griesplatz findet ein Abend der alten Musik statt. Nach der Messe steht um 19.30 Uhr das Konzert „Kantaten zur Trinitatis“ auf historischem Instrumentarium mit Werken von G. Ph. Telemann & C. Graupner des Fachbereichs für Alte Musik des Johann-Joseph-Fux-Konservatoriums Graz am Programm. Um 20.15 Uhr folgt das Konzert „Himmlische Harmonien“ mit Harmoniemusik für klassische Bläserensembles des Instituts für Alte Musik der Kunstuniversität Graz. Zu hören sind Wolfgang Amadé Mozarts himmlisches Adagio KV 411, eines der intimsten und gleichzeitig revolutionärsten Kammermusikwerke der Wiener Klassik, sowie unterhaltsame Partiten von Franz Aspelmayr, der den wohl kürzesten Finalsatz der Musikgeschichte komponiert hat.
„Stages“ in der Leechkirche
In der Leechkirche werden zwei Installationen gezeigt und damit das Programm (im Vergleich zum Programmheft) geändert. Um 19 Uhr startet die reduktive Klanginstallation Das Verweilen im Transit. Die Erinnerung freilegen von Heribert Friedl, welche sich vor allem auf die Geschichte der Kirche bezieht. Eine Arbeit, die „ein Ausklinken aus dem visuellen und auditiven Overflow unserer Zeit ermöglicht“, so der Künstler. Abgelöst wird sie um 21 Uhr von einer Lichtinstallation von Gor Chahal, die traditionelle Spiritualität ins Heute übersetzt. Der Künstler gilt mit seinen bereits in den 1980er Jahren entstandenen virtuellen Skulpturen als einer der Pioniere multimedialer Kunst in Russland, der die Tradition des Hesychasmus der orthodoxen Kirche in eine zeitgenössische Formensprache transformiert. In seinem 2005 entstandenen Video Stages entfalten die geschriebenen Anrufungen Gottes eine raumgreifende Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Für die Präsentation kombiniert er den sich öffnenden, visuellen Tiefenraum mit dem betörenden Gesang des russischen Avantgarde-Poeten und Underground-Sängers Alexei Khvostenko.
Wilhelm Scherübl im KULTUM
Im Kulturzentrum bei den Minoriten am Mariahilferplatz wird aktuell die Ausstellung Gehen und Vergehen von Wilhelm Scherübl gezeigt. Der Künstler arbeitet in und mit der Natur, die ihm zur unbändigen Transformationsquelle von Energie, Kraft und Leben wird. Aus dem Gehen heraus entstehen künstlerische Arbeiten, sie werden daraus entwickelt und daraufhin reflektiert. Auch dem Ver-Gehen sind sämtliche Arbeiten und die gesamte Existenz ausgeliefert. Im Rahmen der Langen Nacht wird Kurator Johannes Rauchenberger durch die Schau führen (18 bis 20 Uhr) und anschließend die Dogmatikerin Sybille Trawöger zu einem Fachgespräch über die Schöpfungstheologie bitten.
Konzert & Lesung in St. Andrä-Kirche
In der St. Andrä-Kirche, die durch ihre zeitgenössischen Kunstobjekte zu den herausragenden Kirchen des Landes zählt und deren Worte und Begriffe auf der Fassade den Betrachter unweigerlich in einen Dialog verstricken, steht ein Doppelkonzert (21 & 21.30 Uhr) des African Community Choir der Zeitschrift Megaphon am Programm. Diesem folgt um 22 Uhr „Waldbrand Kantate“, ein Konzert und eine Lesung zum Thema Klimaschutz. Barock-Musik (Kornraset Narkmun, Cembalo) verwebt sich mit zeitgenössischen Klängen (Paul Wolff, Live-Elektronik) und Gedichten von Jakob Niller zu einer nachdenklichen künstlerischen Intervention zur Klimakrise und der zunehmenden Umweltbelastung.
Das gesamte Programm und alle teilnehmenden Institutionen unter www.langenachtderkirchen.at/steiermark