Das Greith-Haus widmet der verstorbenen Malerin Maria Lassnig seine große Sommerausstellung. Kuratiert wird die Schau von Peter Pakesch. „Achtzig“ sprach mit dem Kunstexperten über das Werk von Maria Lassnig.
Text: Stefan Zavernik
Nach langer Zeit kuratieren Sie wieder eine Ausstellung in der Steiermark. Wie gut passt die Kunst von Maria Lassnig in das Greith-Haus in der Südweststeiermark?
Die Kunst von Maria Lassnig passt überall. Dem gehen wir auch in der Ausstellung nach. Außerdem war es ein Wunsch von Gerhard Roth, dem wir hier posthum nachkommen wollen.
Die Ausstellung trägt den Titel „Be-Ziehungen“. Welche Beziehungen werden thematisiert?
Der Titel ist einer Bildgruppe entnommen, die im Greith-Haus gezeigt wird und die Maria Lassnig vor ihrem Tod nach ihrer letzten Ausstellung der Neuen Galerie Graz zur Präsentation geschenkt hat.
Sie haben Maria Lassnig in unterschiedlichen Funktionen begleitet. Wie würden Sie Maria Lassnigs einzigartigen Beitrag zur Kunstwelt aus heutiger Sicht beschreiben?
Ihre Bedeutung ist, wie wir heute sehen, sehr vielfältig. Sie hat Epochales geleistet in ihrer Auseinandersetzung mit ihrem Körper und der Wahrnehmung desselben. Sie ist sicher auch eine Vorreiterin, was die Position von Frauen in der Kunst betrifft. Und überhaupt: In der Auseinandersetzung mit ihrem Werk, die mir durch die Tätigkeit für die Stiftung in den letzten Jahren ermöglicht wurde, öffnen sich mir immer mehr Aspekte und Themen, wo Lassnig ganz weit vorne war. Zum Beispiel ihre intensive Auseinandersetzung mit Virtual Reality, was man sich vordergründig nicht so gedacht hätte.
Welche besonderen Merkmale zeichnen Maria Lassnigs Kunst aus und was macht sie so einzigartig?
Ihr Bezug zum Körper, die Body Awareness, ist sicher Teil dieser Einzigartigkeit. Zudem die hohe Konsistenz im Werk und die große Neugierde, das dieses durchzieht. Nicht zu vergessen ist, was für eine einzigartige Malerin sie von Anbeginn war. Ihr Spruch, sie sei die „Frau Picasso“, kommt nicht von ungefähr.
Welche Einflüsse und Inspirationen hatten Ihrer Meinung nach einen prägenden Einfluss auf Maria Lassnigs künstlerische Entwicklung?
Einflüsse gab es sicher viele. Ganz vorne standen zwei Städte, die sie früh aufsuchte und intensiv erlebte: In Paris nahm sie Einflüsse der informellen Kunst auf, in New York Einflüsse des experimentellen Films. Auch waren ihr die Freundschaften und der Austausch mit Literaten und Literatinnen sehr wichtig: Michael Guttenbrunner, Paul Celan, Oswald Wiener, Friederike Mayröcker und Peter Handke, um nur ein paar zu nennen. 2018/19 konnten wir in zwei Ausstellungen im Bozener Museion und im Münchner Lenbachhaus aber auch den wechselseitigen Einflüssen zwischen ihr und Martin Kippenberger nachgehen; im ersten Moment etwas unerwartet, aber in der Ausstellung schlagend.
Inwiefern hat Maria Lassnig mit ihrer Kunst die Rolle der Frauen in der Kunstszene beeinflusst oder verändert?
Sie hat in Österreich von Anfang an ein starkes Argument für die Frauen in der Kunst vorgebracht. Davon war auch ihre Auseinandersetzung mit der Galerie St. Stephan und den „St. Stephansbuben“ geprägt, die sie dazu brachte, sich 1960 mit einem Schnurrbart auf der Einladungskarte ihrer Ausstellung zu zeigen.
Wie hat sich Maria Lassnigs Kunst im Laufe ihrer Karriere entwickelt und welche Themen haben sich in ihrem Werk herauskristallisiert?
Die Wahrnehmung, in ihrem Fall im Besonderen die Body Awareness, stand immer im Zentrum ihres Werks. Diese Überlegungen spiegelten sich immer an den jeweils aktuellen Entwicklungen in der Kunst und nahmen diese zumeist auch vorweg. Aus einer sehr eigenwilligen und bedeutenden Position der späten Moderne entstand ein richtungsweisendes Œuvre, das weit ins 21. Jahrhundert weist.
Welche Bedeutung hatte die Darstellung des Körpers in Maria Lassnigs Kunst, und wie hat sie das menschliche Selbstbild thematisiert?
Ihr Körper, die Wahrnehmung desselben und ihre Persona waren immer zentral für künstlerische Überlegungen, die dann große Bedeutung im Allgemeinen bekamen. Sie ist durchaus als eine exemplarische Künstlerin menschlichen Seins zu betrachten.
Maria Lassnig hat häufig Selbstporträts gemalt. Was können wir aus diesen Selbstporträts über ihre Persönlichkeit und ihr künstlerisches Schaffen erfahren?
Das Selbst ist bei ihr der Ausgangspunkt für das Menschsein an sich.
Welche Techniken und Medien hat Maria Lassnig in ihrer Kunst verwendet, und wie haben diese zu ihrer künstlerischen Aussage beigetragen?
Die klassische Malerei stand bei ihr immer im Zentrum. Sie hat schnell und spontan lang reflektierte Bildideen umgesetzt. Davon ziemlich abgekoppelt ist ihr zeichnerisches Werk, nicht zu vergessen ihre Aquarelle. Sehr selten sind es Vorzeichnungen zu Gemälden, eher unabhängige und sehr spezifische Äußerungen. Es gibt aber auch ein kleines und bemerkenswertes skulpturales Werk. Die große Antipode zu den Gemälden stellen aber die experimentellen und Animationsfilme dar, die sie hauptsächlich in ihrer New Yorker Zeit in den 1970ern gemacht hat. Diese wurden zusammen mit dem Österreichischen Filmmuseum in den letzten Jahren gründlich aufgearbeitet und publiziert.
Inwiefern hat Maria Lassnig mit ihrem Werk politische oder soziale Botschaften vermittelt?
Ihr Werk ist als solches eine profunde politische Botschaft. Vordergründige Botschaften lagen ihr fern.
Wie würden Sie Maria Lassnigs Einfluss auf die zeitgenössische Kunstszene bewerten und welche Auswirkungen hatte sie auf nachfolgende Generationen von Künstlerinnen und Künstlern?
Ihre Einflüsse reichen tief in junge Generationen hinein. Zu allen Zeiten ihres langen Lebens hat sie andere stark beeinflusst. Von der abstrakten Malerei in Österreich über das filmische Schaffen, die Renaissance der figuralen Malerei der 1980er Jahre bis hin zu aktuellen Überlegungen zu Identität oder Identitäten – Lassnig hat immer eine Vorreiterrolle gespielt.
Als Mitglied des Vorstandes der Maria Lassnig Stiftung setzen Sie sich aktiv dafür ein, die Kunst von Maria Lassnig international zu präsentieren. Wo werden die kommenden großen Ausstellungen stattfinden?
Das nächste große Projekt nach der Ausstellung im Greith-Haus wird die erste Retrospektive in Ostasien sein. Anfang September eröffnet diese im UCCA in Beijing – der perfekte Ort, ihr Werk in China einzuführen. Das Interesse dort ist groß.
Maria Lassnig, Be-Ziehungen
Zu sehen bis 15.8.2023
Greith-Haus, Kopreinigg 90
8544 St. Ulrich in Greith