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Premieren-Woche der Freien Theater in Graz

Im Stück Symptome der working life balance ltd freundet sich Protagonistin Nikola mit der Idee an, die Zukunft der Zivilisation ersatzlos zu streichen Foto: Gudrun Becker Pyroski

Theaterland Steiermark präsentiert von 12. bis 15. September „newsOFFstyria“, unterstreicht mit dem Festival einmal mehr die Lebendigkeit und Experimentierfreude der freien Theaterszene und erforscht innovative Tendenzen der darstellenden Künste. 

Von 12. bis 15. September findet wieder die Premieren-Woche der Freien Theater in Graz statt. Dabei gelangen fünf Stücke und ein Gastspiel, allesamt von einer namhaften Jury ausgewählt und in Kooperation mit Theaterland Steiermark produziert, zur Erstaufführung. Das Festivalprogramm umfasst Humoreskes, Hybrides und Performatives und wird in diversen Grazer Theatern und im öffentlichen Raum gezeigt. Den Abschluss bildet die mit 2.000 Euro dotierte PublikumsPREISverleihung für die Gewinnerproduktion, gesponsert vom E-Werk Franz. Hier ein Überblick über das zu Sehende.

Ein Instagram Märchen

Den Auftakt des Festivals macht Franz von Strolchens Stück Boji. Es erzählt die Geschichte eines Straßenhundes auf Instagram, die in der Türkei politische Wellen geschlagen hat. In einem installativen Setting wird die Geschichte zur Dokufiktion – anhand von Objekten, Fundstücken, Fragmenten, Sound, Musik und Hundekot. Zusammen mit einer Gruppe von Künstler*innen zwischen West und Ost kreiert von Strolchen eine hybride Form aus bildender Kunst, Konzert, Live-Performance, Video- und Sound-Design, in der missachtete Tiere und aktuelle Phänomene wie Propaganda und gesellschaftliche Manipulation aufeinandertreffen.

Boji ist eine moderne Fabel über Repräsentation und Propaganda
Foto: Franz von Strolchen

Ein Musical über reale Verhältnisse

Das Stück Symptome der ­working life balance ltd. ist ein Musical und handelt von Nikola Stawrogina, die nach abgebrochener Polizei-Ausbildung ihre angeschlagene Stimme schonen und ihre Mutter um Geld bitten will. Statt Erholung findet sie ihre farblose Kleinstadt in Aufruhr: Eine Gruppe von Aktivist*innen droht den gesamten Verkehr und Handel mit wahnwitzigen Choreografien lahmzulegen. Während sich Nikola mit dem Aktivisten Kirilov anfreundet und die Idee, die Zukunft der Zivilisation ersatzlos zu streichen, bedrohliche Gestalt annimmt, taucht eine Hoffnung auf, die sämtliche Handlungsebenen unter sich begräbt.


Ein performativer Spaziergang

Ursula Grabers und Hanna Rohns performativer Walk Mental Muscle durch das Lendviertel setzt an den Reibungspunkten zwischen Bewegung, Tanz, Installation und Genderforschung an und lädt zum Mitdenken, Mitgehen und Mittragen ein. Alles dreht sich um Mental Load, also an alles denken zu müssen und Gefühlsarbeit zu übernehmen. Insbesondere durch Frauen, „die beispielsweise durchschnittlich ein halbes Kilo reales Gepäck pro Tag mehr als Männer transportieren. Sie tragen wortwörtlich Dinge und Menschen, aber gelten trotzdem nicht als die Stärksten”, so Rohn. Müssten Frauen also nicht einen Mental Muscle haben – unsichtbar, aber gut trainiert und ziemlich stark?

Ursula Grabers und Hanna Rohns performativer Walk Mental Muscle setzt an den Reibungspunkten zwischen Bewegung, Tanz, Installation und Genderforschung an
Foto: Edi Haberl

Aufrichtig vs. richtig?

Die Produktion SagdochmalLuca ist eine Nacherzählung über die Unmöglichkeit, DIE Wahrheit zu sagen, und handelt von Luca, der Luis in der Umkleide die Nase gebrochen, ihm danach aber auch ganz zärtlich das Blut abgewischt hat. In Lena Goreliks ausgezeichnetem und im besten Sinn mehrdeutigem „Vexierbild“ ver(un)sichert uns eine ganze Klasse, zu wissen, was wirklich passiert ist – und bezeugt damit, dass die Wahrheit letztlich immer im Auge der Betrachter- und Zuschauer*innen liegt.

Die Produktion SagdochmalLuca zeigt, dass die Wahrheit letztlich immer im Auge der Betrachter- und Zuschauer*innen liegt
Foto: Clemens Nestroy

Durch die Geschichte rollen

Das Mezzanin Theater präsentiert das Stück *STERNE* … oder ich bin eine Kugel, in dem sich zwei Performer*innen über die Bühne und durch ihre Geschichte rollen lassen. Sie stoßen sich an und stoßen sich ab, auf der Suche nach ihrer Form und der großen Frage, vor der junge Menschen stehen: Wer bin ich eigentlich? Ein Stück Hoffnung auf eine Welt jenseits des binären Geschlechtersystems, das zeigt, wie Akzeptanz in einer diversen Gesellschaft ganz leicht lebbar ist.

Gastprojekt „Matria – Motherland“

Zum Abschluss erforscht die argentinisch-spanische Tänzerin und Choreografin Rocio Marano den Widerstandstanz der Gauchos, den Malambo. In Argentinien ist der Tanz heute vor allem als Solowettbewerb zwischen Männern bekannt. Die Performance Matria – Motherland löst den disziplinarischen und patriarchalen Aspekt des Stils auf und entwickelt sich zu einem Tanz der Rebellion. In einem Crossover zwischen traditionellem und zeitgenössischem Tanz stellt das Stück den Standard der westlichen Ästhetik in Frage, um Raum für andere Tanz-Ontologien zu schaffen und sich eine Geschichte vorzustellen, die in den kolonialen und hegemonialen Erzählungen nicht vertreten ist.         

Im Gastprojekt Matria – Motherland erforscht die argentinisch-spanische Tänzerin und Choreografin Rocio Marano den Widerstandstanz der Gauchos, den Malambo

Programm

Franz von Strolchen, Graz: „BOJI“
Di, 12. September, 17 Uhr
Theater des Gesellenvereins, Kaiser-Franz-Josef-Kai 50

working life balance ltd., Graz: „SYMPTOME”
Di, 12. September, 19.30 Uhr
Kristallwerk, Viktor-Franz-Straße 9

Ursula Graber & Hanna Rohn, Graz: „MENTAL MUSCLE”
Mi, 13. September, 17 Uhr
Lendviertel Graz, Start: Mariahilferplatz

TaO!: „SAGDOCHMALLUCA“
Mi, 13. September, 19.30 Uhr
Theater am Ortweinplatz, Ortweinplatz 1

Franz von Strolchen, Graz: „BOJI“
Do, 14. September, 19.30 Uhr
Theater des Gesellenvereins, Kaiser-Franz-Josef-Kai 50

Mezzanin Theater, Graz: „*STERNE* … ODER ICH BIN EINE KUGEL“
Fr, 15. September, 10 & 17 Uhr
Theater am Lend, Wiener Straße 58A

Rocio Marano, D-Berlin: „MATRIA – MOTHERLAND”
Fr, 15. September, 19.30 Uhr
20.45 Uhr: PublikumsPREISVerleihung
Kristallwerk, Viktor-Franz-Straße 9

www.theaterland.at