Günter Riegler über seine Vorstellungen von erfolgreicher Kulturpolitik, seine Ziele bis 2026 und den Stellenwert von Kunst und Kultur unter der städtischen Regierungskoalition.
Interview: Stefan Zavernik
Im Jahr 2024 wird die Steiermark wieder Teil einer Kulturhauptstadt Europas sein. Vor 20 Jahren war Graz Kulturhauptstadt: Wie nachhaltig war das Kulturhauptstadtjahr 2003 aus heutiger Sicht?
Ich denke, Graz hat vom Kulturhauptstadtjahr sehr profitiert und tut dies bis heute. Es sind nicht nur wichtige Infrastrukturprojekte wie etwa das Kunsthaus Graz oder die Stadthalle umgesetzt worden. Der europäische Charakter des Kulturhauptstadtjahrs hat Graz ins kulturelle Zentrum Europas rücken lassen.
Sie haben mit dem Kulturjahr 2020 eine Art Nachfolgeprojekt zu 2003 initiiert. Was ist aus der Idee geworden, das Kulturjahr als wiederkehrendes Projekt zu etablieren?
Mit dem Kulturjahr 2020 haben wir zusätzliche 5 Millionen Euro für die Grazer Kulturszene bereitgestellt und damit die lokale Kunstproduktion angeregt. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass es solche kulturellen Schwerpunkte immer wieder geben sollte. Aus heutiger Sicht wird das 900-Jahre-Jubiläum der Stadt Graz im Jahr 2028 den nächsten Anlass bieten. Beim Kulturjahr haben wir uns gemeinsam die Frage gestellt, wie wir in Zukunft leben wollen. Das 900-Jahre-Jubiläum der Stadt Graz könnte ebenso die Chance bieten, gemeinsam in die Zukunft zu blicken.
Sie sind mittlerweile seit 6 Jahren für das Kulturressort der Stadt Graz verantwortlich. Angetreten sind Sie das Amt damals als Quereinsteiger, der zuvor eine der größten Bildungseinrichtungen der Steiermark, die FH Joanneum, geleitet hat. Was macht für Sie heute erfolgreiche Kulturpolitik aus?
Mit meinen 6 Jahren im Dienst als Grazer Kulturstadtrat, in denen ich mich intensiv um die Grazer Kulturschaffenden bemüht habe, zähle ich mittlerweile zu den längstdienenden Kulturstadträten der letzten Jahrzehnte. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass Kontinuität für fruchtbare Kulturpolitik so gut wie alles ist. Es braucht seine Zeit, bis man als Kulturpolitiker die Kunst- und Kulturszene der Stadt kennengelernt hat und man sämtliche Strömungen deutlich wahrnimmt. Mir war es von Anfang an immer wichtig, Vertrauen aufzubauen und auf die Szene zuzugehen. Ein wichtiger Bereich der Kulturpolitik ist die Kulturförderung. Aus diesem Grund habe ich das Kulturbudget jährlich inflationsbereinigt erhöht. Kulturpolitik ist aber freilich mehr als reine Fördermittelvergabe. Es geht darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, in der Kunst- und Kulturproduktion gut funktionieren kann. Ich denke, ich konnte hier in den letzten sechs Jahren einiges bewegen. So sind etwa neue Probe- und Aufführungsorte in Graz entstanden. Auch im Museumsbereich ist uns einiges gelungen, wie etwa mit dem Graz Museum und dem dazugehörigen Schlossbergmuseum.
Seit 2021 führen Sie das Amt unter der kommunistischen Bürgermeisterin Elke Kahr. Haben sich die Rahmenbedingungen für Sie als Kulturstadtrat wesentlich verändert?
Ich möchte jetzt nicht allzu sehr wehklagen, aber die Rahmenbedingungen für jene Art von Kulturpolitik, wie ich sie mir vorstelle, haben sich leider sehr verschlechtert. Es wird immer deutlicher, dass die Kultur für die aktuelle Regierungskoalition keine wirkliche Priorität hat. Schlussendlich aber ist genau das eingetreten, was man sich erwarten musste: Die Budgets für Soziales und Umwelt wurden massiv angehoben, die meisten anderen Budgets wie etwa Kultur, Wirtschaft oder Tourismus werden seit Beginn der aktuellen Regierungsperiode gekürzt. Wer sich von der linken Regierungskoalition Milch und Honig für die Grazer Kulturszene erhofft hatte, wurde enttäuscht.
Wie geht es mit dem Kulturbudget der Stadt Graz weiter? Wird es 2024 eine Inflationsanpassung geben? Braucht es eine solche?
Es braucht definitiv eine Inflationsanpassung. Für die großen Bühnen ist eine solche vertraglich festgelegt. Für die freie Szene braucht es zu diesem Zweck eine Erhöhung des Kulturbudgets. Ich werde mich vehement dafür einsetzen. Ob sich die KPÖ hier überzeugen lassen wird, wird sich zeigen.
In Zeiten des Sparzwangs und inflationärer Belastung: Wie viel Verständnis herrscht aus Ihrer Sicht in breiten Teilen der Bevölkerung für öffentliche Kunst- und Kulturförderungen und Finanzierungen von Kulturinstitutionen?
In der Bevölkerung werden so genannte Leuchtturmprojekte derzeit kritisch gesehen. Das ist auch ein Mitgrund, warum wir unsere Pläne für einen neuen Museumsstandort in Graz vorerst ad acta gelegt haben. Am Publikumsinteresse bei Festivals wie La Strada oder bei den Opernaufführungen mit Starbesetzung auf den Kasematten kann man erkennen, wie wichtig Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft sind.
Das Land Steiermark arbeitet unter dem Titel „Kulturstrategie 2030“ an neuen kulturpolitischen Leitlinien. Wo braucht es aus Ihrer Sicht neue Ansätze und Optimierungen?
Der Grazer Kulturbeirat hat mit mir gemeinsam 2017/18 eine erste Standortbestimmung für eine Kulturstrategie formuliert, derzeit arbeiten wir an einer Version 2.0. Kernanliegen sind mir die Kulturvermittlung und die Verstärkung der Auftrittsmöglichkeiten in öffentlichen Räumen. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass es immer schwieriger wird, Aufmerksamkeit für Kunstproduktion – abseits der Blockbusterkunst – zu erlangen. Dementsprechend müssen wir in der Bildung und in der Werbung für Kunst stärkere neue Akzente setzen.
Viele Kulturprojekte wären ohne Sponsoren aus der Wirtschaft nicht realisierbar. Welche Anreize könnte die Politik schaffen, um die Form des Sponsorings zu fördern?
Österreich zählt zu jenen Ländern, in denen öffentliche Kunst- und Kulturförderungen einen besonders hohen Stellenwert einnehmen. Zusätzliche steuerliche Anreize für Unternehmen, Kulturprojekte zu sponsern, braucht es aus meiner Sicht nicht. Ich denke auch, dass es viele erfolgreiche Unternehmen in Österreich gibt, denen es wichtig ist, in diesem Bereich gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Diese zu motivieren, mehr zu sponsern, sehe ich auch als meine Aufgabe.
Neben dem Kulturressort sind Sie unter anderem für die Bereiche Tourismus und Wirtschaft zuständig. Sind Kunst und Kultur für Graz ein Tourismusmagnet? Welchen Stellenwert hat der lokale Kulturbetrieb für die Stadt Graz als Tourismus-Location?
Kunst und Kultur sind für Graz ein zentraler Wirtschaftsfaktor. Da gibt es überhaupt keinen Zweifel daran. Speziell bei großen Events wie in diesem Sommer mit Carmen oder La Strada profitieren Hotel- und Gastronomiebetriebe in der Stadt.
2024 wird ein Superwahljahr. Gewählt wird auf Bundes- und Landesebene. Wie ordnen Sie die aktuellen politischen Tendenzen persönlich ein? Was erwarten Sie?
Es ist zu befürchten, dass die politische Mitte immer mehr erodiert. Umso mehr hoffe ich, dass meine Partei, die ÖVP, die Menschen davon überzeugen kann, dass es einen politischen Weg abseits von populistischen Positionen geben kann.
Wie sehen Sie die Entwicklungen in der Stadt Graz? Wie zufrieden, denken Sie, sind die Grazerinnen und Grazer mit der aktuellen Regierung?
Es herrscht Stillstand. Das ist bitter für eine Stadt, die so viel Potenzial hat. Immer mehr Grazer sind mit der Arbeit der Linkskoalition unzufrieden – zumindest nehme ich das so wahr, wenn ich mit den Menschen rede.
Wird die Koalition aus Ihrer Sicht bis 2026 halten können?
KPÖ und Grüne haben aus meiner Sicht kaum Gründe, die Regierungsperiode vorzeitig zu beenden. Abzuwarten bleibt, wie sich der Juniorpartner SPÖ verhalten wird.
Welche Ziele haben Sie sich bis 2026 für das Kulturresort gesetzt?
Zum einen möchte ich, wie bereits angesprochen, Pläne und Vorschläge für das 900-Jahr-Jubiläum der Stadt Graz vorlegen. Ein anderes großes Thema ist das neue Dienstrecht für die 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bühnen Graz, das gerade ausverhandelt wird. Gemeinsam mit Landeshauptmann Christopher Drexler habe ich hier Bühnen-Chef Bernhard Rinner beauftragt, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen.