Im September 2023 präsentierte Gerald Brettschuh sein neues Buch FRÜHSTÜCKE im Grazer Kunstverein: Paraphrasen auf Pablo Picassos Paraphrasen zu E. Manets Bild „Le dejeuner sur l´herbe“. Wir sprachen mit dem in Arnfels geborenen und seit 1976 wieder dort lebenden Maler über seinen neuesten Gemäldezyklus.
Text: Stefan Zavernik
Wie entstand die Idee zu deinem neuen Buch?
Sechs Bilder Picassos zum Manetfrühstück (gemalt 1959/60) kannte ich im Original. Drei aus dem Luisiana Museum bei Kopenhagen und drei weitere aus dem Picasso Museum in Paris. Sie verfolgten, begleiten mich jahrzehntelang. Im Mai 2022 feierte Freund Florian Kovacic einen runden Geburtstag nahe der Stadt Cividale in Friaul. Beim Baden im grünen Wasser des Natisone zeichnete ich dann in Nil Hortig´s Block einige der auf den Schotterbänken des Flusses lagernden Geburtstagsgäste – einige junge Frauen und einen jungen Burschen. Wieder daheim entstanden etliche Blätter, Aquarelle, Mischtechniken danach. In diesen Tagen besuchte uns wieder einmal Hunterjohn, ein Kunst- und Hausfreund. Gerade beendete ich ein Wasserfarbenbild, auf dem ich rechts vorne einen halbnackten Picasso gesetzt hatte, ihm gegenüber eine Nackte. Das ganze in einer lichten Waldlandschaft mit einem seichten Tümpel. Ich erzählte dem Besucher von Picassos Manet-Paraphrasen. John kam nach acht Tagen mit einem Paperback von 272 Seiten wieder: Picassos Paraphrasen zu Edouard Manets „Le dejeuner sur l´herbe“ von Barbara Zelinsky, Kunsthistorikerin aus Köln. Ich las jetzt im Buch, las und las, malte nebenbei Bild um Bild. Die Texte in ihrer Logik und Absurdität und theoretischen Ferne zum lebendigen Maler, der gerade aus all diesen Gründen nicht aufhören konnte weiterzulesen, stachelten ihn weiter an. Noch nie vorher hatte er ein einziges Thema ein volles Jahr lang bearbeitet.
Hat es mit einem deiner alten Themen „Mensch in der Landschaft“ zu tun?
Ja, ja, ja! Nackte und halbnackte Frauen zwischen Bäumen und Büschen, an Tümpeln, Flüssen, Seen, am Meeresufer: Ein Lieblingsthema.
Als Junger, erzähltest du, hättest du mit Pablo Picasso nicht viel anfangen können. Warum jetzt diese Hommage?
Aus der Provinz gekommen, hatte ich den ersten Kontakt mit Picasso an der Kunstgewerbeschule in Graz. Da hasste ich ihn. Nach meinem Empfinden verunstaltete, beleidigte er die Gestalt des Menschen. Später, an der Akademie in Wien, als ich immer mehr sah, lernte, las, erfuhr, begann sich meine tiefe Ablehnung in immer wachsendere Bewunderung, ja Verehrung zu wandeln.
Dann sagtest du, habe auch dein Verständnis für Kubismus begonnen.
Ja. In den Siebzigern lernte ich Peter Pichl kennen. Kunsterzieher, Maler, Kybernetiker, der mich auch mit dem Kunsttheoretiker Heimo Kuchling bekannt machte. Die beiden brachten mich durch ihr großes Wissen einen Riesenschritt dem Spanier näher. Seit damals, George Braque kam bald dazu, wurde Picasso für mich der Gott unter den Malern. Mit Munch ging es mir genauso. Viermal war ich in Oslo um Munchbilder zu sehen. Cezanne, Munch, Matisse, Picasso als Maler, Klimt, Schiele und Rodin als Zeichner wurden zu meinen Lehrern.
Wie hat dich der Kubismus als Stilrichtung beeinflußt?
Mich hat er nicht geprägt, Du findest auch kaum Anteile davon in meinem Werk. Im Kopf aber, der bei mir wenig malt, hinterließ er Spuren. Ich habe die afrikanischen Köpfe, Masken, Figuren ja nicht gesehen, in Paris, wohin sie der Kolonialismus brachte. Nur was ich selber sehe, was ich greifen kann, das berührt mich, lässt mich malen. Meine picassosche Paraphrasenserie mit der ich zwölf Monate Freude, Spannung, Qual und Abenteuer erlebte, hat ja mit Kubismus noch viel weniger zu tun als Picassos 47 Gemälde und hundert Zeichnungen. Diese picassoschen Manet-Paraphrasen, bei denen, wie Frau Zelinsky schreibt, Picasso auffallend intensiv „Landschaft“ malte, wie nie davor und nie danach, griffen mich an.
Hast du dich in diesen Arbeiten neu entdeckt? Sie wirken untypisch im Vergleich zu deinen davor entstanden Bildern?
Ich bemühte mich sehr, Brettschuh „raus“ und Picasso „rein“ zu bringen. Ich könnte wohl nur einem Maler begreiflich machen, was das heißt.
Der Stellenwert der Erotik in diesem Gemäldezyklus wirkt dafür typisch für Gerald Brettschuh.
Typisch für jeden echten Maler. Körpergefühl ist das Wort. „Alle Kunst ist erotisch“ sagte der himself von Eros gelenkte Spanier.
Welchen Stellenwert hat dein Buch und deine neue Werkgruppe für dich?
Ich denke nicht in Werkgruppen, bin kein Kunsthändler. Diese 44 Ölbilder aber sind mir sehr wichtig. Irgendetwas bisher in meinem Werk nicht Vorhandenes wurde damit realisiert. Und ich habe dabei als Maler viel gelernt!
Mit welchen Erwartungen blickst du der Schau dieser Bilder Mitte Januar 2024 in der ORF Steiermark-Funkhausgalerie entgegen?
Dass einige Betrachter erkennen, worum es mir ging.
Du selber hast dich all die Jahrzehnte nie als Künstler bezeichnet. Hat sich daran etwas geändert?
Weil sich Tausende, die einen Fleck oder mehrere auf einer Leinwand machen, zunehmend so nennen. Ich nenne mich Zeichner, Maler, Bildhauer.