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Ein Riad als Gesamtkunstwerk

Seit wenigen Wochen betreibt der Grazer Galerist und Teppichexperte Helmut Reinisch mit zwei Freunden ein Guesthouse in Marrakesch. Wir sprachen mit Ihm über das Lebensgefühl des Orients und seine Tipps, um die Stadt intensiv auszukosten.

Interview: Stefan Zavernik

Wann haben Sie Marrakesch das erste Mal besucht und wie haben Sie die Stadt erlebt?

Ich bin das erste Mal gemeinsam mit einem Kollegen in den 80er Jahren nach Marrakesch gekommen, um über die Stämme Marokkos und deren Teppiche ein Buch zu machen. Für mich war es ein Eintauchen in den tiefsten, mittelalterlichen Orient. Es war eine Mischung aus exotischen Gerüchen und fremdartigen Lebensweisen, wie ich es bis dahin nicht gekannt hatte. Auch heute noch, wenn ich nach Marrakesch komme, erlebe ich dieses Land als eine komplett fremdartige und zugleich faszinierende Welt. 

Mittlerweile haben Sie in Marokko Wurzeln geschlagen. Gemeinsam mit Freunden betreiben Sie seit kurzem ein Guesthouse in der Medina von Marrakesch. Was bringt einen zu diesem Abenteuer?

Es war reiner Zufall. Ich war in den letzten Jahrzehnten unzählige Male in Marrakesch. Auf einer meiner Reisen habe ich für den Grazer Kunstverein, der eine Kunstreise nach Marrakesch unternommen hatte, einen Vortrag gehalten. Während dieses Aufenthaltes erzählte mir mein Partner in Marokko, dass sein Nachbarhaus, ein rund 500 Jahre alter, baufälliger Riad, in der Medina zum Verkauf stünde. Zuerst lehnte ich ab, denn was sollte ich mit einem so alten Haus mitten in Marrakesch? Die Zeiten, in denen ich in Marokko wertvolle Teppiche kaufen konnte, waren auch schon lange vorbei, denn die wirklich guten Stücke sind bereits in internationalen Museen oder bei uns in der Galerie (lacht). Ein Freund von mir, der mit auf der Reise war, meinte dann aber, dass die Idee, hier etwas zu machen, schon ihren Reiz hätte. Ich ließ mich überzeugen.

Am Bild einer der Innenhöfe des „Riyad Lion Rouge“ mit einer Skulptur von Thomas Stimm

Mittlerweile sind wird bei diesem Projekt zu dritt und ich bin froh, dass wir das Ganze gewagt haben. Zuerst wollten wir den Riad nur für uns privat nutzen, mit der Zeit aber wuchs die Idee. Wir kauften noch weitere, angrenzende Häuser und ­haben nun nach aufwendigen Bauarbeiten eine richtige Oase daraus werden lassen. Architektonisch haben wir aus meiner Sicht etwas Herausragendes geschaffen – und das in einer Rekordzeit von 1,5 Jahren. Entstanden sind 8 sehr schöne Apartments in bester Lage inmitten von Marrakesch, die wir nun auch an Gäste vermieten.

Das „Riyad Lion Rouge“ gleicht einem bis ins letzte Detail durchdachten Gesamtkunstwerk. Nach welchen Ideen haben Sie es geplant?

Mich hat die Alhambra für dieses Projekt inspiriert. Ich wollte Ideen wie ihre Wasserspiele oder ihre präislamische Gartenmetapher aufnehmen. Im Konzept spielt das Element Wasser eine große Rolle. Wir spielen auch viel mit Licht. In einigen Zimmern finden sich bunte Steine, die durch das Sonnenlicht zu bestimmten Tageszeiten zu leuchten beginnen. Alles ist auf den ersten Blick sehr schlicht gehalten, birgt aber zahlreiche Highlights. Wir haben auch einige Arbeiten unserer Künstler aus der Galerie im Riad ausgestellt. Die Kunstwerke sind eine gute Ergänzung zum architektonischen Konzept des Gebäudes.  Komfort zu schaffen war uns auch sehr wichtig, wie kein anderes Riad in Marrakesch bieten wir Fußbodenheizung für unsere Gäste, die uns im Jänner oder Februar besuchen.

Helmut Reinisch

Ihr Guesthouse liegt in der Medina, inmitten des Souks. Eine der zentralen Sehenswürdigkeit der Stadt. Was erwartet Ihre Gäste?

Für mich ist der Souk ein Synonym für das pulsierende Leben in Marrakesch. Man wird eigentlich nie satt davon, sich einfach durch die Gassen treiben zu lassen und zu bummeln. Es tummeln sich dort Touristen und Einheimische. Das Angenehme an diesem Ort ist, ob man will oder nicht, man verirrt sich auf jeden Fall und lernt dabei dieses Gewirr aus Gassen in kürzester Zeit zu genießen. Unser Riad befindet sich ca. 80 Meter vom Place des Épices entfernt, man erreicht ihn über eine kleine, unscheinbare Eingangstüre. Hinter dieser verbirgt sich ein kleines Paradies aus Pflanzen, Brunnen und außergewöhnlicher Architektur. Es herrscht absolute Ruhe, obwohl man sich mitten im Zentrum des Bazars befindet. In unmittelbarer Nähe befinden sich hervorragende Restaurants und kulturelle Sehenswürdigkeiten. Er ist ein idealer Ausgangspunkt, um das alte Marrakesch kennenzulernen.

Welche kulturellen Sehenswürdigkeiten empfehlen Sie Ihren Gästen?

Auf jeden Fall die Medersa Ben Youssef, eine Koranschule, die sehr an die Alhambra erinnert und in typisch maurischem Stil errichtet ist. Einerseits wirken ihre Räume sehr schlicht, zugleich aber auch, was ihren Garten betrifft, paradiesisch und üppig, um die Macht Allahs zu repräsentieren. Aus meiner Sicht zählt dieser Ort zu einem der wichtigsten Gebäude in ganz Marokko. Ebenso in unmittelbarer Nähe zu unserem Riad befindet sich das beliebte Fotomuseum von Marrakesch, in dem Fotodokumente aus dem 19. Jahrhundert ausgehend ausgestellt sind. Gut erreichbar ist auch das Marrakesch-Museum, ein riesiges Riad voller Kunsthandwerk, Teppiche und Koranbüchern. Mir persönlich gefällt auch das kleine Heritage-Museum gut, 200 Meter vom Djemma El Fna entfernt. Es ist ein Privatmuseum, mit antiken Teppichen, Keramik und Kunstobjekten. Ein Erlebnis sind natürlich auch die Gärten von Marrakesch.      

Welche Gärten sollten Reisende in Marrakesch gesehen haben?

Unbedingt den Jardin Majorell von Yves Saint Laurent. Der Garten selbst ist mittlerweile schon recht alt und dementsprechend alte und hohe Pflanzen tragen zu seiner wunderbaren Atmosphäre bei. Es gibt dort auch ein kleines, aber sehr spannendes Museum. Sehr schön finde ich auch den Jardin Secret, ein kleiner Garten mitten im Souk.

Marrakesch ist auch für seine hervorragende Küche bekannt. In welche Restaurants gehen Sie persönlich gerne?

In der Nähe unserer Riads befinden sich zwei wirklich hervorragende Restaurants. In beiden sitzt man auf tollen Dachterrassen. Das eine heißt L‘Mida mit französisch-marokkanischer Küche. Das andere ist das Nomad, es liegt am Place des Épices. Auch am Djemaa el Fna kann man gut essen, wenn man weiß, wo man hingeht.

Gut von Marrakesch aus zu erreichen: Aït-Ben-Haddou. Die antike Wüstenstadt zählt zum UNESCO-Weltkulturerbe und war Drehort für Hollywoodfilme wie Gladiator

Für viele Menschen gilt der Djemaa el Fna als das Sinnbild Marrakeschs. Was macht seinen Mythos für Sie aus?

Der Djemaa el Fna ist der zentrale Marktplatz von Marrakesch. Das Schöne an ihm ist, dass er sich in den letzten 40 Jahren nur insofern verändert hat, dass er asphaltiert wurde. Es gibt dort Geschichtenerzähler, Schlangenbeschwörer und viele andere Figuren, denen man nur im tiefsten Orient begegnen kann. Ab dem Nachmittag verwandelt er sich in ein riesiges Restaurant mit unzähligen Ständen und Garküchen, die dann bis Mitternacht ihre Gäste bekochen. Hin und wieder kommt es auch noch vor, dass zur Sperrstunde um Mitternacht die Blinden der Stadt wie in Elias Canettis Roman Die Stimmen von Marrakesch kostenlos an den Ständen verpflegt werden.

Der zentrale Marktplatz in Marrakesch, der Djemaa el Fna

Welche Ausflugsziele bieten sich an, die von Marrakesch gut zu erreichen sind? 

Marrakesch liegt perfekt, um das Atlasgebirge zu erkunden. Auch die berühmte Wüstenstadt Aït-Ben-Haddou ist gut erreichbar. Ausflüge wie diese funktionieren aus meiner Sicht gut im Rahmen von Tagestrips. Ich empfehle meinen Gästen auch den Wochenmarkt in Ourika zu besuchen, der findet dort immer montags statt. Es gibt Tonnen an Gemüse und Obst, verschiedenste Tiere, Stände, um sich die Haare schneiden oder die Zähne ziehen zu lassen. So was sollte man einmal gesehen haben. Am Rückweg nach Marrakesch bietet sich ein Besuch in André Hellers Garten Anima an.  

Anreise: Marrakesch ist vom Flughafen Graz bequem über Wien direkt mit der Austrian Airlines zu erreichen.
Unterkunft: Riyad Lion Rouge, www.riyadlionrouge.com