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Von (Populär-)Kultur zur Parabel über Entmachtete

Sophie Reyer

Im Frühjahr warten zwei für das TiK geschriebene Stücke von Sophie Anna Reyer und Lilly Jäckl auf das Publikum.

Nach der erfolgreich gelaufenen Produktion von Günter Eichbergers Brennend heißer Wüstensand, einer Koproduktion mit der Kinder- und Jugendbühne, und einem Gastspielabend auf der Frankfurter Buchmesse hat das Theater im Keller (TiK) Mitte Dezember sein Programm für 2023 beendet. Die nächsten Premieren stehen aber bereits fest, und so startet das älteste Kellertheater Österreichs am 3. Februar mit Sophie Anna Reyers Sisi oder: An meinen Haaren werde ich sterben ins neue Jahr. Das Stück der 1984 in Wien geborenen Autorin befasst sich mit einer der großen Ikonen der österreichischen ­­(Populär-)Kultur – wie der Titel schon erahnen lässt mit der durch die süßlichen Filme von Ernst Marischka und die Verkörperung durch Romy Schneider endgültig zum österreichischen kulturellen Archetypus aufgestiegenen „Kaiserin“ Elisabeth. Naturgemäß wirft Sophie Reyer einen ganz anderen Blick auf die Kultfigur. Einen, der wenn schon in einer Tradition, dann in der Tradition der spannendere Blickwinkel aufwerfenden Arbeiten wie Marie Kreutzers Corsage steht und Sisi in einen (körper-)kulturellen Zusammenhang stellt, der auch heute (leider) noch gültig ist.

Szene aus Sophie Reyers Stück „Paradis“ aus dem Frühjahr 2023

Das stille Leid der Frau

Es folgt eine neue Arbeit von Lilly Jäckl, dem nunmehr vierten (nach Targets 2014/15, Elektra 2016 und Sandwesten 2022) Stück der Autorin, das vom TiK herausgebracht wird. Premiere wird es Ende März feiern und bis Anfang April 2024 laufen. Im Psychopax 0.1 betitelten Werk nach Motiven der Erzählung Augen eines blauen Hundes von Gabriel Gárcia Márquez erzählt Jäckl „eine Parabel über die Weltflucht von Entmachteten“. Im Mittelpunkt steht das stille Leid der Frau, über das man nie sprach und auch nicht spricht. Die Autorin schreibt dazu in ihrer Synopsis: „Devise: Solange man das eigene Leid verstecken kann, funktioniert doch alles, da das gesellschaftlich relevante Frau-Sein sowieso (eine möglichst makellose) Fassade darstellt.

Lilly Jäckl
Foto: Fa.bian

Dafür eignen sich Benzodiazepine recht gut. Bricht diese Fassade, droht (oder drohte?) schon seit der Antike, wo aus dem Oikos verstoßene Frauen zu vogelfreien Rechtelosen erklärt worden waren, sofort eine Katastrophe: das Verschwinden in einer psychiatrischen Anstalt, Gefängnis oder die totale Vereinsamung als Sozialfall“, so Jäckl über ihr Stück, das die Abkapselung im Millionendickicht der großen Städte aus deklariert weiblicher Sicht thematisiert.                

Lilly Jäckls „Sandwesten“ wurde 2022 im Theater im Keller gezeigt

www.tik-graz.at