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Ein Substrat zeitgenössischer Kunst

Mit dem Spiegelgitterhaus in Gleisdorf entsteht ein neuer Kunstraum für zeitgenössische Kunst aus der Steiermark. Wir sprachen mit Johannes Rauchenberger und Kunstsammler Erich Wolf über den neuen KULTUM-Outpost in der Oststeiermark.

Interview: Stefan Zavernik

Herr Wolf, warum haben Sie Ihre Kunstsammlung an das KULTUM übergeben?

Erich Wolf: Den Entschluss, die Sammlung WOLF in eine ­öffentliche Sammlung integrieren zu wollen, habe ich an zwei Grundbedingungen geknüpft. Zum einen muss die Sammlung als Ganzes geschlossen erhalten bleiben und zum anderen soll die interessierte Öffentlichkeit über die regelmäßige Ausstellung der Sammlungsobjekte Einblick in diese erhalten. Und nach Möglichkeit sollte die Sammlung in der Steiermark verortet bleiben und eine bestmögliche Kuratorenschaft erhalten. Nach sorgsamer Abwägung der Möglichkeiten, insbesondere auch aus der Erwägung heraus, dass ich die Kuratorenschaft von Johannes Rauchenberger aus seiner Ausstellungstätigkeit in den letzten Jahrzehnten zu schätzen gelernt habe, resultiert der Entschluss, mit der Diözese Graz-Seckau in konstruktive Verhandlungen einzutreten. Ausdauer, Geduld und gegenseitiges Verständnis haben zum Ziel geführt.

Herr Rauchenberger, wie viel musste in das Haus investiert werden, um daraus das heutige Museum werden zu lassen?

Johannes Rauchenberger: Eine ganze Menge. Mit ist hier wichtig zu betonen, dass Erich Wolf weit mehr als seine Sammlung in dieses Projekt investiert hat. Er hat auch den Großteil der doch beträchtlichen Mittel – insgesamt 600.000 Euro – aufgebracht, um das Gebäude zu sanieren und ausstellungstauglich werden zu lassen. In weiterer Zukunft wird er dem Museum mit seiner Person erhalten bleiben, sich für Ausstellungen mit Ideen einbringen und vermutlich auch Führungen durch die Ausstellung veranstalten. Die Dinge haben sich schlussendlich gefügt und nun eröffnen wir das Spiegelgitterhaus, so der Name des Museums, Anfang Mai mit einer ersten Ausstellung. Erich Wolf hat mehr als 150 m2 Ausstellungsfläche geschaffen.

Sammler Erich Wolf und Kurator Johannes Rauchenberger vor dem neu renovierten „Spiegelgitterhaus“, das ein Nebengebäude der Pfarre Gleisdorf war

Herr Wolf, welche Visionen haben Sie für das Spiegelgitterhaus?

Erich Wolf: Für mich ist das Spiegelgitterhaus ein Ausstellungs- und Veranstaltungsraum, ein Ort, um die Sammlungsinhalte mit den aktuellen Entwicklungen der Künstler*innen zu konfrontieren, aber auch ein Ort, der mit den übrigen Kulturveranstaltern in der Steiermark kommunizieren und Austausch pflegen wird. Im Haus-Innenraum und auch im umgebenden Außenraum sollte man der Kunst möglichst unvoreingenommen begegnen können. Die Wahrnehmung von Kunst sollte ohne besondere Erwartungshaltung möglich sein. Die Vision, ein Global Player in der steirischen Kulturszene zu werden, habe ich nicht. Mir reicht es schon, wenn ich von Fall zu Fall jemanden mit dem Kunst-Virus anstecken kann.

Was macht den Sammler Erich Wolf für Sie aus, Herr Rauchenberger?

Johannes Rauchenberger: Er hat sich den Freiraum genommen und wohl auch leisten können, als Sammler in die Tiefe zu gehen. Seine Sammlung umfasst rund 1.300 Einzelwerke von 80 bis 90 verschiedenen steirischen Künstlern. Erich Wolf ist es gelungen, etwas entstehen zu lassen, das man durchaus als kulturelles Substrat der letzten 5 bis 6 Jahrzehnte steirischer Gegenwartskunst bezeichnen kann. Unter den gesammelten Künstlern finden sich Persönlichkeiten, die international erfolgreich wurden, und solche, die vorwiegend lokal reüssierten. In seiner Sammlung finden sich die großen Namen wie Richard Kriesche, Werner Reiterer, Oliver Ressler, Ronald Kodritsch, Hannes Schwarz, Gustav Zankl, wo er wirklich in die Tiefe gesammelt hat. Aber auch zu Karl Karner, Wolfgang Wieder, Wolfgang Temmel, Stefan Maitz, Franz Mocnik-Yang, Hans Jandl, Alois Neuhold sind ganze Werkblöcke vorhanden, die für das Wesentliche der einzelnen Künstler stehen.

Einblick in die erste Ausstellungsecke mit Bildern von Wolfgang Wiedner, Fritz Aduatz und Hans Jandl

Wie ordnen Sie seine Sammlung ein?

Johannes Rauchenberger: Sie ist zweifellos etwas Besonderes und wertvoll. Aus meiner Sicht spielt sie in derselben Liga wie die Sammlung für Gegenwartskunst im Stift Admont. Aus meiner Sicht ist seine Sammlung auch eine wirklich relevante Ergänzung zur Sammlung der Neuen Galerie des Universalmuseum Joanneum. Schlussendlich fasziniert mich an seiner Sammlung auch der Umstand, dass Erich Wolf Werke nie aus rein anlageorientierten Gründen erworben hat. Für ihn war Kunst als Sammler eben keine Anlage für mögliche Wertsteigerungen, sondern Leidenschaft. Die Schönheit seiner Sammlung zeigt sich auch in vielen Frühwerken von Künstlern.

Herr Wolf, was hat Sie beim Sammeln angetrieben?

Erich Wolf: Für mich war der Mehrwert die permanente geistige Auseinandersetzung mit der Kunst, um neue Perspektiven und Lebensqualität daraus zu ziehen. Die Sammlungsinhalte sind somit nicht mehr als die Zeugen meines Tuns.

Herr Wolf, wann beginnt ein Kunstwerk Ihr Interesse zu wecken?

Erich Wolf: Mit Verlaub, meine anfänglichen Sinnestäuschungen, wo mich ein Kunstwerk auf den ersten Blick angesprungen ist und mich nicht mehr losgelassen hat, habe ich gelernt zu hinterfragen. Oft braucht es den zweiten Blick, die mehrmalige Begegnung und das Replizieren, um sich ein Urteil bilden zu können. Ein Kunstwerk allein vermag zwar das Interesse zu wecken, mehr aber auch nicht. Das Verständnis meiner Sammlertätigkeit besteht vielmehr darin, mich möglichst umfassend mit dem Tun der Künstler*innen auseinanderzusetzen, möglichst den gesamten Fundus in Augenschein zu nehmen, um einen Eindruck zu gewinnen, woher diese kommen, stehen und wohin deren Weg sie führt. Die Intention besteht immer darin, die Künstler*innen möglichst über ihre gesamte Schaffensperiode in der Sammlung dokumentieren zu können. Die Ankaufsentscheidung besteht daher sehr oft im Ankauf einer oder mehrerer wichtiger Werkgruppen.

Wie ist der Betrieb des Museums konzipiert?

Johannes Rauchenberger: Der Wunsch von Erich Wolf lautet, bis zu vier Ausstellungen im Jahr umzusetzen. Teilweise ­Gruppenausstellungen, teilweise Personalen. Es sollen über die Sammlung selbst auch aktuelle Positionen von Künstlerinnen und Künstlern präsentiert werden, bei denen es aus unserer Sicht absehbar ist, dass hier etwas im Entstehen ist. Kuratorisch geleitet wird das Museum von mir bzw. vom KULTUM aus.

Mit welcher Ausstellung wird das Haus Anfang Mai eröffnet?

Johannes Rauchenberger: Die Ausstellung trägt den Titel Zeitenwende, Wendezeiten. Der Titel kam von Erich Wolf. Er hat auch einige Werke dafür vorgeschlagen. Wir werden Kunstwerke zeigen, die sowohl das Thema „Steiermark“ im engeren Sinne behandeln – und zwar in einer Zeit voller globaler Bedrohungen. Dabei geht es etwa um die bedrohte Demokratie, ja um das Kippen der Staatsmacht. Oder die Nachnutzung von Industriegebäuden, Flugschanzen oder Flughäfen, wenn es keinen Schnee mehr gibt oder man nicht mehr fliegen wird. Oder es geht, leider, um die Atmosphäre von Krieg. Werke von Oliver Ressler, der gerade im Belvedere eine große Personale hat, sind damit stark vertreten. Resslers Werke treten in eine spannungsreiche Erzählung mit solchen von Hartmut Skerbisch, Richard Frankenberger, Alfredo Barsuglia, Wolfgang Becksteiner, Hans Jandl, G.R.A.M., Hannes Priesch, Friedrich Aduatz, Clemens Hollerer, Werner Reiterer, Hannes Schwarz, Alois Neuhold, zweintopf, Richard Kriesche und Stephan Maitz. Es ist eine feine, subtile, ja aufrüttelnde Schau geworden, die einen sehr aktualisierenden Bezug auf das Heute herstellt.              

Eröffnung: Fr, 3.5., 17 Uhr
u. a. mit LH Christopher Drexler und Bischof Wilhelm Krautwaschl

www.kultum.at/sammlung-wolf
www.sammlung-wolf.at