Werner Strenger, langjähriger Professor für Schauspiel und neuer Vize-Rektor an der KUG, über den Abo-Zyklus, die Aufgaben seiner Universität und künstlerische Exzellenz.
Die KUG hat vor wenigen Wochen ihren neuen Abo-Zyklus präsentiert. Wen möchte man als Publikum erreichen?
Wir wollen als Kunstuniversität eine breite Gruppe an Interessent*innen ansprechen, die Freude daran haben, dass wir eine große Vielfalt und ein breites Spektrum anbieten. Ein Publikum, das unterschiedlichste Genres, Längsschnitte durch Zeiten, Orte und Identitäten schätzt. Im Abo der KUG soll man in sehr vielen Bereichen schon heute Künstler*innen von morgen begegnen. Ich glaube, dass die Vielfalt unseres Abos einzigartig ist.
Das Abo-Programm verfügt über eine enorme Tiefe. Warum ist dieser Zyklus für die KUG so wichtig?
Das ist der Aspekt der „Third Mission“ einer Universität. Dass die Aufgaben, die eine Universität intern wahrnimmt – nämlich Forschung, Entwicklung und Erschließung der Künste und Lehre –, in die Öffentlichkeit getragen werden und diese sozusagen partizipativ Teil des Geschehens ist.
Gibt es Neuerungen, was die Konzeption der kommenden Spielzeit betrifft?
Die Konzeption unseres Programms basiert auf verschiedenen Säulen. Zum einen ist es das, was aus der Lehre beigetragen wird. Zum anderen sind es thematische Schwerpunkte, die Institute und Studienrichtungen setzen. All das fügt sich zu einem Ganzen, das immer dem Wunsch folgt, das Zusammenspiel und das Zusammenleben unterschiedlicher Kräfte in den Fokus zu stellen. An Neuerungen ergibt sich daraus zum Beispiel im Abo 24/25 das Genesis-Projekt, im Zuge dessen zu den sieben Kapiteln des Genesis-Buches Werke von sieben verschiedenen Komponist*innen aufgeführt werden – mit Beteiligung eines Stars, nämlich Thomas Quasthoff. Oder das Projekt Building Instruments, wo in Zusammenarbeit zwischen KUG und der Angewandten in Wien nicht nur Instrumente eigens für dieses Konzert gebaut werden, sondern auch Musik speziell für diese Instrumente komponiert wird.
Welche Idee steckt hinter dem Projekt „Building Instruments“?
Es erweitert im Wesentlichen in extremer Weise die Idee, dass wir nicht nur innerhalb der KUG unterschiedliche Sparten zusammenbringen, sondern in diesem Fall eben universitätsübergreifend. Hier sogar mit Universitäten unterschiedlicher Aufgabenstellung – Bildende Kunst und Musik. In Zusammenarbeit mit der Universität für Angewandte Kunst Wien gelingt dieser Brückenschlag, wobei die Bildende Kunst durch Anke Eckardt, die neue KUG-Professorin für dieses Fach, auch von Seiten der KUG Betreuung in diesem Projekt findet.
Wohin soll sich der Abo-Zyklus langfristig entwickeln?
Ein ganz wesentlicher Schwerpunkt ist sicher die verstärkte Einbindung von Autorinnen* und Komponistinnen*. Und ein weiteres ganz wesentliches Ziel ist es, dass das Abo Dinge zusammenführt, die normalerweise nicht zusammen zu finden sind. Das kann ganz verschiedene Dimensionen umfassen: etwa das Experimentieren mit einer bestimmten Orchesteraufstellung im Raum oder etwas, das für kleine Besetzung geschrieben ist, in ganz großer Besetzung aufzuführen. Das Abo verfolgt seit jeher auch das Experiment, es soll vertieft werden.
Sie sind der KUG schon seit langem als Schauspiel-Professor verbunden, nun wurden Sie zum neuen Vize-Rektor für Kunst ernannt. Mit welchen Zielsetzungen treten Sie an die neue Funktion heran?
Für mich ist das eine sehr schöne und auch aufregende Aufgabe, weil es nämlich mein Betätigungsfeld an der KUG wesentlich erweitert über meine ursprüngliche Kunst hinaus. Und das Wesentliche ist, denke ich, die vielfältigen Impulse, die an einer Universität wie der KUG vorhanden sind, bestmöglich zu bündeln und darin den vorhandenen einzelnen Kräften durch das Zusammenführen ein neues und unerwartetes Gesicht zu geben.
In Ihrer Funktion als Vize-Rektor sind Sie für den Bereich „EEK – Entwicklung und Erschließung der Künste“ zuständig. Was steckt dahinter?
EEK ist eine Aufgabe der Kunstuniversitäten. Die historische Genese ist so, dass in der Universitätswerdung der Kunsthochschulen in Österreich der Begriff eingeführt wurde als Pendent zur Forschung im Bereich der Wissenschaft. Was hinter dem Begriff steht, war in der Kunst aber immer schon vorhanden: Nämlich stetige signifikante Neuentwicklung im Bereich der schöpferischen Kunst – z. B. Komposition, Theater – und der performenden Kunst insgesamt. Das soll natürlich auch ins Abo miteinfließen. Denn die EEK muss in neue Felder vorstoßen und das Unwahrscheinliche aufsuchen, nicht das Vorhandene. Das ist quasi die Basis unseres Arbeitens.
Sie haben selbst an der KUG studiert und konnten im Laufe der Jahre viel internationale Erfahrung sammeln. Wie wichtig war es für Ihre künstlerische Entwicklung, Graz zu verlassen?
Das hatte die allergrößte Bedeutung. Ich kann mich sehr glücklich schätzen, Erfahrungen an den unterschiedlichsten Häusern gemacht haben zu dürfen. Von Innsbruck über Göttingen nach Bochum bis in die Niederlande – also auch ins nicht deutschsprachige Ausland – und, bereits als Professor, nach Wien und Berlin. Das ist elementar und unverzichtbar für mich.
Auch im Hinblick einer Empfehlung an junge Studierende an der KUG?
Unbedingt. Ich glaube, ein künstlerisches Studium zu beginnen beinhaltet, den Ort des Studiums zu verlassen und im internationalen Zusammenhang tätig zu sein. Graz ist ein ganz großartiger kultureller Standort, und alle, die von woanders kommen, sind begeistert – aber man sollte schon nach draußen drängen.
Was kann die KUG ihren Studierenden mit auf den Weg geben, damit diese später auch gut von ihrer Kunst leben können?
Ich würde sagen, wenn mein primäres Anliegen ist, ein finanziell gutes Auskommen zu finden, dann passt das nicht so richtig mit künstlerischen Ambitionen zusammen. Dieser Weg ist ein anderer, der eine bedingungslose Hingabe an die jeweilige Kunst braucht: eine unerschütterliche Notwendigkeit, seine Kunst auszuüben und darin speziell zu sein. Die persönliche Einzigartigkeit zu entdecken und diese zu entfalten. Darüber hinaus sind sehr viele kooperative Skills wichtig. Etwa um mit Menschen zusammenzukommen, die den gleichen Enthusiasmus an den Tag legen. Die eine ähnliche Exzellenz wie man selbst anstreben. Ich glaube, mit diesen beiden Komponenten stellt sich dann – aber man muss auch ehrlich sagen nicht immer – der Erfolg ein. Denn es gibt eben auch herausragende Künstler*innen, die nicht das Glück haben, in so breite Akzeptanz unter ihrer Zeitgenossenschaft zu kommen wie andere.