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Zeichen Sprache Ironie

Dauerinstallation HERZMARY, 2024 Foto: KULTUM

Eine sehr umfangreiche Schau im neuen Museumszugang des KULTUM bietet Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers Michael Endlicher, der Buchstaben, Sprüche und Zahlenspielereien in seine Kunst verwebt.

Text: Lydia Bißmann

Die Ausstellung Zeichen Sprache Ironie von Michael Endlicher bietet einen sehr detaillierten Einblick in die Arbeitsweise des Künstlers im neu renovierten Minoritenzentrum. Bilder, Videos, Objekte und Installationen, die in den vergangenen 25 Jahren entstanden sind, erstrecken sich vom kleinen Minoritensaal über das neue Stiegenhaus West bis in die Museumsräume des 2. Stockwerks. Es ist empfehlenswert, etwas mehr Zeit für die Ausstellung einzuplanen, da sie viele Themen öffnet und Gesellschaftskritik mit sehr viel Lust und Augenzwinkern verbindet.

Zahlenspiele und Zaubersprüche

Michael Endlicher war vor seiner Karriere als Künstler Werber und weiß daher genau, wie man Botschaften unter die Menschen bringt. Mit seiner Kunst will er aber nichts verkaufen, sondern zum Nach- und Vordenken anregen, was ihm auch tadellos gelingt. Die Sprache ist sein bevorzugtes Medium, seine Leinwand und auch sein Motiv. Er textet liebevoll-absurde Litaneien, lässt seine Bilder über sich selbst sprechen oder verfasst mathematisch gesteuerte Dreiwortgedichte, die unglaublich tiefsinnig klingen. Sorgfältig inszeniert er einzelne Buchstaben, dreht Worte um, stellt sie auf den Kopf oder würfelt die Buchstaben durcheinander, damit sie neuen Sinn ergeben. Mit dadaistischer Leichtigkeit, aber jeder Menge Tiefe jongliert Michael Endlicher mit Wörtern, Zaubersprüchen, Zahlenmystik und optischer Täuschung. Religiöse Referenzen an Litaneien oder ikonologische Darstellungen finden sich hier genauso wie jene an die Street-Art, die ihre Botschaften im öffentlichen Raum hinterlässt. Gesprayte Schablonenbuchstaben wurden für das Wandbild HERZMARY benutzt, das dem KULTUM Museum dauerhaft bleiben soll und an der Westseite des neuen Stiegenaufgangs fast über zwei Stockwerke geht. Es besteht aus 56 Buchstaben, die auf ein altes Wallfahrtslied anspielen und mit den Worten „Hoffnung” und „HERZMARY” enden. Typologie, Auftrag und die englische Sprache erzeugen Nähe und Modernität. Schablonenbuchstaben formen auch die dreidimensionalen Worttürme, die im Alltag nicht so geläufige Worte wie EXNOVATION (die Beendigung nicht nachhaltiger Praktiken) oder SUFFIZIENZ (Material und Energie sparen) bilden. Sie wirken fast wie ein Appell zum Protest gegen die kapitalistisch aufgeladenen und viel zu oft bemühten Worte Innovation und Effizienz. Die Wirkung ist zugleich entschleunigend und alarmierend. Ganz zum Ende der Schau, über den historischen Speisesaaltischen der Minoriten, wiederholt sich das Thema im Stiegenaufgang im Wortpaar „CONTINUITY“ und „DISRUPTION“.

Klebebücher, 2024

Eine Bühne für Buchstaben

Im Arkadenhof trifft man auf gefräste Lettern aus Metall, die von der Decke schweben. Die Buchstaben A und Z, die Zahlen 0 und 1 begegnen einem als „Urbausteine“ von Sprache und Information, wie wir sie heutzutage kennen, auch am Treppenaufgang. Fast wie eine Stockwerkbezeichnung treten die Bilder auf, die durch das Übereinanderlegen mehrerer Buchstaben eine Unschärfe erhalten, die für Bewegung und Tiefe sorgt. Die optische Täuschung stellt die Augen auf die Probe, zwingt zum genaueren Hinsehen, während man die Stiegen erklimmt. Aus Acrylglas bestehen die Worte aMen und aWomen als gegenderte Gebetsschlussworte, neben Halleluja oder Spero!. Die bunten Buchstaben sind übereinander gestapelt und einlagig aus Acrylglas gefräst. Daraus entsteht ein wundervolles Objekt, dessen sprichwörtliche Bedeutung man nur erahnen kann. Das macht nichts –  man muss die Worte nicht immer sehen können, wenn man weiß, dass sie da sind.

Ausstellungsansicht Initiale A (2024) und aMen und aWomen (2017)
Foto: KULTUM

Nummerntafel-Poesie und Album

Etwas älter sind die Dramenbleche, von denen 37 Stück aus den Jahren 2007 bis 2022 in einer der Ausstellungszellen im zweiten Stock gezeigt werden. Michael Endlicher zeigte sie bereits im Rahmen des steirischen herbst 2014 in der Ausstellung Dort, wo unsere Sprache endet, komme ich jeden Tag vorbei im KULTUM. Sie sehen aus wie alte Autonummerntafeln und bestehen immer aus einer Zahl und drei Begriffen. Die Zahl errechnet sich aus der Summe der einzelnen Buchstaben, die einen alphanumerischen Wert haben. Hier kombiniert (und summiert) der Künstler, in Anspielung an die Zahlenmystik der Kabbala, Begriffe wie „153 Konkurrenz, Masturbation, Medienwirksamkeit“ oder „46 Girl, Body, Shame“ oder „113 Orgasmus, Sündenfall, Autonomie“. Die Bleche könnten auch kurze Geschichten oder Mikrogedichte sein; sie würden sogar als Slogans auf Demonstrationen funktionieren. Ähnlich im Auftritt, aber viel persönlicher in der Botschaft, ist die Serie Automagics (2006 bis 2022), die Ich-Botschaften wie My Mind is immortal in einfärbigem Anstrich auf Blech geprägt verkündet. Völlig ohne Schrift kommen die drei Klebebücher (2018 bis 2024) aus. Sorgfältig wurden hier schwarz gebundene DIN-A4-Notizbücher Seite für Seite mit Ausschnitten aus Magazinen und Zeitungen beklebt, die jede für sich wundersame Erzählungen formen, die ganz andere Sinne ansprechen. Es lohnt sich, jedes einzelne davon genauer zu studieren.

Dramableche
Foto: KULTUM

Litaneien und Glaube

Michael Endlicher ist kein Künstler, der sich hinter seinem Werk verbirgt – er inszeniert sich gerne und oft selbst, verfügt dabei aber über viel Fingerspitzengefühl. In seinen Videos, die eigentlich auf seinen geschriebenen Litaneien basieren, tritt er als Kunstfigur auf: Für das Video Aber, Aber, Aber (2021) filmt er sich selbst bis zum Hals im Wasser stehend und gibt die wohlbekannten Stehsätze von sich, die den fehlenden Klima- und Umweltschutz im Alltag rechtfertigen. „Wissen Sie, ich bin natürlich für den Schutz der Umwelt! Aber ohne Wachstum kein sozialer Friede“, „… aber die Umweltbewegten sind doch alle Kommunisten“, „… aber wir haben eh schon so viele Verbote“, heißt es hier. In der Arbeit Ich möchte Folgendes klarstellen (2019) distanziert er sich von allem Möglichen: von Frauen, alten weißen Männern, allen Arten von Bürgern, Kreuzfahrttouristen, Tierschützern und vielem mehr. Das Video, das nur kurz vor der Corona-Pandemie entstanden ist, demaskiert damit leere Worthülsen, die eine Meinung vorgeben, aber tatsächlich nur der allgemeinen Auffassung der Political Correctness entsprechen wollen. Endlicher zeigt aber nicht nur auf, er kann auch Commitment. Zum Ende der Schau begegnet man einem Bild, auf dem ein sehr charmantes und inniges Glaubensbekenntnis formuliert ist. „Ich glaube an Gott, den allmächtigen Vater. An seinen Sohn, der sich auch mal die Haare schneiden könnte“, beginnt die gekürzte Version der Litanei #4, die mit den Worten endet: „Ich muss glauben. Ich werde glauben, solange ich atme. Dann, glaube ich, werden wir weitersehen.“        

Automagics
Foto: KULTUM

Michael Endlicher: Zeichen Sprache Ironie
Bis 13.7.2024, Di–Sa: 11–17 Uhr, So: 15–18 Uhr

Kuratoren- und Künstlerführung: Do, 27.6.2024, 18 Uhr

KULTUMuseum
Mariahilferplatz 3, 8020 Graz,
(Kurator: Johannes Rauchenberger)