Über 100.000 Menschen werden auch heuer wieder gemeinsam bei La Strada feiern. Intendant Werner Schrempf über die Freuden und Herausforderungen des Festivals – und wie er ein Nationalstadion bespielen würde.
Interview: Sabine Mezler
Was macht einem als Intendant eines Festivals wie La Strada am meisten Freude?
Wenn eine intensive Zusammenarbeit mit Künstler*innen aufgeht, die Menschen berührt, man das Gefühl hat, jetzt ist künstlerisch etwas ganz Besonderes gelungen – und auch, wenn dann vielleicht vor Freude ein paar Tränen vergossen werden.
Bei La Strada treten über 25 Künstlergruppen auf, wo findet ihr die Gruppen?
Ich bin durch unser internationales Netzwerk IN SITU viel in Europa unterwegs, aber auch in Nordamerika, etwa in Montreal, wo wir engste Verbindungen zur örtlichen Zirkusszene haben. Dorthin gibt es auch im Juli wieder eine Einladung von offizieller Stelle – im vergangenen Frühjahr war ich bei Theatertreffen und Festivals in Neuseeland und Australien eingeladen. Ehe ein oder zwei Stücke im La-Strada-Programm landen, haben wir sicher bis zu 50 Produktionen gesehen. Wie sich unser Programm am Ende zusammenstellt, wird gemeinsam im Team diskutiert und entschieden. Wobei es bei der Entscheidung nicht nur darum geht, wie gut etwas gefällt, sondern auch darum, ob und wie es sich in unser Konzept einfügt, wie gut sich die Künstler-Biografien mit unserem Festival wie auch mit dem Publikum verbinden lassen. So wie etwa heuer wieder mit Baro d’evel, die seit 2006 eine tolle Entwicklung durchlaufen haben, die die Grazer*innen immer wieder bei La Strada mitverfolgen konnten.
Wie lange im Voraus plant ihr das Programm und wie begleitet ihr Künstler*innen auf ihrem Weg?
Inzwischen sind mindestens ein Drittel aller Stücke Koproduktionen. Projekte entstehen oft in mehreren Schritten. Sowohl regional hier in der Steiermark, mit Partner*innen und Künstler*innen aus dem IN-SITU-Netzwerk, aber beispielsweise auch in Zusammenarbeit mit den großen Festivals in Australien. Entsprechend sind manche Produktionen zwei bis drei Jahre in Vorbereitung.
Wo siehst du die Herausforderungen in Graz und wie wichtig ist die Verbundenheit mit der Stadt?
La Strada ist sehr eng mit der Stadt und ihren Bewohner*innen verbunden. Unter der Anleitung der Künstler*innen, die uns mit offenen Augen, Ohren und allen Sinnen seit über 25 Jahren dabei helfen, die Stadt immer wieder neu zu entdecken und Orte für die Menschen zurückzuerobern, haben wir gemeinsam viel erreicht. Eine bleibend große Herausforderung für ein Festival wie La Strada ist es, jedes Jahr ein Budget aufzustellen. Das ist nur durch ein Zusammenwirken unterschiedlichster Partnerschaften und Förderebenen unter anderem durch internationale, europäische, nationale und regionale Unterstützung möglich, ehe wir gesichert mit der künstlerischen Umsetzung beginnen können.
Es ist eine spannende Aufgabe für ein Festival, das großteils im öffentlichen Raum stattfindet, immer wieder aufs Neue Wege zu finden, mit aktuellen Entwicklungen umzugehen. Menschen zusammenzubringen und die Stadt sowie die Blickwinkel auf sie mitzuverändern.
Die großen Fragen sind dabei, was macht die Stadt lebenswert, wie kann sie ihre Bewohner*innen unterstützen, und wie lassen sich auch schwierige Zeiten gemeinsam bewältigen, in denen etwa Themen wie Klima, Umwelt oder gesellschaftspolitische Veränderungen, die vielen Menschen Sorgen machen, hinterfragt werden.
Hier sehe ich auch die Verantwortung der Kulturarbeit. Wir müssen inhaltlich etwas anbieten und wichtige Fragen stellen. Etwa: Ist unsere Demokratie gefährdet und was braucht es, damit sie bleibt? Da müssen wir die Menschen einladen, sich an demokratischen Prozessen zu beteiligen, die Ohren auch für jene Dinge aufzumachen, die man nicht hören will. Denn das ist etwas, was ein Festival kann: Menschen abseits gewohnter Pfade zusammenzubringen.
Was kennzeichnet gute Straßenkunst? Warum braucht es sie?
Gute Straßenkunst verbindet Menschen. Sie lädt uns zur Beteiligung ein und erzählt unsere Geschichten. Sie lenkt den Blick auf Neues und oft auch auf Verdecktes. In uns und um uns. Direkt vor uns und in der Welt. Dafür brauchen wir die Straßenkunst.
Welche Personen möchtest du mit La Strada erreichen?
Die schönsten Momente sind die, in denen ein möglichst buntes und diverses Publikum zusammenkommt. Aus allen Teilen der Gesellschaft. Aus Stadt und Land. Jung und Alt. Vier Generationen gemeinsam im Theater! Das alles freut auch Besucher:innen und Touristen:innen.
Wenn es in Graz ein Nationalstadion für 50.000 Besucher*innen gäbe, welches Projekt würdest du dort gerne umsetzen?
Einen Chor hätte ich dort gern: eine Komposition für 50.000 Sänger*innen, das könnte bestimmt richtig schön werden!
Ist Begegnung bei La Strada wichtig?
Begegnung ist bei La Strada nicht nur wichtig – La Strada ist Begegnung! Das ist das Wesen unseres Festivals.
La Strada findet in diesem Jahr in der Region rund um den Dachstein und in der Region Graz, Weiz und Stainz statt. Was verbindet die Regionen und wie unterscheiden sie sich?
Zum Verbindenden gehört bestimmt das Interesse gemeinsam Programm zu gestalten und damit in Beziehung zu treten. Stadt und Land voneinander getrennt zu denken, passt nicht in meinen Kopf.
Verrätst du uns zum Schluss, welches künstlerische Projekt dich zuletzt besonders berührt hat?
Mit großer Freude. Das war die Uraufführung der Komposition, die Marie-
Theres Härtel für unser Projekt Signal vom Dachstein geschrieben hat und die auch beim Festival heuer zu hören sein wird. Dabei ist eine so schöne, ehrliche Musik herausgekommen, die spürbar der Landschaft gewidmet ist. Das hat nicht nur mich, sondern das ganze Publikum zutiefst berührt.
Das gesamte Programm von 26. Juli bis 4. August: www.lastrada.at