Das Kunsthaus Graz und das Museum für Geschichte beleuchten aktuell die verschiedenen Facetten von Arbeit und richten den Blick auf Vergangenheit und Zukunft.
In der Ausstellung 24/7. Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung im Kunsthaus Graz steht die moderne Arbeitswelt im Fokus, geprägt von digitaler Revolution und stetigem Wandel. Traditionelle Arbeitszeiten verschwinden zugunsten von Flexibilität und ständiger Erreichbarkeit. „Zeit ist ein Faktor, der für die Arbeit eine ganz große Rolle spielt, das spiegelt sich auch im Haupttitel unserer Ausstellung 24/7 – rund um die Uhr. Eine Abkürzung, die in den 1980er-Jahren geprägt worden ist, damals bezogen auf die Möglichkeit, rund um die Uhr zu konsumieren, was im Rückkehrschluss aber auch bedeutet, dass man rund um die Uhr arbeitet“, so Kuratorin Katia Huemer. Mit zunehmender Prekarisierung und der Expansion des Niedriglohnsektors entsteht eine deutliche Kluft zwischen gut bezahlten, sicheren Positionen und unsicheren, existenziell bedrohlichen Arbeitsverhältnissen für die „Working Poor“. Auch geschlechterspezifische Ungleichheiten bleiben bestehen, insbesondere im Bereich unbezahlter Haus- und Fürsorgearbeit. In einer nicht zu fernen Zukunft werden Technologien wie KI viele Aufgaben der Arbeitswelt weiter verändern und Herausforderungen mit sich bringen, die erneut einen sozialen und politischen Diskurs erfordern. In dieser postfordistischen Gesellschaft verschwimmen also die Grenzen zwischen Selbstausbeutung und Selbstverwirklichung, besonders in der Kunst- und Kulturarbeit.
Eine Ausstellung, die wächst
Die Breite dieses Themenspektrums spiegelt sich in der Schau in 30 künstlerischen Arbeiten wider, die sich mit unterschiedlichen Facetten dessen befassen, womit Arbeitende und Nicht-Arbeitende in der heutigen Gesellschaft konfrontiert sind. Neben legendären Kunstwerken wie Semiotics of the Kitchen von Martha Rosler aus dem Jahr 1975, Arbeiter verlassen die Fabrik von Harun Farocki von 1995 und One Year Performance, 1980–1981 von Tehching Hsieh zeigt die Ausstellung im Kunsthaus Graz neue und adaptierte Arbeiten von Michail Michailov, Luiza Margan oder Aldo Giannotti. Die Ausstellung wird während der Laufzeit stetig wachsen und durch Neuproduktionen und performative Projekte ergänzt. Santiago Sierra führt drei Performances durch, bei denen Menschen migrantischer Herkunft stundenlang den Satz „Ich werde niemals einem Europäer / einer Europäerin die Arbeit wegnehmen“ aufschreiben, um soziale und ökonomische Ungleichheiten, Arbeitsmigration und Ausbeutung zu thematisieren. Die nächste Performance findet am 28. September statt.
Alles Arbeit im Museum für Geschichte
Parallel zu 24/7 zeigt das Museum für Geschichte die Ausstellung Alles Arbeit. Frauen zwischen Erwerbs- und Sorgetätigkeit. Presse-Fotografien aus dem Betriebsarchiv von „Foto Blaschka“ illustrieren weibliche Arbeit in der steirischen Nachkriegszeit, wobei es nicht nur um eine Geschichte der Erwerbstätigkeit von Frauen geht, sondern auch um ein gleichwertiges Sichtbarmachen der unbezahlten, aber unverzichtbaren Formen von Sorgearbeit. „Die Frage nach dem Arbeitsbegriff steht im Zentrum der Ausstellung“, so Kuratorin Eva Tropper: „Wir sind es gewohnt, unter ‚Arbeit‘ vor allem diejenigen Tätigkeiten zu verstehen, für die es einen Lohn gibt. Dabei geht die gesellschaftlich notwendige Arbeit weit darüber hinaus.“
Fotografien in unterschiedlichen Formaten
Die Schau versucht, die übliche Hierarchie zwischen den Formen von Arbeit zu vermeiden – auch gestalterisch. Die Fotografien sind in unterschiedlichen Formaten bis hin zu lebensgroßen Prints zu sehen und zum Teil überlappend gehängt – denn oft haben sich auch die Formen bezahlter und unbezahlter Arbeit im Leben von Frauen überlagert. Gezeigt werden auch zahlreiche Bilder erwerbstätiger Frauen aus unterschiedlichsten Bereichen: von der Industrie über die Landwirtschaft bis hin zu Dienstleistungsbranchen. In gleichem Maß beschäftigt sie sich mit Bildern unbezahlter Arbeit und dem gesellschaftlichen Blick auf sie. Die Geschichte familiärer Sorgearbeit ist auch die Geschichte einer Entwertung. Studien zeigen, dass das Gesamtvolumen unbezahlter Arbeit kaum abgenommen hat. Sorgearbeit wurde immer mehr zu etwas, was ‚nebenher‘ erledigt werden sollte. Alles Arbeit im Museum für Geschichte thematisiert insbesondere die steigenden Mehrfachbelastungen und doppelten Leistungserwartungen, die damit vor allem für Frauen verbunden waren – und sind. Bei den Recherchen zur Ausstellung stellte sich heraus, dass die Agentur „Foto Blaschka“ ab den späten 1950er-Jahren von Erika Blaschka, der Ehefrau des Gründers, geführt wurde. Sie war nicht nur für den Betrieb und die Ausbildung von Lehrlingen und Gesellen zuständig, sondern fotografierte auch selbst und leistete familiäre Sorgearbeit und Betreuungsaufgaben für zwei Kinder. Im letzten Raum der Ausstellung wird sie daher gewürdigt.
Künstlerische Intervention Kein Wunder
Die Klammer zwischen beiden Ausstellungen bildet eine Projektion des Essayfilms Kein Wunder, einer künstlerischen Intervention in das Fotoarchiv Blaschka von Lia Sudermann und Simon Nagy, die in beiden Häusern zu sehen ist. Das Kunsthaus Graz und das Museum für Geschichte bieten zudem ein häuserübergreifendes Vermittlungsprogramm an, wie etwa Überblicksführungen durch beide Ausstellungen. Der nächste Termin einer solchen Führung ist der 15. September.
24/7 – Arbeit zwischen Sinnstiftung und Entgrenzung
Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz
Zu sehen bis 19.1.2025
www.kunsthausgraz.at
Alles Arbeit – Frauen zwischen Erwerbs- und Sorgetätigkeit, Fotoarchiv Blaschka 1950–1966
Museum für Geschichte, Sackstraße 16, 8010 Graz
Zu sehen bis 6.1.2025
www.museumfürgeschichte.at