Mitte März präsentiert die „grazJAZZnacht“ wieder ein vielfältiges Programm, um die Grazer Jazz-Szene zu würdigen. Wir sprachen mit Organisator Otmar Klammer über Graz als Jazz-Stadt, junges Publikum und das Programm der heurigen Jazznacht.
Was macht Graz als Jazz-Stadt aktuell aus? Was wird gespielt?
Sehr lange Zeit war die Grazer Jazzszene untrennbar verbunden mit dem Jazzinstitut an der Kunstuniversität, vormals Musikhochschule. Da gab es außer Wien nicht viel was anderes. Heute, wo man fast schon in jeder Landeshauptstadt Jazz oder Popularmusik studieren kann, hat sich das etwas geändert. So hat sich auch der Zulauf von impulsgebenden Musikern aus Osteuropa auf ganz Österreich und gar nach Deutschland verstreut. Zudem wanderten viele Absolventen der KUG in den letzten Jahren auch nach Wien, Berlin oder sonst wohin aus. Als Relikt ist die Musikerplattform Jazzwerkstatt Graz geblieben, die sich aber auf die jährlichen Schwerpunktprogramme JW-Shortcuts und JW-Festival beschränkt hat. Vom Jazzinstitut selbst kommen kaum mehr kreative Impulse, dafür aber nach wie vor zahlreiche gute Instrumentalisten. Wir hatten auch schon viel mehr junge Bands in der Stadt. Irgendwie ist alles deutlich pragmatischer geworden.
Wie steht es um die Grazer Jazzclubs? Wie lebendig ist die Club-Szene?
Die Zahl der örtlichen Jazzveranstalter ist erfreulicherweise auf neun angewachsen, und mit dem Royal Garden Jazz Club, dem Tube’s, Miles, WIST und dem Stockwerk hat Graz immerhin auch fünf Jazzclubs bzw. fixe Locations mit einem ganzjährigen Programm. Diese Dichte muss man sogar in großen europäischen Städten suchen! Die Musik selbst ist sicher internationaler und stilistisch viel differenzierter geworden und hat sich von den Konzertsälen in die besagten Clubs verlagert. Daneben hat sich aber auch eine sehr lebendige Impro-Szene mit einer Kausalität zum Jazz herausgebildet.

Foto: Peter Purgar
Wer besucht in Graz Jazz-Konzerte? Gibt es ein klassisches Publikum?
Jeder Veranstalter oder Club hat sein eigenes Publikum, das sich an den Rändern freilich hübsch überschneidet. Und es sind gerade diese in Summe großen Schnittmengen, die Graz als Jazzstadt so aufgeklärt und bedeutend machen. Das Spektrum des Publikums ist analog der stilistisch immer weiter aufgefächerten Inhalte viel breiter geworden. Das sogenannte klassische Publikum gibt’s noch immer, vor allem dort, wo bekannt virtuose oder einfach allgemein bekannte Musiker auftreten. Die legendäre Jazzpolizei hat sich buchstäblich entsorgt.
Welche Bedeutung hat der Jazz für junge Menschen?
Viel mehr, als manche glauben! Junge Leute sind nämlich vom wirklich kreativen zeitgenössischen Jazz meistens sehr begeistert, stellen dann mit Erstaunen fest: Aha, das ist auch Jazz?! Wenn wir das gewusst hätten … Das Problem des Jazz heutzutage ist nämlich, dass der Begriff Jazz der Musik Jazz im Weg steht. Allgemein verbinden unbedarftere Hörer mit Jazz nämlich nur die Zeit zwischen Swing und Bebop. Wir sind aber längst in der Kunstmusik, im Hip Hop u. s. w. angekommen.

Foto: Peter Purgar
Wie kam es zur Idee der grazJAZZnacht? Und nach welchen Kriterien wird das Programm zusammengestellt?
Die Idee geht zurück auf das Jahr 1998, als sich als Reaktion auf das Gratisfestival Jazzsommer Graz die Veranstalterplattform Jazzkartell Graz (heute grazjazz) bildete, als deren Höhepunkt es zuerst die jährliche Jazz Week und später eben die lange Grazer Jazznacht, vulgo grazJazznacht gab. Dazu soll jeder Veranstalter/Club einen seine eigene Programmlinie repräsentierenden Konzertbeitrag liefern. Dadurch ist auch vom Straight Ahead bis zur sperrigen Improvisationsmusik und vom traditionellen bis zum innovativen Jazz samt einer groovigen Jazzparty so ziemlich alles dabei. Das Besondere dabei ist, dass alle – zeitlich gestaffelten – Konzerte in dieser Nacht mit einem einzigen Ticket zum moderaten Preis zugänglich sind.
Was erwartet das Publikum bei der heurigen Jazznacht?
In jeder Location spielt eine Band, die in zwei bis drei Sets explizit die jeweilige Programmlinie des betreffenden Veranstalters repräsentiert. Das geht vom traditionellen Jazz im Royal Garden Jazz Club bis zum Noise Jazz im Forum Stadtpark, unter anderem mit der österreichischen Saxophonistin Yvonne Moriel, die gerade den Österreichischen Jazzpreis als Newcomerin gewonnen hat. Dazwischen gibt’s im Stockwerk die zwei Weltklassegitarristen Peter Bernstein und Jesse van Ruller im Duo oder im Tube’s am Grieskai mit dem Ralph Moore-Dave Kikoski Quartet eine Band mit zwei prominenten Bandleadern aus der Ecke Hardbop und PostBop. Nicht zuletzt darf man sich aber auf die finale KUG-Jazz Party freuen, wofür wir mit dem Kunsthauscafé sogar eine neue Location gewonnen haben. Da wird’s sicher auch die eine oder andere Überraschung geben.
Als künstlerischer Leiter haben Sie maßgeblich zum Erfolg des internationalen Jazzfestivals in Leibnitz beigetragen. Bräuchte auch Graz wieder einmal ein eigenes Jazzfestival?
Ich persönlich bin davon nicht mehr überzeugt. Um ein Festival im eigentlich Sinn des Wortes zu etablieren, braucht es die Konzentration auf wenige Tage hintereinander an einem Ort, der dann ganz im Zeichen dieses Festivals steht, ein Festival eben. Dafür ist ein überschaubarer Ort, eine kleine Stadt oder dergleichen am besten geeignet. Auch mit dem Hintergrund der gemeinsamen Solidarität und des gemeinsamen Bekenntnisses. Das – sehr erfolgreiche – Jazzfestival Saalfelden etwa ist das beste Beispiel dafür. Das Jazz Fest Wien etwa ist genau am Nichtvorhandensein dieser Kriterien gescheitert.

Foto: Peter Purgar