Wahnsinn! Rausch! Die enge Verbindung von Tanz und Wahn tritt seit der Antike in vielen Kulturen immer wieder auf und zeigt sich bei spirituellen Ritualen oder Tanz-Ekstasen. Mit „Follia!“ entfesselt das Ballett Graz die ganze Kraft des Tanzes.
An einem Julitag im Jahr 1518 begann eine Frau durch Straßburgs Straßen zu tanzen. Sie tanzte tagelang. Bald schlossen sich ihr weitere Personen an und bis Ende August hatte das Tanzfieber mehrere hundert Personen erfasst. Diesen geheimnisvollen Energien und Kräften, die Tanz zu entfesseln vermag, gehen die Choreographen des Tanzabends Follia! in ihrem zweiteiligen Tanzabend nach. Die kubanische Choreographin Maura Morales – in Graz bereits bekannt durch ihren fulminanten Tanzabend Vom Verschwinden der Körper in der Saison 2023/2024 – erkundet in ihrer kraftvollen sinnlichen Körpersprache die Wirkung von Ekstase und Tanz zu den treibenden, rhythmischen, fast hypnotischen Klängen des Komponisten Michio Woirgardt. La Folia, so der Titel ihrer gemeinsamen Arbeit, ist inspiriert vom Folia-Tanz, der erstmals im 15. Jahrhundert in Portugal beschrieben wurde. Wegen seines ungezügelten Charakters und seiner Wildheit wurde die Folia immer wieder verboten. Da die Bemühungen, den Tanz auf diese Weise einzuschränken, kaum von Erfolg gekrönt waren, versuchte man, die Folia wenigstens zu zähmen, indem man sie kultivierte. Maura Morales wendet sich in ihrer Choreographie der ungezähmten Version des Tanzes zu und entfacht mit dem Ballett Graz einen tänzerischen Vulkanausbruch!
Das spanische Choreographen-Duo Iratxe Ansa und Igor Bacovich steuert mit Broken Lines zu Musik des amerikanischen Komponisten Bryce Dessner den zweiten Teil des Tanzabends bei. Hier scheinen die Tänzer wie in ein unsichtbares Netz verwoben. Die engen Verbindungen geben ihnen einerseits Halt und Sicherheit, werden aber auch zu Hindernissen und Fesseln auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Ich. Unter der glatten Oberfläche brodelt es und die gezügelten Kräfte drohen, sich zu entladen. „Broken Lines“, englisch für: gestrichelte oder unterbrochene Linien oder Markierungen, können auch als Spuren, die wir in unserem Leben und im Leben anderer hinterlassen, gelesen werden. Fast unsichtbar und wie von leichter Hand gezeichnet, prägen sie uns und hinterlassen tiefgreifende Eindrücke.
Follia!
Zweiteiliger Tanzabend von Iratxe Ansa & Igor Bacovich und Maura Morales, zu Musik von Bryce Dessner und Michio Woirgardt
Vorstellungen bis 22.5.2025
Oper Graz