Dreizehn Jahre ist es her, dass Graz Kulturhauptstadt Europas war. Doch was ist davon geblieben? Worin liegen die Gründe für die kulturpolitischen Entwicklungen in der steirischen Landeshauptstadt und was muss geschehen, um die Grazer Kulturlandschaft zu neuen Höhenflügen anzuregen? Diese und andere Fragen hat „Achtzig“ dem Grazer Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl in einem Interview gestellt.
Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen kulturpolitischen Lage in Graz?
Ich glaube, so viele Chancen, wie es derzeit auf kulturpolitischer Ebene in Graz gibt, hat es noch nicht oft gegeben. Wir haben neue Intendantinnen in den großen Häusern. Wir haben auch einen Steirischen Herbst, der sein Jubiläum feiert und auf der Suche nach Veränderung ist. Wir haben eine neue Kunsthausintendanz und durch den Verlust von Nikolaus Harnoncourt auch einen neuen Diskurs, wohin sich die Styriate entwickeln kann.
Das klingt alles ausgesprochen positiv. Gibt es auch Dinge, die Ihnen Sorgen bereiten?
Die wesentlichsten Bereiche der Stadt Graz, an denen wir festhalten wollen, weil sie Graz definieren, sind Wissenschaft und Kunst. Lisa Rücker war meine große Hoffnung, den Kulturbereich zu fördern. Doch jetzt, wo sie das Ende ihrer politischen Karriere in eineinhalb Jahren angekündigt hat, habe ich niemanden mehr, der die Flamme der Kultur vorneweg trägt. Also müssen wir darüber nachdenken, wer diesen wichtigen Job übernehmen kann, weil es einfach der Zug ist, der für Graz vorneweg fahren könnte. Das tut er im Moment nur leider nicht.
Liegt das vielleicht daran, dass die Kultur vonseiten des Tourismus nicht richtig beworben wird?
Dass der Tourismus die kulturellen Möglichkeiten in Graz nicht voll einsetzt, finde ich schade. Denn worum geht es heute, auch im Tourismus?
Die Menschen wollen unterhalten werden, sie wollen verführt werden und das könnte Graz. Das zu fördern, wäre eigentlich die Aufgabe des Kulturstadtrates, in dem Fall der Kulturstadträtin. Wir feiern heuer „15 Jahre Menschenrechtsstadt“ und „5 Jahre City of Design“ und es ist weder von Lisa Rücker noch von den Kulturschaffenden etwas dazu gekommen. Lisa Rücker fällt medial momentan eher damit auf, dass sie alte Denkmäler entfernen will.
Könnte es nicht auch daran liegen, dass der freien Szene in Graz zu wenige Repräsentationsmöglichkeiten geboten werden?
Sowohl das Kunsthaus als auch das Künstlerhaus bieten den heimischen Kulturschaffenden so gut wie keine Chance. Somit müssen sie ausweichen. Wir haben mitgeholfen, indem wir beispielsweise ermöglicht haben, dass der Steiermarkhof umgebaut wird und die Kulturaffinität weiter pflegen kann. Aber es ist traurig und das müssen wir auch wieder schaffen, dass man etwas Neues schafft.
Welche kulturpolitischen Aufgaben kommen Ihnen als Bürgermeister zu?
Ich bin ununterbrochen involviert in den Kulturbereich und quasi als Reserve mit dabei. Zudem versuche ich mein Möglichstes zu geben, damit man alles finanzieren kann. Dazu gehört auch, das Land und den Bund zu begeistern. Wie schwer das mit dem Bund ist, habe ich in den letzten Jahren mitbekommen. De facto gibt es für Wien, Salzburg und Bregenz viel Geld. Und es gibt kleine
Minimalbeträge, mit denen sie uns sponsern, aber es gibt kein Wachstum mehr.
Welche Fähigkeiten muss eine neue Kulturstadträtin beziehungsweise eine neuer Kulturstadtrat mitbringen?
Die Person muss Leidenschaft für Kunst und Kultur empfinden. Dazu muss sie ein Kommunikationstalent sein und sie muss mutig sein und sich und sich Neues trauen. Also der Widerspruch und der Widerstreit müssen ihr im Blut liegen. Dazu kommt, dass sich die Person Zeit nehmen muss. Sowohl für das Publikum als auch für die Kunstschaffenden.
Gibt es Kulturprojekte in die Sie besondere Hoffnungen setzten?
Wir werden in Zukunft mit dem Architekturtourismus wahnsinnig viele Menschen nach Graz bekommen. Denn wenn die verrückten Gebäude in Reininghaus und der Sciene-Tower fertiggestellt sind, dann wird das eine Menge architektur- und kunstbegeisterter Personen nach Graz locken. Das sind Menschen, die in der Moderne angekommen sind. Die werden Graz gut tun.
Wie konkret steht es um den Plan, die Kunstausbildung in Graz auszubauen?
In Graz gibt es im Bereich der bildenden Kunst nur die Ortweinschule als Ausbildungsstätte. Danach wird man als Künstler gezwungen in die Welt hinauszugehen. Was für jeden Künstler gesund ist. Aber ich hätte es auch gerne umgekehrt, dass die Leute nach Graz kommen, um hier Kunst zu studieren. Deswegen glaube ich, muss das auch ein Ansatz für die nächsten Jahre werden, da mitzuwirken.
Text: Stefan Zavernik