Auf William Shakespear (1564-1616) ist Verlass. Der Wort-Virtuose, dessen Bedeutung für die Weltliteratur wohl nur er selbst in passende Sätze hätte formulieren können, legt mit seinem Spätwerk Der Sturm (im englischen Original The Tempest) ein Stück vor, dass auch 400 Jahre nach seiner Entstehung an Aktualität nichts eingebüßt hat. Der Plot handelt – grob umrissen – von Rache, Mord und dem ewig gleichen Verhalten der Menschen, sich die Welt zu Eigen machen zu wollen, sich über andere Menschen zu stellen und über den Wunsch nach Herrschaft mitsamt der Gewalt, die damit verbunden ist. Und sei diese Welt auch nur eine verrohte Insel voller Schlamm und Dreck, wie das geniale Bühnenbild von Ralph Zeger in dieser nicht minder genialen Inszenierung von Regisseur Stephan Rottkamp am Schauspielhaus Graz suggeriert. Es stinkt im wahrsten Sinne zum Himmel, wenn die Protagonisten rund um Prospero – gespielt von Barbara Petritsch (Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater) – in der Schlickgrube, die ihnen als Bühne dient, nicht weniger als den perfiden Menschen in seiner Hinterhältigkeit und seiner Machtgier entlarven.
Prospero, das ist der gelehrte und von den Mächten des Okkulten faszinierte Herzog von Mailand, der von seinem Bruder Antonio gestürzt und mitsamt seiner Tochter Miranda auf dem Meer ausgesetzt wurde. Verschlagen hat es ihn auf eine geheimnisvolle Insel, wo er seit zwölf Jahren auf Rache sinnt. Und die Gelegenheit kommt, insbesondere weil Prospero der Luftgeist Ariel zu Diensten steht. Als Antonio und der König von Neapel, Alonso, auf dem Weg von Tunis nach Italien an der Insel vorübersegeln, beschwört der Meister der Magie einen Sturm herauf, der seine Gegner unversehrt an die Gestade der Insel spült. Während zwei betrunkene Höflinge mit Prosperos Diener Caliban ein groteskes Bündnis eingehen, um dessen Herrn zu stürzen, herrscht auch in der Runde der königlichen Schiffbrüchigen Zwietracht. Prospero zieht im Laufe der Handlung alle Register seiner magischen Fähigkeiten, um seine ehemaligen Widersacher genüsslich vor sich herzutreiben.Doch auch Prospero selbst ist nicht frei von Schuld, schließlich hat er sich sowohl den Luftgeist Ariel als auch das auf der Insel lebende „Monster“ Caliban herrschsüchtig zu Handlangern gemacht. Am Ende seines Lebens, nachdem die Rache vollzogen, ist es an ihm zu verzeihen, was ihm aber schwer fällt. Erst als sogar Ariel Mitleid mit den Gequälten äußert, besinnt sich der (nun wieder) Herzog von Mailand auf humanistische Werte und leitet so das komödienhafte Ende des Stückes, ganz nach Genretradition inklusive Hochzeit und Versöhnung der Väter, ein. Seine Arbeit ist getan und der eigene Tod nicht mehr fern und so bleibt Prospero zurück um in einem Monolog den Beifall und die Absolution durch das Publikum zu erbitten. Wenn ihm dieser Applaus auch nur mit fadem Beigeschmack von Monogamie und Machtstreben zusteht, so steht er dem Ensemble umso mehr zu, die Der Strum mit einigen modernen Einlagen ins 21. Jahrhundert transferiert haben.
„Der Sturm“
Das Stück ist eines der poetischsten Werke William Shakespeares und wird gerne als das „Selbstporträt des Dichters als alter Mann“ bezeichnet, mit dem sich der Autor von der Bühne verabschiedet. Dennoch ist die letzte der vier Shakespeare-Romanzen weit mehr als eine Autobiografie des berühmtesten Bühnenschriftstellers der Geschichte. Das Stück kreist beständig um die Ausübung und die Sicherung von Macht, um die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion, die Kraft und Gefahren der Magie.
William Shakespear
Der englische Dramatiker, Lyriker und Schauspieler, dessen Komödien und Tragödien zu den bedeutendsten und am meisten aufgeführten und verfilmten Bühnenstücken der Weltliteratur gehören, starb heuer vor 400 Jahren. Sein überliefertes Gesamtwerk umfasst 38 (nach anderer Zählung 37) Dramen, epische Versdichtungen sowie 154 Sonette. Seine Bedeutung für die geschriebene Sprache ist auf dem gesamten Globus unumstritten. So gilt er als bedeutendster Schriftsteller der weltweiten Literaturgeschichte und ist mit Schätzungen zufolge bis 4 Milliarden verkauften Exemplaren der meistverkaufte Autor aller Zeiten. Mit der Tragikomödie Der Sturm schließt sich im Jahre 1611 der Kreis einer langen und erfolgreichen Theaterkarriere.
DER STURM von William Shakespeare am Schauspielhaus Graz
Vorstellungen am 2., 18. und 24. März, jeweils 19.30 Uhr, sowie ab April, 19.30 Uhr, HAUS EINS
Regie: Stephan Rottkamp, Bühne: Ralph Zeger, Kostüme: Esther Geremus, Dramaturgie: Jan Stephan Schmieding.
Mit Gerhard Balluch, Pascal Goffin, Benedikt Greiner, Julia Gräfner, Fredrik Jan Hofmann, Nico Link, Sarah Sophia Meyer, Raphael Muff, Barbara Petritsch, Tamara Semzov, Franz Solar.
Text: Wolfgang Pauker