Am 13. und 14. April ist im eindrucksvollen Rahmen des MUMUTH das jährliche Kammermusikkonzert der Kunstuniversität Graz zu erleben. „Achtzig“ hat drei Musiker und Professoren der Kunstuniversität befragt und erfahren, warum Musik nur selten so intensiv zu erleben ist wie hier – und worauf der Konzert-Titel „!Zusammenspiel!“ abzielt.
Die kleine Form hat große Tradition. Sogar von Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn wird überliefert, dass sie gemeinsam im Streichquartett musiziert haben – Haydn spielte dabei die erste Geige, Mozart die Bratsche. Schon damals musste das Zusammenspiel in so komprimierter Form eine essenzielle musikalische Auseinandersetzung ermöglicht haben – mit dem Werk wie mit den Mitmusizierenden. Genau so ist es heute.
Musik als Kommunikation
„Ein Symphonieorchester bleibt auch im 21. Jahrhundert ein hierarchisch organisiertes System, in dem die MusikerInnen an die Weisungen des/der DirigentIn gebunden sind“, gibt der Klarinettist Markus Schön zu bedenken. „Kammermusikalisches Zusammenspiel erfordert dagegen mehr interpretatorische Verantwortlichkeit des Einzelnen, damit das Werk lebendig – sozusagen wach geküsst – wird.“ Schön hat an der Kunstuniversität Graz eine Professur für Bläserkammermusik inne. Sein Kollege Stephan Goerner, Cellist und Professor für Streicher-Kammermusik, sieht das gemeinsame Musizieren im Ensemble überhaupt als „ein Hauptmotiv“ des Musikmachens. „Im Wesentlichen bedeutet für mich Ensemblespiel, Kommunikation mit musikalischen PartnerInnen und Klängen und hat daher künstlerischen, kommunikativen, pädagogischen und menschlichen Wert. Nirgendwo sonst kann die eigene Musiker-Persönlichkeit besser reifen. Weil es den Rückzug ins anonyme Tutti und das Delegieren der Verantwortung an einen Dirigenten nicht gibt, ist die Verantwortung, die der einzelne Spieler fürs Gelingen des Ganzen trägt, sehr groß.“
Die Kunst des Zuhörens
Den kommunikativen Aspekt hebt auch der Pianist Chia Chou hervor, der ebenfalls eine einschlägige Professur in Graz hat: „Der wichtigste Aspekt eines Kammermusik-Schwerpunktes liegt, meiner Meinung nach, ironischerweise nicht in der Musik, sondern in der Sprache: Als Kammermusik-Studierender ist man gezwungen, musikalische Ideen, Vorstellungen und Wünsche zu verbalisieren. Nur so können sie den Kammermusik-Partnern vermittelt werden. Diese Arbeit ist extrem wichtig für die eigene Entwicklung.“ Markus Schön: „Wenn ein Musiker in den vielen Stunden, in denen er sein Instrument übt, lernt, sich selbst zuzuhören, so lernt er durch Kammermusik, den anderen zuzuhören: Was sagen sie mit ihren Tönen? Was entgegne ich ihnen mit meinen? Aus einem Prozess vieler Fragen entsteht nach und nach ein Bewusstsein für das ,zentrale Nervensystem’ eines Werks, später sogar eines Musikstils.“
Musizieren bedeutet mehr, als nur ein Instrument zu beherrschen
Für das weitere Fortkommen als MusikerIn ist diese hohe Schule des Zusammenspiels im wahrsten Sinne des Wortes Gold wert. Chia Chou: „Ich wage mich hier kurz vor und behaupte, dass fast alle KUG-Streicher-StudentInnen der letzten Jahre, die Stellen in Top-Orchestern errungen haben, einen Kammermusik-Schwerpunkt absolviert haben, viele sogar ein Masterstudium. Spontan nenne ich hier Fuyu Iwaki, Konzertmeisterin der Grazer Oper, Ben Morrison und Alina Pinchas, beide Wiener Staatsoper. Dazu Stephan Goerner: „Tatsächlich müssen MusikerInnen im 21. Jahrhundert mehr können, als ihr Instrument perfekt zu beherrschen. Ich beobachte in den letzten Jahren eine klare Verschärfung der Anforderungen an eine/n MusikerIn in einem immer enger werdenden Arbeitsmarkt. Die einzig starke Antwort darauf ist eine möglichst umfassende musikalische Ausbildung – und da wird die Bedeutung der Kammermusik in Europa in Zukunft noch massiv steigen. Bei uns an der KUG sind wir in der glücklichen Lage, dass das Rektorat diese Bedeutung bereits erkannt hat.“
Ein intensives Musikerlebnis
Und das Wichtigste zuletzt: Auch für das Publikum wird bei Kammermusikkonzerten das Miteinander der Musizierenden in einzigartiger Intensität erfahrbar. Die Kunstuniversität Graz übertitelt ihr jährliches Kammermusikkonzert im Hauptabonnement daher mit „!Zusammenspiel!“. Dieses Zusammenspiel meint auch das Publikum, das hier eine besonders intensive Verbindung zu den einzelnen Musizierenden aufbauen kann. Markus Schön träumt sogar von der Wiederkehr einer Kultur der Hauskonzerte. „Dort ist noch zu spüren, dass Interpreten und Zuhörer dieselbe Luft atmen.“ Und Stephan Goerner ist es wichtig „die Kammermusik, als elitäre Gattung, vom Elfenbeinturm herunterzuholen und mit ihr mehr auf die Menschen zuzugehen“. Auch das lernen Studierende der Kunstuniversität – zu erleben im „!Zusammenspiel!“ am 13. und 14. April 2016 im MUMUTH.