Mit dem Werk „63 Jahre danach“ hat Jochen Gerz eindrucksvoll demonstriert, wie Kunst im öffentlichen Raum der Steiermark zur Gedenkkultur beitragen kann. Das eben erschienene Buch von Werner Fenz dokumentiert dieses Projekt und arbeitet es wissenschaftlich auf.
Am 11. April erschien mit der Publikation Arbeit mit der Öffentlichkeit. 63 Jahre danach – herausgegeben von Werner Fenz und finanziert mit Mitteln des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark und der Steirischen Gesellschaft für Kulturpolitik – endlich eine wissenschaftliche Darstellung des wohl umfangreichsten und aufregendsten Kunstprojekts im öffentlichen Raum, das die Steiermark je gesehen hat. Und das mit sicher überregionaler Bedeutung. Von Anbeginn an sorgten die Installationen des Künstlers, mit denen er an die Geschehnisse der NS-Zeit erinnerte – unter anderem am Eisernen Tor, auf dem Freiheits-, dem Tummel- und dem Bischofsplatz – für Aufsehen und Diskussionen. Nach der Aufstellung der Tafeln im Jahr 2010, damals als temporäre Installation nur bis März 2012 bewilligt und insgesamt zwei Mal verlängert, mussten die Betonwinkel im Sommer 2014 abgebaut werden. Eine erneute Fristverlängerung wurde abgelehnt und das Universalmuseum Joanneum musste – unter Protest – die Installationen entfernen. Der international renommierte Künstler Gerz damals missmutig: Die Aktion zeige eben, „was Kunst zeigen kann: den Stand der Dinge.“
Widerstand von Anfang an
2009/2010 begann Jochen Gerz mit seiner Arbeit an dem Projekt 63 Jahre danach, trotz seiner Jahre vorher von Kommandanten des Österreichischen Bundesheers vereitelten Projektidee für den Feliferhof (ein Schießplatz nahe Graz). Den Vorschlag für dieses mehrstufige Erinnerungsprojekt von Univ.-Doz. Dr. Werner Fenz, damals noch Leiter des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum, trug der damalige Kulturreferent der Steiermärkischen Landesregierung, Landeshauptmann-Stv. Dr. Kurt Flecker, über die Hürden von Landesregierung und Landtag. Es wirkte nicht nur in weite Teile des Landes und der Bevölkerung, sondern bezog diese auch aktiv mit ein. Eine kleine Tageszeitung bewies damals Größe und entwickelte ein Kommunikationsviereck zwischen Kunst, Wissenschaft, Politik und Leserschaft für eine demokratische Mit-entscheidung. Der heutige GKP-Präsident Flecker hatte zwar das 2005 in Kraft getretene Steiermärkisches Kultur- und Kunstförderungsgesetz (mit gut begründeten Regelungen für Kunst im öffentlichen Raum) von seiner Vorgängerin „geerbt“. Anders als manche (nicht nur steirische) Politiker führte er die Buchstaben des neuen Gesetzes zur im ganzen Land merkbaren Wirklichkeit. Dass 2014, fast 70 Jahre nach Ende des Krieges und einem immer nur punktuell aufgearbeiteten Faschismus in Österreich, Grazer Lokalpolitiker einschlägiger Couleur nach vierjähriger erfolgreicher Laufzeit des Projekts kein weiteres Informationsbedürfnis für Bevölkerung und Gäste sahen und die Sommerpause zur Demontage nützten, ist nicht nur eine Kränkung des Künstlers Jochen Gerz, sondern vor allem des gewiss vorhandenen Menschenverstands und Bedürfnisses für historische Wahrheit auch in der Steiermark.
Das vorliegende Buch bietet nun nicht nur eine authentisch bebilderte Geschichte dieses Ablaufs, sondern auch eine ästhetische und zeithistorische Analyse und Interpretation. Präsentiert wurde Arbeit mit der Öffentlichkeit. 63 Jahre danach. Jochen Gerz am nagelneuen Institut für zeitgenössische Kunst (IZK) der TU Graz. Milica Tomic´ – die Leiterin des IZK – hatte die Arbeit als erstes Projekt ihrer Amtszeit mit ihren Studierenden bearbeitet und nun die Räumlichkeiten zur Präsentation der neuen Publikation zur Verfügung gestellt.
Der Künstler
Jochen Gerz, geboren 1940 in Berlin, ist ein Konzeptkünstler, dessen Werk sich um das Verhältnis von Kunst und Leben, Geschichte und Erinnerung, um Begriffe wie Kultur, Gesellschaft, öffentlicher Raum, Partizipation und öffentliche Autorschaft dreht. Unter den Künstlern, denen die Gedenkkultur ein zentrales Anliegen ist, nimmt Gerz bei der Gestaltung von Counter Monuments eine entscheidende Position ein. Im Zentrum seiner Arbeit steht die Suche nach einer Kunstform als Beitrag zur Res Publica und zur Demokratie. Seit 2007 lebt Jochen Gerz in Irland.
Die Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik konfrontiert möglichst viele Menschen mit kulturellen bzw. künstlerischen Phänomenen, will sie in Diskussionsprozesse einbeziehen und kritisches Bewusstsein aktivieren. Präsident: Dr. Kurt Flecker
Arbeit mit der Öffentlichkeit. 63 Jahre danach. Jochen Gerz.
Das Werkbuch ist im Verlag für moderne Kunst, Wien, erschienen. /216 Seiten, deutsch/englisch / 287 Farbabbildungen
Hg.: Werner Fenz
Mit Texten von Paolo Bianchi, Werner Fenz, Heimo Halbrainer, Barbi Markovic´, Milica Tomic´
ISBN 978-3-903004-95-5