Seit über 30 Jahren zeigt die Hofgalerie internationale und nationale Meister der Textilkunst. Die Leichtigkeit der Textilkunst mit allen fünf Sinnen erleben – das ist ab dem 4. Juli wieder auf über 500 Quadratmetern im Steiermarkhof möglich. Wir sprachen mit Johann Baumgartner, Leiter der Hofgalerie, über diese Kunstdisziplin.
Warum zeigt der Steiermarkhof seit Jahrzehnten Textilkunst, eine Kunstsparte, die gerade in Österreich wenig Beachtung erhält?
Weil es eine sehr spannende Kunstform ist, die man nicht jeden Tag sieht. Die Moderne in der Textilkunst brachte vor 32 Jahren Renate Maak nach Graz. Mit diesem Schwerpunkt hat heute der Steiermarkhof in der steirischen Kulturlandschaft ein Alleinstellungsmerkmal, andere Häuser machen leider kaum etwas in diesem Bereich. Außerdem sind wir mit rund 300 internationalen Künstlern weltweit auf allen Kontinenten vernetzt. In östlichen und asiatischen Ländern ist der Stellenwert der Textilkunst ganz groß, aber auch in Ungarn, Italien oder in den nordischen Ländern. In Österreich und speziell in Graz ist Textilkunst leider nach wie vor ein Stiefkind.
Für alle, die nicht in der Materie sind: Was ist Textilkunst?
Mit Textilkunst wird oft immer noch Kunsthandwerk verbunden. Textilkunst ist aber viel mehr, genaugenommen ist Textilkunst eine Vielfalt der unterschiedlichsten Ausdrucksformen, Techniken, Materialien und fließenden Grenzen zu anderen künstlerischen Disziplinen, heute würde man von Fiber Art sprechen. Oft greift man auf Textiles zurück, um neue Kompositionen zu schaffen. Textile Positionen sind daher ein echter Jungbrunnen für alle Disziplinen in der Kunst. Es gibt auch nicht DIE Textilkunst. Kunstformen vermischen sich und unterschiedlichste Materialien werden unterschiedlich eingesetzt. So sind beispielsweise auch Eisen, Leder oder Pferdehaar in textilen Werken zu sehen. Textilkunst ist im Gegensatz zu vielen anderen Kunstformen für den Betrachter sehr zugänglich. Das Dreidimensionale und die verschiedenen Materialien laden förmlich dazu ein, sie zu berühren. Generell ist das ja verboten, bei Textilkunst ist es durchaus erwünscht. Es ist eine Kunstform, die man gut mit allen fünf Sinnen erfassen kann.
Und das gehäkelte Tischdeckchen, ist es auch Textilkunst?
Die Grenze zum Kunsthandwerk liegt im Schöpfungsakt sowie in der Qualität der Ausdrucksweise. Im klassischen Kunsthandwerk geht es darum, etwas gut technisch nachzumachen. Kunst hingegen hat den Anspruch, schöpferisch tätig zu sein, etwas Neues hervorzubringen.
Was erwartet den Besucher in der kommenden Ausstellung?
Wir zeigen aktuelle Arbeiten von Renate Maak und Ingeborg Pock, zwei wegweisende Textilkünstlerinnen der Steiermark. Der japanische Textilkünstler Akihiko Izukura wird eine große Installation „Fork in the tube“ aus Seide im Steiermarkhof zeigen. Es ist ein begehbarer Tunnel, der die Besucher dazu einlädt, visuell und kinästhetisch berührt zu werden und auf den Spuren der Textilkunst zu wandern. Izukura ist ein großer Meister seines Faches, daher wird er gemeinsam mit zehn seiner Schüler anreisen, die ebenfalls mit ihm ausstellen werden.
Was sind Ihre Highlights aus über 30 Jahren Textilkunst?
Alle großen Ausstellungen mit über 300 internationalen Textilkünstlern aus insgesamt 38 Ländern Europas, Asiens, Kanada, den USA, Australien oder Südamerika. Begonnen wurde 1984 mit einem Tapisseriesymposium und Künstlern aus der DDR, CSSR und Ex-Jugoslawien, die unter schwierigen Teilnahmebedingungen seitens der Länder mit dabei waren. Heute hat sich Textilkunst zu einer internationalen Kunstrichtung entwickelt, die man auf der Biennale in Venedig oder auf der Documenta in Kassel finden kann. Für diese damalige Pionierarbeit bin ich Renate Maak sehr dankbar.