Start Kunst & Kultur KUG Saisoneröffnung: Orchestrale Reise vom Staub zu den Sternen

KUG Saisoneröffnung: Orchestrale Reise vom Staub zu den Sternen

Marc Piollet, neuer Professor für Orchesterdirigieren an der Kunstuniversität Graz Foto: Johannes Gellner

Die Kunstuniversität Graz eröffnet ihr Hauptabonnement am 27. Oktober mit großem Orchester im Stefaniensaal. „Per aspera ad astra“ – vom Staub zu den Sternen – dient als geheimes Motto aller drei Komponisten dieses Abends, bei dem sich der französische Dirigent Marc Piollet als neuer Professor vorstellt.

Ludwig van Beethoven ringt sich eine große Ouvertüre für seine einzige Oper ab, Max Bruch gelingt mit dem ersten Violinkonzert der größte Erfolg seines Lebens und Dmitri Schostakowitsch führt seine fünfte Symphonie durch die Nacht zum Licht des finalen Triumphmarsches. Ob der vielleicht doch ein Todesmarsch ist, ist eine andere Geschichte …

Eine beeindruckende Karriere

Gut, Ludwig van Beethoven hat nur eine einzige Oper hinterlassen – den Fidelio. Dazu aber gibt es ganze vier Ouvertüren. Kein Geringerer als Felix Mendelssohn Bartholdy dirigierte 1840 im Leipziger Gewandhaus alle drei Leonoren und die Fidelio-Ouvertüre am Stück. Wenn Leonore II nun beim ersten großen Orchesterkonzert in der neuen Saison der Kunstuniversität Graz zur Aufführung kommt, liegt die Orchesterleitung ebenfalls in besonderen Händen. Der französische Dirigent Marc Piollet stellt sich mit diesem Konzert als neuer Professor für Orchesterdirigieren an der Kunstuniversität Graz vor.

Foto: Johannes Gellner
Foto: Johannes Gellner

Der 1962 in Paris geborene Künstler kann auf eine erstaunliche Karriere zurückblicken. Nach dem Studium an der Hochschule der Künste in Berlin und Meisterkursen bei John Eliot Gardiner, Michael Gielen und Kurt Masur führte ihn sein Weg über Halle und Kassel zur Volksoper Wien, wo er Musikdirektor war. Von 2004 bis 2012 wirkte Piollet als Generalmusikdirektor am Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Gastengagements führen ihn inzwischen an die bedeutendsten Opernhäusern der Welt, darunter die Opéra National de Paris, die Wiener Staatsoper und das Teatro Real in Madrid. Dort bat ihn Gérard Mortier unter anderem, das Dirigat in Peter Sellars spektakulärer Inszenierung von Tristan und Isolde zu übernehmen. Doch Mortier und Sellars sind nicht die einzigen Weltstars, mit denen Marc Piollet künstlerisch verbunden ist. Er arbeitete mit Anna Netrebko, Rolando Villazón, Piotr Beczała oder Annette Dasch, mit dieser und der Akademie für Alte Musik Berlin spielte er für Sony Mozart-Arien ein.

Unter Marc Piollet erwarten die Dirigierstudierenden zahlreiche vielversprechende Neuerungen. So wird durch einen umfassenden Ausbau der Mittel deutlich mehr Zeit mit professionellen Übungsorchestern zur Verfügung stehen. Dadurch kann in Graz eine Situation geschaffen werden, die europaweit nahezu einzigartig positive Bedingungen für Dirigierstudierende bietet. Der perfekte Auftakt für eine spätere Karriere!

Ein One-Hit-Wonder aus der Romantik

Das gilt auch für Jevgenijs Cepoveckis, der am 27. Oktober mit Max Bruchs berühmtem ersten Violinkonzert zu hören sein wird. Cepoveckis, der bereits in der letzten Saison beim Kammermusikkonzert !Zusammenspiel! im April mit dem Oberton Oktett auftrat, setzte sich im hausinternen Probespiel gegen acht (!) exzellente MitbewerberInnen durch – eine Vorstellung, die dem Komponisten des Violinkonzertes gar nicht behagt hätte. Max Bruch, selbst zu Lebzeiten ein hochgeschätzter Dirigent und Direktor der Liverpool Philharmonie, soll es gehasst haben, wenn Geiger mit seinem einzigen wirklich bekannten Violinkonzert vorstellig wurden. Es ist eben nicht der Popgeschichte vorbehalten, One-Hit-Wonder zu produzieren. Auch sonst hatte Bruch wenig Glück mit seiner Jahrhundertkomposition. Nachdem er die Rechte daran bereits längst (und viel zu günstig) an einen Verleger abgetreten hatte, versuchte er, kurz bevor er 82-jährig in Armut starb, noch verzweifelt das Manuskript zu Geld zu machen – und wurde selbst darum betrogen.

Foto: Johannes Gellner
Foto: Johannes Gellner

Stalin und die Sternenflotte

Eindrucksvoll ist auch die Geschichte des dritten Werks für diesen Abend: Dmitri Schostakowitsch‘ Symphonie Nr. 5. Mit seiner Oper Lady Macbeth war Schostakowitsch bei Genosse Stalin persönlich in Ungnade gefallen. Obwohl immer noch ein gefragter Filmmusikkomponist, lebte er von da an in Angst. Die brutale Säuberungspolitik, der „Große Terror“ der Jahre 1936 bis 1938, betraf zudem auch sein engstes familiäres Umfeld. Vor diesem Hintergrund entstand die für den Titel des Konzerts am 27. Oktober entscheidende Symphonie, deren fünfter Satz demselben Motto folgt wie die Sternenflotte in Star Trek: „Per aspera ad astra“ – vom Staub zu den Sternen. Ein Schelm, wer denkt, da sei Ironie im Spiel – oder gar Zynismus.

 

Per aspera ad astra
Ludwig van Beethoven: Leonore Ouvertüre Nr. 2 op. 72a
Max Bruch: Violinkonzert Nr. 1 op. 26 g-Moll
Dmitri Schostakowitsch: Symphonie Nr. 5 op. 47 d-Moll

Violine: Jevgenijs Cepoveckis
Orchester der Kunstuniversität Graz
Dirigent: Marc Piollet

Donnerstag, 27.10.2016, 19.30 Uhr
Grazer Congress, Stefaniensaal