Ab 18. Oktober präsentiert die Grazer Galerie Reinisch Contemporary mit „Teil 1“ eine Kooperationsausstellung zwischen Herbert Brandl und Edelgard Gerngross. „Achtzig“ traf den Maler im weststeirischen Schwanberg und sprach mit ihm über seine neuen Arbeiten, den Reiz der Kooperation und die Unnahbarkeit eines Künstlers.
Anstelle großflächiger Öl-Malerei ist nun eine völlig neue Seite Ihrer Kunst zu sehen. Was hat dazu geführt, mit Tuschefarben zu arbeiten?
Ich habe sie vor drei, vier Jahren in China für mich entdeckt. In der Zeit davor hat mir irgendetwas an ihnen nie so besonders gefallen. Sie waren mir zu fremd und zu abgeschlossen. Ich habe fast nur mit Aquarellfarben gearbeitet. Jetzt bin ich aber auf Tusche umgestiegen, da sie so extrem kräftig sein kann. Ich habe mich dann auch mit der chinesischen Tuschmalerei beschäftigt. Es geht hier viel um das Auswählen der Farben, des Papiers. Es ist ein anderes Arbeiten und hat mehr etwas von Produzieren. Es ist nicht die einsame Arbeit im Atelier, in der man sich alleinig auf die Leinwand konzentriert. Aus diesem Grund habe ich für die nun gezeigten Werke auch nicht mein Atelier in Wien genutzt. Dieses ist nur für die Ölmalerei geeignet. Für großflächige Ölmalerei. Es ist eine riesige Halle mit großen Wänden. Es ist eine ungeheure Belastung, diese großen Werke zu malen. Es ist wie eine Frontlinie, fast wie ein Schlachtfeld. Ich gehe dort nur hin, mache meine Arbeit – so konzentriert, wie ich es verkrafte – und bin dann sofort wieder weg. Ölmalerei macht einen irren Dreck. Vor allem in so großen Dimensionen. Die Tuschearbeiten sind in der Druckerei-Werkstätte im Burgenland entstanden. Es ist eine ganz andere Arbeit. Es stinkt nichts, gearbeitet wird mit wasserlöslichen Farben, alles geht ruhig vonstatten.
Die Leuchtkraft der Arbeiten ist schwer in Worte zu fassen. Es heißt, als Inspiration diente ein bestimmter Edelstein, der Opal.
Die neue Serie beschäftigt sich mit seinem Farbenspiel. Doch das ist ein sehr persönlicher Zugang von mir. Bilder lösen gerne Erinnerungen aus. Wenn ich die Bilder heute betrachte, kommt mir eben dieser Edelstein in den Sinn, aber er war nicht die Inspiration dazu. Ich beginne neue Arbeiten nie mit einer fixen Idee, ich habe auch kein fertiges Konzept. Ich versuche bestimmte Dinge, und bei den Versuchen bleibt hin und wieder etwas bestehen, bei dem ich mir denke: Hier könnte man weiterarbeiten.
Welcher Versuch führte zu der neuen Bilder-Serie? Sie wirkt so perfekt, als wäre sie bis ins kleinste Detail geplant.
Ich kam zur Idee über eine Arbeit mit dem Architekten Heidulf Gerngross. Ich habe mit ihm gemeinsam einen Tisch gestaltet. Meine Aufgabe war es, diesen mit Tusche zu bemalen. Wir haben ihn dann mit Epoxidharz versiegelt. Das hat schon sehr gut ausgesehen, war aber noch nicht perfekt. Wir haben dann begonnen, ihn immer wieder aufs Neue zu schleifen und zu versiegeln. Die Technik hat eine dritte Dimension als eine Illusion hinzugefügt. Er sah, wie nun auch die neuen Arbeiten, regelrecht dreidimensional aus.
Die neuen Arbeiten sind extrem aufwendig produziert. Wie funktioniert die Herstellung?
Das Fundament bildet ein stabiler Holzrahmen, auf dem ein Kalkgrund aufgetragen wird. Darauf habe ich dann mit chinesischer Tusche gemalt. Das Ziel war es, die Tusche lichtecht hinzubekommen, aber es hat seine Zeit gebraucht, bis wir die geeignete Technik dafür entwickelt haben. Viele Testversuche sind immer wieder verblasst. Auf das Tuschegemälde kommt eine erste Schicht Epoxidharz, ein modernes Kunstharz, das in der Kunst gerne verwendet wird. Durch mehrfaches Schleifen und Überstreichen bekommt es einen ganz besonderen Touch, es schimmert schlussendlich wie ein hochglanzpolierter Edelstein. Ich habe hier mit der Firma Chavanne&Pechmann, die normalerweise meine Lithografien produziert, zusammengearbeitet. Insgesamt wurden sieben Schichten Epoxidharz aufgetragen und geschliffen. Zum Schluss kam in einer Autolackierer-Werkstätte noch eine Lackschicht auf die Bilder. Es ist irgendwie ein richtiges High-Tech-Produkt entstanden. Es hätte vermutlich für eine Ausstellung gereicht, klassische Tusche-Bilder zu malen, aber es hat mich gereizt, dieses Projekt mit jemandem zusammen umzusetzen. Mit dieser Druckwerkstätte macht das einfach großen Spaß.
Nicht nur die Werke sind eine Kooperation. Auch die Ausstellung, in der diese präsentiert werden, ist eine. Was ist das Reizvolle an einer Kooperation im Gegensatz zu einer klassischen Einzelausstellung?
Die Einzelausstellungen sind mir mit der Zeit schon fast zu leicht gegangen. Da gibt es kaum Probleme. Gemeinschaftsausstellungen sind problematischer. Lange Zeit habe ich diese komplett ausgeklammert. Ich dachte mir, so etwas kommt gar nicht in die Tüte. Heuer jedoch hat es mich plötzlich gereizt. Ich hatte gar nie die Vorstellung, Einzelstatements von mir zu bringen, sondern es hat mich gereizt, meine Arbeiten im Verhältnis zu jemand anderem zu sehen. Wie komme ich damit zurecht? Bis jetzt war das nicht uninteressant. Ich möchte das Jahr nun zu Ende gehen lassen und dann ein Resümee ziehen, vielleicht in Form eines Katalogs, der alle Kooperationsausstellungen aus 2016 dokumentiert.
„Teil 1“ ist zugleich eine Gemeinschaftsausstellung mit Ihrer Lebensgefährtin. Ist das eine besondere Herausforderung? Oder macht es vieles einfacher, den Künstler so gut zu kennen?
Nein. Ein Künstler, auch wenn es meine Lebenspartnerin ist, bleibt immer ein Kosmos, den man nicht durchschauen kann. Ich komme nie dahinter, was da wirklich abgeht. Künstler sind einem nie so nahe. Sie sind wie Berge, die nebeneinander stehen. Bei einem fremden Künstler ist mir das von vorneherein klar, und ich will es gar nicht verstehen. In diesem Fall aber war es in der Tat eine besondere Herausforderung. Es ist immer schwierig, aus Lebenspartnerschaften eine Ausstellung zu kreieren. Die Idee zu Teil 1 stammt übrigens von Kurator Günther Holler-Schuster. Wir haben uns das nicht selbst ausgedacht. Der Kurator hat Kunstwerke ausgesucht, die Kontrapunkte in unserer Arbeit aufzeigen können. Die das Gegengewicht zwischen uns beiden ins Licht rücken.
Was gefällt Ihnen an der Kunst von Edelgard Gerngross?
Sie bewegt sich im Raum und kann Dinge perfekt in diesen setzen. Mit sehr poetischen und sehr feinen, oft gehäkelten oder aus dünnen Draht geflochtenen Objekten. Es sind Skulpturen, die vom Boden bis zur Decke wandern. Oder sie wachsen aus den Wänden, in Form eines Asts, auf dem ein gehäkeltes Deckchen hängt. Es sind sehr persönliche Arbeiten. Ich denke, ihre Arbeiten werden sich mit meiner neuen Serie sehr gut vermischen, aber wir haben es noch nicht getestet. Ob es funktioniert, sehen wir erst, wenn die Ausstellung aufgebaut ist.
Es dürfte allerdings nicht einfach sein, neben Bildern von Herbert Brandl zu bestehen?
Unsere Arbeiten wurden schon aufeinander abgestimmt. Es funktioniert ja nicht alles miteinander. Meine großformatige Malerei würde die ganz feinen, gitterartigen Dinge, die den Raum durchschneiden, einfach verschlucken. Es braucht hier Weite, um die Grafik sichtbar zu machen. Aus diesem Grund habe ich mich für kleine Formate entschieden, die aber dennoch bunt und kräftig sind. Sie lassen Platz für die Grafik im Raum.
Arbeiten Sie beide im selben Atelier?
Wir haben es versucht. Sie hat zwar immer gemalt und fotografiert, aber ihr fehlte der Raum. Sie wollte nie so richtig in die Gänge kommen. Ich arbeite ja sehr großformatig, brachial und mit pompöser Farbigkeit. Da ist es relativ schwer, neben mir im Atelier zu bestehen. Ich beanspruche alles für mich. Als Künstler musst du alles für dich in Beschlag nehmen – die Kunst ist schon irgendwie ein Egotrip. Seit einiger Zeit hat Edeltraud aus diesem Grund ein eigenes Atelier. Erst dadurch konnte sich ihre Arbeit entfalten. Ihre Kunst entwickelt sich nun wie ein Schneeball, der ins Rollen geraten ist. Für mich kommt nun raus, was sie über die Jahre hinweg ausgebrütet hat.