Gebetsteppiche üben auf Kunstinteressierte seit jeher speziellen Reiz aus. Außergewöhnliche Exponate sind aktuell in der Ausstellung „Übergänge“ bei Reinisch Contemporary zu erleben.
Text: Stefan Zavernik
Teppiche zu sammeln kann schnell zur Sucht werden. Vor allem dann, wenn man in ihnen, losgelöst von ihren dekorativen Eigenschaften, mit Ideen vollgesaugte Objekte erkennt. Gebetsteppiche sind hier ein Paradebeispiel, denn ihre allgemeine Multifunktionalität wird bewusst eingeschränkt und auf den religiös-spirituellen Bereich beschränkt. Ab Ende November ist ihr Mythos in der Ausstellung „Übergänge“, kuratiert von Günther-Holler Schuster, in der Galerie von Helmut Reinisch zu erleben.
„Ein Gebetsteppich ist mehr als ein Gebrauchsgegenstand, er ist ein spiritueller Raum. Denn egal wo ein Nomade sein Zelt aufgeschlagen hat, der heilige Ort, an dem er Richtung Mekka betet, ist stets bei ihm“, erklärt Reinisch. Gezeigt werden Stücke aus einer Zeitspanne von mehr als 500 Jahren. Die antiken Gebetsteppiche stammen aus Anatolien, dem Kaukasus und Marokko. Eines der großen Highlights der Ausstellung ist ein um die 500 Jahre alter „Siebenbürger“, ein Knüpfteppich aus Anatolien, der in Rumänien entdeckt wurde. Wie ein türkischer Teppich vor gut 500 Jahren nach Siebenbürgen kommt? „Siebenbürgische Seefahrer und Händler kamen über das Schwarze Meer zurück in ihre Heimat. Als Zeichen ihrer Dankbarkeit an Gott, die Seefahrt überlebt zu haben, hängten sie wertvolle Teppiche in die jeweiligen Kirchen.“
So unterschiedlich die Kulturkreise sind, aus denen die in der Ausstellung gezeigten Kunstwerke stammen, so unterschiedlich präsentieren sie sich auch in ihrer Ausführung. Einmal farbkräftig, leuchtend. Dann wieder zurückhaltend. Alle aber zeigen sich in ihrer Musterung relativ reduziert. Doch was erzählen uns die Knüpfkunstwerke eigentlich? „Als religiöser Ritualgegenstand ist ein solcher Teppich nicht nur Dekor, sondern er erfährt gleichsam eine geistige Überhöhung. Das in den Gebetsteppichen immer vorkommende und dominierende Element ist eine vertikal nach oben meist spitz zulaufende, üblicherweise rote, blaue, gelbe oder grüne Form, die das Zentrum darstellt und von Füllmotiven, Streumotiven und Bordüren begleitet wird. Diesem mit dem ,Mihrab‘ – dem heiligsten Ort der Moschee – gleichgesetzten Element kommt der Hauptteil sowohl der inhaltlichen als auch der formalen Bestimmung zu“, so Kurator Günther Holler-Schuster. Die Muster der Teppiche sind einmal Abrisse realer Moscheen, dann wieder abstrakte Darstellungen der Gebetsnische.
Übergänge. Gebetsteppiche aus Anatolien, dem Kaukasus und Marokko
Ausstellung läuft von 29.11.–22.12.
Reinisch Contemporary
Hauptplatz 6, 8010 Graz