Nach vielen Jahren stellte Erwin Wurm wieder in der Steiermark aus und zeigte im August 2014spektakuläre Arbeiten im Greith-Haus in St. Ulrich. Darunter auch das weltberühmte „Fat House“. „Achtzig“ traf den „Zauber-Künstler“, wie ihn Schriftsteller Gerhard Roth im Katalog zur aktuellen Ausstellung bezeichnet, zum Interview.
Seit Urzeiten gibt es nun wieder eine Erwin-Wurm-Ausstellung in der Steiermark. Was war für Sie der Grund, diese im Greith-Haus in St. Ulrich und nicht in einem der großen öffentlichen Museen in Graz zu machen?
Ganz einfach: Weil mich kein großes Museum in Graz gefragt hat. Wahrscheinlich mag mich Peter Pakesch einfach nicht. Ist aber auch egal. Es gibt Gott sei Dank viele andere, besonders auch im Ausland, die gerne mit mir arbeiten und meine Kunst ausstellen. Schlussendlich hat mich Gerhard Roth gefragt, ob ich nicht ins Greith-Haus kommen möchte. Da hab ich sofort zugesagt, denn ich stelle gerne in der Steiermark aus.
Sie gelten als internationaler Kunststar. In der Steiermark fordert man immer wieder internationale Kunst. Was unterscheidet Ihrer Meinung nach eine solche von provinzieller Kunst?
Heutzutage gibt es eine internationale Formensprache mit leichten regionalen Ausprägungen, im Grunde aber ziehen alle am selben Strang. Das Regionale ist aber, so glaube ich, etwas sehr Wichtiges. Früher war es absolut notwendig, ins Ausland zu gehen, damit man sich Gehör verschafft. Heute ist das nicht mehr notwendig. Viele aus meiner Generation sind, bis auf wenige Ausnahmen, in Österreich geblieben und hatten internationalen Erfolg.
In Graz stellt sich ein weiteres Mal die Frage nach einer Kunstakademie. Wie nachteilig sehen Sie es für Graz als Kunststandort, dass es, anders als in Wien, hier keine Akademie für angewandte Kunst gibt?
Sicher wäre es gut, wenn Graz eine solche Akademie hätte. Auf der anderen Seite lockt man viele junge Leute mit solch einer Ausbildung auch in eine Falle: Mit der bestandenen Aufnahmeprüfung an der Kunstakademie gibt man ihnen das Gefühl, oder die Zuversicht, eine Karriere als Künstler vor sich zu haben und damit glücklich zu werden. Die Realität schaut anders aus. Wie viele Künstler gibt es denn, die von ihrer Kunst gut leben können? Sehr viele machen trotz ihrer Ausbildung notgedrungen etwas anderes. Die wenigstens haben kommerziellen Erfolg.
Was wäre am dringendsten notwendig um Graz für Kunstschaffende fruchtbarer zu machen?
Noch wichtiger als eine Akademie wäre für Graz eine etablierte Galerienszene, die Sammlerpotenzial anzieht. Sammlerpotenzial für junge Leute, die dadurch Unterstützung abseits staatlicher Förderungen finden. Denn: Staatliche Förderungen finde ich sowieso falsch – durch sie macht man sich von einer politischen Richtung abhängig.
Sie meinten in einem Interview, dass staatliche Subventionen Künstler nicht nur abhängig, sondern auch „weltfremd“ machen würden.
Das hören natürlich viele nicht gern und denken sich: Der hat leicht reden! Ich hab aber schon in jungen Jahren gesagt, dass Subventionen trügerisch sind, da sie einen in Sicherheit wiegen. Künstler müssen dadurch den Politikern zu Gesicht stehen, um Geld zu bekommen. Künstler richten sich schlussendlich nach Gremien und Beiräten, die den Politikern vorgelagert sind. Das kann nicht zum Ziel führen. Man muss in einer Kunstwelt bestehen können, in der ein rauer Wind weht, und auf eigenen Füßen stehen, anstatt vom Staat gefördert zu werden.
Was brauchen Künstler, um einen fruchtbaren Boden vorzufinden?
1. Freiheit. 2. Ökonomische Möglichkeiten, die dadurch geschaffen wird, indem man Sammlern die Möglichkeit gibt, Kunst steuerlich abzusetzen. Dann würden viel mehr Leute Kunst kaufen. 3. Das Diskursive: Kunstzeitschriften, Foren, Podiumsdiskussionen. 4. Eine gute Galerienstruktur, die es in Wien zum Teil gibt. 5. Kunstvereine und eine Museumslandschaft, die junge Kunst ausstellt.
Warum gibt es Ihrer Meinung nach in Österreich keine steuerlichen Anreize dafür, Kunst zu sponsern bzw. zu sammeln?
Ich glaube, dass in Österreich die Politik ein System geschaffen hat, das Künstler von ihr abhängig macht. Künstler müssen alle nett zu Politikern sein, sonst bekommen sie nichts. Daher wird es von der Politik schon seit Jahrzehnten vermieden, Kunst steuerlich absetzbar zu machen, denn damit würde sie das Heft aus der Hand geben, und zwar an private Sammler und Förderer.
Abhängigkeiten entstehen doch auch bei privaten Förderern, oder nicht?
Ich persönlich denke, dass man bei der öffentlichen Hand eher in eine Falle tappt: Wenn sich ein Künstler bei der Politik beliebt machen muss, finde ich das von Grund auf verkehrt. Künstler sind dazu da, die Politik zu hinterfragen, kritisch zu beobachten und zu dokumentieren, aber nicht lieb zu sein, damit man was verkaufen kann.
Stichwort „verkaufen“: Sie selbst zählen zu den teuersten Künstlern Österreichs. Ist es ein gutes Geschäft, in Kunst zu investieren?
Naja. Da gibt´s immer verschiedene Möglichkeiten. Wenn man Glück hat beim Kauf eines Kunstwerkes, kann diese in Ausnahmefällen einen enorme Preissteigerung erfahren. Ich glaube aber nicht, dass der Zuwachs von monetärem Wert Sinn und Zweck vom Kunstsammeln ist. Das ist eine Begleiterscheinung in wenigen Ausnahmefällen.
Sind die Preise am Kunstmarkt Indikatoren für Qualität?
Preis und Qualität wiegen sich gegenseitig nicht auf. Ein Bild von Gerhard Richter, das 35 Millionen Euro kostet, ist nicht um 34 Millionen und 900.000 Euro mehr wert als ein Kunstwerk um 100.000 Euro von einem weniger berühmten Künstler. Der momentane Marktwert wird seit einigen Jahren von Auktionshäusern extrem gehypt. Mittlerweile sind Auktionsergebnisse für viele Künstler ein Damoklesschwert. Wenn ein Sammler ein Bild um 5.000 Euro kauft und dafür auf der Auktion nur mehr ein Zehntel davon bekommt, wird der Künstler nur sehr schwer seine Preise halten können.
Können Sie sich noch daran erinnern, was Ihr erstes Kunstwerk war, das Sie gekauft haben?
Das war, soweit ich mich entsinne, eine Fotografie von Arnulf Rainer.
Seit Kurzem engagieren Sie sich für einen Design-Wettbewerb des Möbelherstellers Neue Wiener Werkstätte. Wie eng stehen sich Design und Kunst?
Im Grunde sind die beiden Dinge etwas komplett anderes. Das eine ist zweckgebunden und das andere nicht. Kunst verfolgt keine Funktion. Aber es gibt großartige Designer, die auch einen großen Künstler in sich tragen. Ich finde es gut, wenn es junge Leute gibt, die sich bei einem solchen Wettbewerb bewerben und etwas erreichen wollen. Das schaue ich mir gerne an. Ich selbst habe aber keine Designambitionen. Ich hab zwar auch schon Möbel gemacht, diese bleiben aber im Kunstkontext, weil sie Ausgangsobjekte für performative Skulpturen sind.
Text: Stefan Zavernik