Der Frage, wie Kunstproduktion in einem politisch repressiven Staat möglich ist, ging eine Ausstellung der Steirischen Kulturinitiative nach. Zur Finissage findet ein Gespräch mit hochkarätig besetztem Podium statt.
Finissage
Are you still alive? – Voices of Conscience at a Time of Silencing
Statement: Isın Önol (Istanbul, Wien, New York), Kuratorin der Ausstellung „Are you still alive“. Im Anschluss moderiert die Schauspielerin Pia Hierzegger (Theater im Bahnhof u.a.) ein Gespräch mit Barbara Steiner (Leiterin Kunsthaus Graz) und Karl Stocker (Kulturwissenschaftler, Fachhochschule Joanneum, Graz), Günther Riegler (Kultur-Stadtrat).
Donnerstag, 20. April, 19 Uhr in der Burggasse 9 (ehem. Palais Dietrichstein), 8010 Graz
Die zum Schweigen Gebrachten
Die Schau beleuchtete die Problematik, welche Algorithmen man als Künstler in der Türkei in Zeiten der Veränderung bedienen muss, um in einem zunehmend unterdrückenden System zu überleben und weiter effektiv arbeiten zu können. Gezeigt wurden die Arbeiten absichtlich in keinem Museum, sondern im der Öffentlichkeit zugänglichen ehemaligen Palais Dietrichstein. Einem Haus, in dem Menschen, auch Flüchtlinge, Hilfe für menschenwürdiges Wohnen suchen. Künstlerische Interventionen also, die in die konkrete Raumsituation eingebunden wurden und die mit menschlicher Stimme und künstlerischen Antworten zur Erfahrung einer Zeugenschaft des Unaussprechbaren in einer Zeit des Schweigens Stellung beziehen. Kuratiert von Isın Önol und Michael Petrowitsch zeigten die Werke der Künstler Didem Erk, Berat Isık und Zeyno Pekünlü, die aus verschiedenen Landesteilen der Türkei stammen, vor allem eines: Es gibt keine allgemeine Sicht auf die aktuellen politischen Vorgänge in ihrem Heimatland. Vielmehr verdeutlichten die gezeigten Positionen einen unterschiedlichen Zugang zur gegenwärtigen Situation. Den Abschluss bildet nun eine Finissage mit hochkarätig besetzter Diskussionsrunde.
Politik und Poesie
Berat Isık beispielsweise bezog sich mit der in bunten Lettern auf eine Leinwand applizierten Frage „Are you still alive?“ auf ein gleichnamiges Werk des japanischen Konzeptkünstlers On Kawara und transformierte es auf seine Heimatstadt und die mangelnde Kommunikation zwischen den Bewohnern und dem Rest der Welt. Zeyno Pekünlü ließ in ihrer Arbeit Father of all Fathers eine Auswahl von Worten der großen Rede Atatürks im Parlament 1927 in gedruckter Form an einer Fahne durch sämtliche Stockwerke hängen und befreite die Rede dadurch von der eigentlichen Geschichte. Drastischer die Performance von Didem Erk: Am Tisch sitzend liest sie erst unzensierte Literatur, ehe sie die Seiten herausreißt, im Versuch, das Geschriebene in sich aufzunehmen und die zerkauten Seiten aus Ekel wieder auszuspucken. Diese Performance und viele weitere Videos und Installationen gaben einen vielschichtigen Einblick, wie man als Künstler mit sowohl politischen als auch poetischen Arbeiten auf diktaturnahe Umstände reagieren kann.
Die Künstler
Didem Erk lebt in Datça, einer kleinen Stadt in der Provinz Mugla im Südwesten der Türkei. Sie studierte an der Sabancı Universität „Visual Arts and Communication Design”. Berat Isık lebt in Diyarbakir, wo er Malerei an der Dicle-Universität studierte. In dieser Region haben sich die Lebensumstände dramatisch geändert und damit Einfluss auf die künstlerische Produktion genommen. Zeyno Pekünlü lebt und arbeitet als Lehrende an der Kültür University in Istanbul, hat Malerei an der Mimar Sinan Universität in Istanbul sowie an der Universität in Barcelona „Artistic Production and Research“ studiert.