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VALIE EXPORT: Multimediale Bemerkungen

VALIE EXPORT Foto: Johnny What Photography

VALIE EXPORT, ebenso facettenreiche wie radikale Künstlerin, erlangte mit aufsehenerregenden Performances Weltruhm. Eine umfangreiche Personale im Greith-Haus beleuchtet nun ihr reichhaltiges Schaffen.

Text: Wolfgang Pauker

Bevor Sie die Kunstwelt von Linz aus eroberten, besuchten Sie dort eine Klosterschule. Beeinflussten diese Erfahrungen Ihren Werdegang in der Kunst?

Die Klosterschule hat nicht nur in der Kunst, sondern überhaupt meinen Werdegang beeinflusst. Mich haben die Rituale der römisch-katholischen Kirche als Kind sehr fasziniert. Auch das Kulturelle, wenn auch religiös-kulturell, hat mich als Kind begeistert. Hat mich diese Religiosität später zwar nicht mehr angesprochen, so hat mich die Schule doch stark geprägt, weil ich in der Gemeinschaft der Schule begann, meinen eigenen Standpunkt zu suchen und meine eigenen Überlegungen zu tätigen. Und das konnte ich in der großen Gemeinschaft der Klosterschule sehr gut umsetzen. Da musste man sich durchsetzen, und zwar noch mehr als in der Familie.

VALIE EXPORT vor der Installation „Kalashnikov“ im Greith Haus in St. Ulrich.
Foto: Johnny What Photography

Wie stehen Sie generell zu Religion, speziell in einem Zeitalter, in dem der Glaube für die großen Konflikte dieser Welt steht?

Religionen sind für mich wirklich gefährlich und nicht zielführend. Weil sie eben die großen Kulturkonflikte provozieren. Wir haben durch die Aufklärung unsere Schritte gemacht, aber all die Länder, in denen Religion und Politik noch immer vermischt werden, sind eine Katastrophe.

1960, mit gerade einmal 20 Jahren, kamen Sie nach Wien. Speziell als Konzept- und Performancekünstlerin wohl keine Goldgrube.

Das war mir eigentlich nie wichtig. Ich habe mich nie wirklich um wirtschaftliche Dinge gekümmert. Auch diesen Kunstmarkt, wie es ihn heute gibt, hat es für mich damals nicht gegeben und ich hätte ja gar nicht wirklich Geld verdienen können mit meiner Kunst. Ich habe etliche Nebenjobs gemacht, ob auf Messen, beim Film usw. Verdienen mit der Kunst war nie ein Thema.

Im Kunstmarkt geht es sehr wohl darum. Was halten sie von der „Ware“ Kunst?

Der Kunstmarkt ist ein Scheinmarkt. Er wird hochgetrieben, weil die Kunstmärkte eine immer breitere Expansion erfahren. Es gibt natürlich viele Künstler, die es verdient haben, dass ihre Arbeiten gute Preise erzielen, aber im Großen und Ganzen sind die Preise viel zu hoch. Das führt auch die jungen Kunstschaffenden in die Irre, weil sie glauben, man kann schnell hohe Preise erzielen – was aber natürlich gar nicht stimmt. Man muss schon ein ziemliches Durchhaltevermögen haben, um davon leben zu können.

Ausstellungsansicht
Foto: Johnny What Photography

Ihr Name ist selbst ein Kunstwerk. Wieso wurde aus Waltraud Höllinger VALIE EXPORT?

Ich wollte weder den Namen meines Mannes noch den Namen meines Vaters haben und deshalb habe ich für mich einen eigenen Namen gesucht. Da ich meine Gedanken aus mir heraus exportiere, aus diesem Hafen hinaus in die freie Welt bringen wollte, entschied ich mich für EX-PORT. Raus mit den Ideen, mich selbst exportieren.

Heute hängen Ihre Arbeiten, ursprünglich auch als Kritik am kapitalistischen Kunstapparat gedacht, in jedem wichtigen Museum der Welt. Wollten Sie da eigentlich hin, in den Olymp der Kunstwelt?

Da wollte ich ganz sicher nie hin, es ist ganz einfach passiert. Aber es ändern sich auch die Museen über die Jahre. Natürlich macht es mich jetzt auch stolz, aber das Schöne ist für mich, dass die Werke in wirklich guten Museen hängen und dadurch auch entsprechend präsentiert werden. Und nicht in Sammlungen oder irgendwelchen Depots liegen.

Die Künstlerin mit dem Autor Gerhard Roth.
Foto: Johnny What Photography

Neben den großen Häusern dieser Welt ist es Ihnen aber auch wichtig, Einrichtungen wie das Greith-Haus abseits großer Ballungszentren zu bespielen. Wieso?

Weil Häuser wie das Greith-Haus oder das Kunsthaus Weiz Einrichtungen sind, die Kultur zeigen wollen, die Kunst aus den Städten hinaus in die Regionen bringen wollen. Das empfinde ich als sehr wichtig. Den kulturellen Ausdruck darf man keineswegs nur in den Städten haben, das muss auch nach außen getragen werden. Speziell beim Greith-Haus empfinde ich es auch als große Herausforderung, dieses eigenwillige Gebäude mit meiner Kunstausstellung zu füllen.

Ihr Vorlass wurde von Linz angekauft, ist nun Teil der Sammlung Lentos. Genug­tuung nach all den Anfeindungen, die Sie als Künstlerin in Österreich hinnehmen mussten?

Nein, Genugtuung ist das keine. Ich empfinde es eher als Selbstverständlichkeit, dass Österreich das macht. Ich bin natürlich sehr froh darüber, dass es nun Linz tat. Linz ist meine Geburtsstadt, Linz kenne ich sehr gut, und dass das Archiv in der alten Tabakfabrik untergebracht wurde, freut mich besonders. Dieses Gebäude hat mich durch seine Architektur schon früh beeinflusst und mich durch die wunderschönen Fassaden für die Architektur sensibilisiert. Besonders erfreulich ist auch, dass es sich nicht um ein starres Museum handelt, sondern meine Arbeiten für Forschungen zur Verfügung stehen und man hier Vergleiche anstellen kann, wie andere Künstler in anderen Ländern in den letzten 60 Jahren mit Minimalismus, mit Body-Art usw. umgegangen sind.

Ausstellungsansicht
Foto: Johnny What Photography

Sie gelten als Begründerin der Medienkunst. Wie stehen Sie zu „Neuen Medien“? Nützen Sie Facebook? Twittern Sie?

Nein, ich nutze weder Facebook noch twittere ich. All das interessiert mich offen gestanden auch gar nicht. Natürlich sind aber auch diese Medien Progressionen, denn Medien entwickeln sich einfach stätig weiter. Der Leinwandbegriff wird dadurch auch ein anderer. Und jede Weiterentwicklung des medialen Trägers ist natürlich interessant für mich als Künstlerin.

Performancekunst ist wieder sehr en vogue. Mit teils absurden Überhöhungen. Fürchten Sie, diese Disziplin könnte zu bloßem Entertainment verkommen?

Das stimmt, man sieht wirklich Ansätze, dass die Performance zum Ereignis verkommt. Aber ich glaube nicht, dass sich das in der Kunst nur mehr zum bloßen Entertainment entwickeln wird, weil es noch immer genügend Künstlerinnen und Künstler gibt, die sich sehr ernsthaft damit auseinandersetzen. Auch damit, was Performance meint.

VALIE EXPORT

Sie gelten auch als Wegbereiterin des feministischen Ausdrucks in der Kunst. Feminismus ist in der Popkultur momentan geradezu „cool“. Gefällt Ihnen das Bild der starken Frau, wie es jungen Mädchen von der Popindustrie vorgelebt wird?

Nein, dieses Bild des Feminismus ist wahrlich ein furchtbares und absolut abzulehnen. Weil es Feminismus ja nicht wirklich darstellt, sondern zu einer Mode verkommen lässt. Wenn die jungen Mädchen irgendwelche T-Shirts tragen, auf denen etwas von Feminismus draufsteht, dann wissen diese Mädchen ja oftmals gar nicht, worum es hier wirklich geht. Und sie fühlen sich auch nicht als Feministinnen. Deshalb bin ich strikt gegen diese oberflächliche Darstellung eines wirklich ernst gemeinten Feminismus, den viele hatten und glücklicherweise immer noch haben.

Zu sehen bis 13. August 2017 (Mi–So, 10–18 Uhr) im Greith-Haus, Kopreinigg 90, 8544 Sulmeck-Greith

Foto: Johnny What Photography

VALIE EXPORT

Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde die Wegbereiterin des experimentellen Films durch ihre aufsehenerregenden Performances: 1968 ließ sie mit ihrem „TAPP und TASTKINO“ Passanten im öffentlichen Raum ihre Brüste betasten. Die „Aktionshose : Genitalpanik“ zeigte die Künstlerin mit geöffnetem Schritt. Das Greith-Haus stellt die Künstlerin nun in einer umfassenden Personale vor. Ausgewählte Arbeiten – Fotos, Grafiken, Filme, Videos, Skulpturen und (interaktive) Installationen – aus mehreren Jahrzehnten zeigen, wie VALIE EXPORT immer wieder den eigenen Körper zur Kunstfläche erklärt und für feministische, gesellschaftskritische Statements eingesetzt hat.