Brillanter Realismus, perfekte technische Ausführung und scheinbar simple Inhalte sind es, die den Betrachter in Christoph Schmidbergers Werk sofort magisch hineinziehen. Man kann sich der glanzvollen Oberfläche und der erst auf den zweiten Blick hintergründig wirkenden und verunsichernden Bildwelt kaum entziehen.
Text: Günther Holler-Schuster
Schnappschussartig und aus dem alltäglichen Leben entnommen erscheinen die Szenen in Schmidbergers Bildern. Jugendliche, Kinder, Landschaften, Blumen, religiöser Wallfahrtskitsch – all das meist in gleißendem Licht dargestellt – bilden die Hauptelemente in diesen idyllisch anmutenden Schilderungen des allzu Gewöhnlichen. Es sind Buntstiftzeichnungen aus den letzten Jahren, die Christoph Schmidberger erstmals in der Galerie Reinisch Contemporary präsentiert. Der Künstler, der vor Kurzem erst die glamouröse Welt Hollywoods und den „endless summer“ Kaliforniens gegen die alpine Idylle der obersteirischen Einschicht eintauschte, präsentiert uns hier eine Bildwelt, die dem Hedonismus der 1990er Jahre entsprungen zu sein scheint. Unter der strahlenden Sonne Kaliforniens sind die Erinnerungen blass geworden. Schonungslos mutet das grelle Licht an – alles zeigend, verhüllt es doch den Abgrund, in den dieser Alltag gleich stürzen wird bzw. dem seine Protagonisten entsprungen erscheinen. Hohe Emotionalität, schwüle Erotik und der unmittelbar bevorstehende oder eben erst stattgefunden habende Tabubruch kündigen sich an bzw. bestimmen die Atmosphäre dieser Bilder. Das Tabu bezeichnet einen Punkt, an dem die erotische Energie sich zusammenballt und eine neue Qualität erreicht, meinte Georges Bataille.
Im Moment der Schönheit wird die Tragödie plötzlich spürbar. Schmidbergers Bilder gehen meist aus intensiven Fotositzungen hervor, in denen der Künstler die Szenen genau konstruiert. Es sind Klischeevorstellungen, die den inflationären Medien-und Werbebildern genauso zu entspringen scheinen wie den verbreiteten Bildmustern einer allgemeinen, privaten Schnappschussästhetik oder den gängigen Bildvorstellungen der Kunstgeschichte. In diesem Fall ist es egal, ob ein junger Mann einen kleinen Knaben im Arm hält oder eine junge Frau – man erinnert sich an die unzähligen stereotypen Madonnendarstellungen der Kunstgeschichte. So trägt die religiöse Komponente zusätzlich zur Verklärung der Szenerien bei und lässt Schmidbergers Realismus als einen magischen erscheinen. Es ist keinesfalls die sichtbare Welt, die der Künstler abbilden will. Vielmehr bringen seine Bilder eine andere, eine eigene Form von Leben hervor, indem sie das Alltägliche mit dem Grausamen zu einer Metaebene verschmelzen. Damit verlieren die Dargestellten auch ihre zur Schau gestellte Unschuld. Ähnlich wie der Glanz der Oberfläche in Schmidbergers Bildern oft in seiner fragmentarischen Gestaltung brüchig wird, kippen die dargestellten Szenen in eine enigmatische Realität, die im Imaginären bleibt. Eine ganz bestimmte Erzählung scheint dem Ganzen zugrunde zu liegen. Dessen Linearität ist aber nicht mehr entschlüsselbar. So bleiben Christoph Schmidbergers Bilder – egal ob Zeichnungen oder Gemälde – fragmentarische Splitter einer Erinnerung, Zeugnisse hoher Emotionalität und erotischer Aufgeladenheit.
Christoph Schmidberger im Interview
It is not like: „Look what can i do!“
Text: Stefan Zavernik
Mehr als real: Die Werke von Christoph Schmidberger sind Zeugnisse lyrischer Wirklichkeiten. „Achtzig“ sprach mit dem Künstler über Abstraktion auf den zweiten Blick.
Heute wird Ihre Kunst als lyrischer Realismus bezeichnet. Wie hat alles angefangen? Warum wurden Portraits für Ihre Arbeit zum zentralen Motiv?
Ich habe die realistische Malweise als Student an der Kunstakademie in Wien unter Hundertwasser für mich entdeckt. Sein Assistent hat mir damals empfohlen, mich intensiver mit Ölmalerei zu beschäftigen. Im Hinblick auf das Portraitieren von Menschen habe ich schnell ihre Vorzüge zu schätzen gelernt. Gerade in Hinblick auf eine realistische Malweise gelingt es gut, menschliche Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Meine Arbeiten sind mit der Zeit dann immer naturalistischer geworden – wobei mir die Bezeichnung „naturalistisch“ nicht wirklich gefällt, da meine Arbeiten auf den zweiten Blick doch sehr viele abstrakte Bereiche aufweisen …
… auf den ersten Blick hingegen muten Ihre Gemälde nahezu altmeisterlich an. Basiert dieser Effekt auf einer ähnlichen Maltechnik wie jener der Renaissancemaler?
Es gibt Dinge, die womöglich ähnlich passieren. Vieles aber unterscheidet sich. Ich arbeite zum Beispiel mit anderen Pigmenten. Auch was die Grundierung betrifft. Alte Meister wählten oft eine dunkle Grundierung, auf die sie dann Schicht für Schicht auftrugen, um ihre Bilder heller werden zu lassen. Meine Grundierung hingegen besteht immer aus einem extremen Neon-Gelb. Es verleiht den Arbeiten etwas Zeitgenössisches, ein ganz spezielles Leuchten. Gerade bei Naturmotiven, wie Wasser oder Laub, funktioniert diese Technik toll. Der vermutlich größte Unterschied aber liegt im abstrakten Wesen meiner Bilder.
In Ihrer aktuellen Ausstellung bei Reinisch Contemporary stehen Ihre Zeichnungen im Mittelpunkt. Sie wirken so realistisch wie Fotos.
Nur ein wenig ausgebleicht, von der Sonne. Als wären sie jahrelang in einer Auslage in L.A. ausgestellt gewesen.
Macht für Sie der Realismus selbst den Reiz an Ihrer Arbeit aus?
Im Gegenteil. Fotorealistisch zu malen, wie es in den 70er Jahren in Amerika Mode wurde, hat mich nie gereizt. Ich male nicht nach dem Motto: Look what i can do! Auch der Realismus war nie mein Anliegen, er dient mir nur dazu, gewisse Emotionen zu transportieren, die man anders nicht transportieren könnte. Ich male bestimmte Teile der Bilder bewusst unrealistisch. Die Wirklichkeit einfach nur abzubilden, wäre mir zu langweilig. Man muss auf die Zeichnungen in der Ausstellung zugehen, ihre Details beachten. Dann entdeckt man, dass sie im Grunde abstrakt sind. Den Reiz in meiner Malerei macht der Entstehungsprozess hinter den Bildern aus. Bis ich dort hinkomme, wo der Effekt, den das Bild hervorruft, ans Licht tritt, ist jedes Mal ein spannender Weg.
Wie kann man sich den kreativen Prozess von der Fotovorlage zur fertigen Arbeit vorstellen? Haben Sie schon eine fixe Idee, wie das Bild einmal aussehen wird?
Die Dinge entstehen auf gewisse Weise automatisch. Es ist schwierig, darüber zu sprechen. Vieles passiert rein intuitiv und entwickelt sich aus gewissen Vorlieben heraus.
Sie sprachen L.A. an, wo sie 15 Jahre Ihres Lebens verbracht haben. Was hat Sie damals als junger österreichischer Künstler an die West Coast verschlagen?
Ich war schon „amerikanisch“, bevor ich nach Amerika gegangen bin. In Österreich haben sie gesagt, meine Kunst sieht aus wie West Coast Art, da dachte ich mir, okay, dann ab in die USA. Ich war ein gutes Jahr in New York, als ich eine Ausstellung in L.A. machen konnte. Als ich dort ankam, wusste ich, das ist genau meines. 14 Tage später bin ich von New York nach L.A. umgezogen.
Und wie sehr hat Ihre Zeit in den USA Ihre Malweise geprägt?
Verändert hat mich Amerika als Künstler nicht. Meinen Stil hatte ich schon davor gefunden. Aber natürlich gab es Einflüsse, die meine Arbeiten geprägt haben. Ich interessiere mich sehr für Pflanzen, sie sind oft essenzielle Bestandteile meiner Motive. Von der Vegetation her war L.A. schon etwas Besonderes. Das sieht man auch auf meinen Bildern, die damals entstanden sind. Nun wieder in Österreich, wird es schwer, Palmen zu finden.
Die Grundlage Ihrer Bilder sind Fotografien, nach welchen Kriterien wählen Sie diese aus?
Ich male, was ich erlebe. Große Pläne und Konzepte hatte ich nie. Die ergeben sich dann erst im Nachhinein, womöglich auch nur aus der Sicht des Kurators, der eine Ausstellung von mir konzipiert. Meine Arbeitsweise ist sehr spielerisch. Meist sind die Menschen auf meinen Bildern und Zeichnungen Freunde oder Familienmitglieder – vieles ergibt sich einfach. Von den ursprünglichen Fotos ist meist nur mehr ein Ansatz im fertigen Kunstwerk zu finden. Ich verändere Dinge, dichte welche hinzu und verändere die Wirklichkeit so, wie ich sie mir vorstelle.
Wie viele Arbeitsstunden stecken in einer Zeichnung oder einem Bild?
Genau kann ich das nicht sagen. Aber der Arbeitsaufwand ist nahezu irrsinnig.
Eröffnung: 17. Oktober 2017, 19 Uhr (Ausstellungsdauer: bis 11. November 2017)
Galerie Reinisch Contemporary / Hauptplatz 6, 8010 Graz