In der Needle blinkt ein SOS-Signal mit dem Schriftzug „Maria“ und am Museumseingang steht ein Kapuzinerpater, der entschlossen ein Kreuz in die Höhe hält. Vom 13. April bis zum 26. August laden das Kunsthaus Graz und das KULTUM dazu ein, sich mit der Bedeutung von Religion und Spiritualität im heutigen Leben auseinanderzusetzen.
Text: Julia Braunecker
„Wer Wissenschaft und Kunst besitzt, hat auch Religion; wer jene beiden nicht besitzt, der habe Religion“, so pflegte Goethe einst in (religions-)kritischer Manier zu sagen. Doch Kirche und Kunst haben mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint: Beide gestalten Gesellschaft mit, stiften kulturelle Identität und provozieren Auseinandersetzungen darüber. Anlässlich ihres 800-jährigen Jubiläums veranstaltet die Diözese Graz-Seckau an markanten Orten in der Steiermark einen Ausstellungsreigen, der aktuelle Glaubensfragen thematisiert und einen Diskurs für Gesellschaft und Kirche im Jetzt eröffnet.
Zwei von fünf Ausstellungen gibt es auch im Zentrum der steirischen Landeshauptstadt zu sehen: Unter dem Titel Glaube Liebe Hoffnung haben sich das Grazer Kunsthaus und das Kultum zu einer Gemeinschaftsausstellung auf drei Flächen – zwei Ebenen im Kunsthaus und eine im Kulturzentrum bei den Minoriten – zusammengetan. Diese umfangreiche Ausstellung sucht nach möglichen Verbindungen zwischen weltlichen und kirchlichen Bereichen und nach Antworten auf die folgenden Fragen: Welche Aufgaben stellen die drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung an eine divers denkende und glaubende Gesellschaft heutzutage? Und welchen Wert haben Religion, Glaube, Spiritualität und deren Rituale in einer weitgehend säkularen Gesellschaft?
Licht- und Schattenseiten des Glaubens
Insgesamt über 50 Künstler und Künstlerinnen stellen ihre Werke zur Schau, darunter sind Projekte von Birgit Jürgenssen, Monica Bonvicini, Kris Martin, Danh Vo und anderen namhaften Künstlern zu finden. Die Bandbreite an Themen ist groß: Den Anfang macht im Kunsthaus ein Werk des algerisch-französischen Künstlers Adel Abdessemed. Dieser überlagert über 3.000 Zeichnungen, die er aus den Symbolen der Religionen nimmt, und verwebt sie zu einem flimmernden Ornament. Der belgische Maler Luc Tuymans verarbeitet in seinen vermeintlich stillen Bildern die religiösen Bewegungen der Gegenwart, aber auch fanatische Strömungen als deren Kehrseite.
Die Wiener Künstlerin Iris Andraschek platziert eine Zeichnung aus der Grazer Notschlafstelle unter die Schutzmantelmadonna aus dem 14. Jahrhundert. Und das Künstlerpaar Muntean/Rosenblum zeigt in seinen großformatigen Bildern Sehnsuchtsgesten Jugendlicher. Weitere Werke setzen sich auf kritische Weise mit dem Thema der Schuldgefühle im christlichen Glauben auseinander. Muntean/Rosenblum drehten Anfang März auch einen Film im Speisesaal des Priesterseminars mit merkwürdig weiß gekleideten Figuren, die sich unter die Essenden mischten. Er thematisiert eine amerikanische TV-Serie, die stark religiöse Motive aufgreift wie Schuld, Stellvertretung und Sühne. GUILT (Schuld) schreibt die Künstlerin Monica Bonvicini in großen Lettern auf die Fassade. Und Guillaume Bruère, der in der Alten Galerie viele „Nachzeichnungen“ getätigt hat, setzt dem ein kleines gelbes Lamm entgegen.
Eine gelungene Kooperation
Sowohl Kunsthaus als auch KULTUM und die Diözese Graz-Seckau profitieren trotz anfänglich kritischer Stimmen von der Kooperation. „Vonseiten des Kunsthauses war es zunächst wichtig zu klären, ob es Tabuthemen geben würde. Wir wollten bereits beim ersten Treffen herausfinden, ob Feminismus, Homosexualität oder andere Glaubensgemeinschaften einen Platz in einem solchen Jubiläum finden könnten. Die Aufgeschlossenheit unserer Gesprächspartner hat uns jedoch überzeugt, uns auf das Projekt einzulassen“, erzählt Barbara Steiner, die gemeinsam mit Katrin Bucher Trantow und Johannes Rauchenberger für die Ausstellung kuratorisch verantwortlich ist.
Im Zuge der Vorbereitungsarbeiten sei sie von Kritikern des Öfteren gefragt worden, weshalb sich das Kunsthaus auf eine Kooperation mit der Diözese Graz-Seckau eingelassen habe. Gerade das Aufeinandertreffen konservativer und fortschrittlicher Kräfte mache die katholische Kirche für zeitgenössische Künstler besonders interessant, entgegnete die Leiterin des Kunsthauses. „Grundkonzept des 800-jährigen Jubiläumsjahres der Diözese Graz-Seckau ist es, historisch starke Orte (neu) zu befragen oder auch zu verändern – mit alter und mit neuer Kunst. Im Kunsthaus ist beispielsweise auch historische christliche Kunst zu sehen. „Mich interessiert dabei besonders, ob in der Neudefinition von ‚Glaube Liebe Hoffnung’ durch zeitgenössische Kunst etwas zurückleuchten kann auf ihre einst religiöse Bedeutung“, sagt Rauchenberger.
Glaube Liebe Hoffnung im Kunsthaus Graz und Kultum
Fr, 13. April – So, 26. August 2018
Eröffnung: Donnerstag, 12. April 2018, 18 Uhr Kunsthaus Graz, 19 Uhr Kultum
Kunsthaus Graz, Lendkai 1, 8020 Graz
Kulturzentrum bei den Minoriten, Mariahilferplatz 3, 8020 Graz