Die HYPO Steiermark fördert in vielfältiger Weise Kunst und Kultur. Im Bereich der klassischen Musik geht das Engagement aber weit über Sponsoring hinaus. Nachhaltige Entwicklung ist das Ziel. Ein Gespräch mit HYPO Steiermark Generaldirektor Martin Gölles über modernes Mäzenatentum.
Text: Wolfgang Pauker
Die HYPO Steiermark pflegt Kulturpartnerschaften mit Markus Schirmers Festival ARSONORE und dem Spitzen-Cellisten Friedrich Kleinhapl. Worauf kommt es Ihnen beim Kultursponsoring an?
Als Sponsor muss man den Künstlern Vertrauen schenken und eine langfristige Entwicklung zulassen. Das Festival ARSONORE lief heuer beispielsweise im vierten Jahr und war erstmals fast ausverkauft. Mit Friedrich Kleinhapl verbindet uns schon seit 2002 eine Partnerschaft, und heute spielt er umjubelte Konzerte auf der ganzen Welt. Und man muss mutig sein, um Neues zu ermöglichen. Ein Land wie Österreich hat in der Geschichte schon gezeigt, welch großartige Künstler es hervorbringen kann, und zwar in allen Genres – von der Musik über die Malerei bis zur Literatur. Aber alle hatten Förderer, die ihnen den Rücken freihielten für ihre außergewöhnliche Entwicklung. Und die beiden Künstler, die wir unterstützen, bringen auch Mut mit, um wirtschaftliches Risiko auf sich zu nehmen und Neues entstehen zu lassen. Wir sind der Partner, der hier mithilft. Garantie, dass alles gut geht, haben aber weder wir noch die Künstler.
Wie viel künstlerische Freiheit muss der Mäzen bereit sein zu geben?
Eine wesentliche Komponente einer funktionierenden Partnerschaft ist Vertrauen. Ein Eingriff in die künstlerische Freiheit ist für uns ebenso wenig Thema wie die Frage, ob es kommerziell verkaufbar ist. Das darf nie der Fall sein. Die Auswahl des Künstlers ist die eigentliche Basis dafür, dass man in der späteren Zusammenarbeit und der Verwirklichung des künstlerischen Programms kein Problem bekommt. Sprich: Ich muss im Vorfeld als Sponsor sehr genau definieren, welche Wertewelt mein Unternehmen hat und wie kompatibel diese Werte mit der geförderten Kunst sind. Im Falle der Musik, insbesondere der klassischen Musik, sehe ich hier kaum Probleme, weil man als traditionelle Regionalbank mit dem Fokus auf konservative Werte der Künstlerin oder dem Künstler in diesem Bereich relativ viel Freiraum lassen kann. Die HYPO Steiermark ist hier, denke ich, ein sehr fairer Partner, der einen gemeinsamen Weg gehen will, der nicht behindern, sondern die künstlerische Weiterentwicklung forcieren will.
Ist das im Bereich der bildenden Kunst, wo man sich ebenfalls engagiert, schwieriger?
Natürlich gibt es Kunstrichtungen, bei denen man sich schwerer tut, wo Provokationen durchaus im Bereich des Möglichen sind. Es liegt uns aber auch dort fern, in irgendeiner Weise in die künstlerische Gestaltung Einfluss zu nehmen. Auch im Bereich der bildenden Kunst gehen wir Partnerschaften ein, wie etwa mit der styrianARTfoundation, in denen wir die Freiheit geben, innovativ zu sein. Die Frage ist aber natürlich schon, ob der Sponsor hier grenzenlos die Freiheit weitergeben darf oder nicht. Und die Antwort ist auch in diesem Fall: vorher gut auswählen, um später keine bösen Überraschungen zu erleben.
Bei Friedrich Kleinhapl wirkt man durch Auftragswerke aber doch indirekt am künstlerischen Programm mit?
Wir sind zwar Auftraggeber bei Friedrich Kleinhapl was die Konzertreihen „About Brahms“, „About Bartholdy“ etc. betrifft, aber dabei geht es uns ausschließlich um die Präsentation von großartigen Komponisten in einer innovativen Form, nämlich gepaart mit Lesungen. Wie der Künstler Kleinhapl das Programm umsetzt, liegt allein bei ihm und überrascht uns meist selbst. Es entspricht aber stets genau unserer Wertewelt, ist hochklassig und einzigartig, und damit können sowohl der Künstler als auch wir als Mäzen punkten. Und das Feedback unserer Kunden bestätigt das auch.
Warum entschied man sich, mit Markus Schirmer die Eggenberger Schlosskonzerte neu zu interpretieren?
Ziel des Festivals ARSONORE ist es, sowohl Musik neu zu interpretieren als auch jungen Künstlerinnen und Künstlern im Wechselspiel mit renommierten Musikerinnen und Musikern den Weg in die Internationalität zu ebnen. Und das kann für uns als Bank, die ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrnimmt, nur der richtige Weg in die Zukunft sein.
Wie passt die Experimentierfreudigkeit der Künstler zu einem traditionellen Bankhaus?
Das Experiment, etwas Neues zu machen, liegt meines Erachtens nach darin, dass die Künstler sich nicht nur mit dem Bewahren beschäftigen wollen, sondern mit der Weiterentwicklung und der Interpretation. Beide Musiker, Schirmer und Kleinhapl, sind wahnsinnig visionäre Menschen und das passt auch gut zu uns als Bankhaus. Denn auch wir interpretieren unser Geschäft immer wieder neu und wissen, dass die Zeiten einem Wandel unterliegen. Hier liegt ein weiteres verbindendes Element. Denn wir wollen, dass auch die Künstler ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft wahrnehmen, indem sie Kunst weiterentwickeln.
Wie viel Input kommt von den Künstlern zurück ins Unternehmen?
Unsere Kulturpartnerschaften sind geprägt von einem regen Austausch. Sie fordern uns und geben uns neue Denk- und Sichtweisen auf unser eigenes Geschäft. Ob das ein Cello ist, das man vom Aufbau, von den Saiten bis zum Bogen ständig weiterentwickeln kann, wie es wohl niemand so intensiv und innovativ tut wie Kleinhapl, oder das Bankgeschäft, das Veränderungen unterliegt und ständig verbessert werden kann. Man muss sich jeden Tag neu interpretieren und neu erfinden. Und das lernen wir von den Künstlern. Die alte Musik in die Zukunft zu führen, schlägt auch eine Brücke zu uns als Bank, denn auch wir wollen in die Zukunft schreiten.
Wie fördert die öffentliche Hand?
Wie wichtig ist Kultursponsoring aus der Wirtschaft für die kulturelle Vielfalt in der Stadt?
Private Initiativen – wie insbesondere von Industriebetrieben, Banken, Versicherungen – sind ein ganz wichtiger Bestandteil der Kulturfinanzierung. Kulturarbeit kann nur in den seltensten Fällen voll kostendeckend sein – daher bedarf es einer gemeinsamen Anstrengung der öffentlichen Hand und privater Investoren, um insbesondere innovative künstlerische Arbeit zu unterstützen.
Greift die Stadt Graz bei geförderten Projekten in die künstlerische Freiheit ein?
Nein, die Stadt Graz vergibt Projekt- und Mehrjahresförderungen auf Grundlage von Empfehlungen der Fachbeiräte. Diese sind mit unabhängigen Top-Expertinnen und -Experten der jeweiligen Sparten besetzt. In aller Regel folge ich als Kulturreferent diesen Empfehlungen, eine inhaltliche Einflussnahme auf die Projektanträge gibt es nicht.
Meister-Cellist Friedrich Kleinhapl: Kreative Sichtweisenwechsel
Freiheit der Kunst vs. Mäzenatentum – wie funktioniert dieser Spagat aus der Sicht des Künstlers?
Das Verhältnis zwischen Mäzen einerseits und dem Künstler andererseits ist sehr spannend – es ist aus meiner Sicht absolut symbiotisch, ganz gleichgültig ob der Mäzen eine Einzelperson, eine Institution oder die Gesellschaft ist: Denn nicht nur die Kunst ist auf Unterstützung angewiesen, umgekehrt benötigt die Gesellschaft das Kreativlabor der Kunst, um sich weiterentwickeln und um sich auf die Veränderungen, die täglich stattfinden, einstellen zu können. Kunst ist in diesen Prozessen eine Notwendigkeit, um neue Räume zu öffnen, die Grenzen zu verschieben, neue Denkmöglichkeiten anzustoßen. In dem Moment, wo man ihr die Freiheit nimmt, würde sie genau diese Kraft verlieren und zur inhaltslosen Hülle verkommen. Kunst, die man einschränkt, ist wie ein Samson, dem man die Haarsträhne, die ihm übernatürliche Kräfte verleiht, abschneidet.
Können verschiedene Sichtweisen beide Seiten inspirieren?
Genau dieser Prozess ist in der Kulturpartnerschaft mit der HYPO Steiermark sehr spannend zu erleben. Einerseits ermöglicht sie für mich Experimente, andererseits ist das Image des Experimentierens gerade für eine Bank ein schwieriges Thema. Offenheit, neue Wege einzuschlagen, ist für mich als Künstler fundamental notwendig, eine Bank steht jedoch für Kontinuität. Und wie weit ist auf der anderen Seite die Offenheit für Neues bei einer Bank gegeben, in der sich die alten Mechanismen zusehends überholt haben? Da wird es also auch für die Bank wieder interessant. Hier entsteht ein extrem inspirierendes Spannungsfeld. Darüber hinaus findet auch ein emotionaler, ein empathischer Austausch statt, den ich sehr schätze.
Hätten Sie sich als Künstler ohne die Partnerschaft radikaler entwickelt?
Nein. Denn ohne die Kulturpartnerschaft wären zahlreiche Dinge wie die literarisch-musikalischen Projekte, zu denen meine Frau Heidrun Maya Hagn die Texte schreibt, oder meine jüngste CD Gulda meets Schostakowitsch aus rein materiellen Gründen gar nicht zustande gekommen. Ein ganz konkretes Beispiel sind auch die Bögen, die ich spiele. Sie wurden für mich in einem jahrelangen Prozess speziell entwickelt, meine Spielweise, meine Tongebung, meine Interpretationen – alles hat sich dadurch massiv verändert. Ohne die Kulturpartnerschaft wäre dieser Prozess nicht machbar gewesen.
Markus Schirmer, künstlerische Leitung ARSONORE: Mut zur Innovation
ARSONORE vereint arrivierte Künstlerinnen und Künstler und vielversprechende Nachwuchstalente. Ist ein mutiges Konzept wie dieses bei der Sponsorensuche hinderlich?
Im Falle der Kulturpartnerschaft mit der HYPO Steiermark überhaupt nicht. Ich bin von Anfang an auf offene Ohren gestoßen und habe offene Herzen gespürt und gerade dieses Konzept, das sehr innovativ ist, wurde von unserem Hauptsponsor als spannend und vor allem nachhaltig eingestuft. Wenn der Sponsor oder Mäzen auch künstlerisch denkt – und das ist wirklich eine Seltenheit –, dann kann man ohne Einsprüche, ohne Maßregelungen, die einen in eine gewisse Richtung treiben sollen, arbeiten. Wenn man gemeinsam an ein Konzept glaubt, an einem Strang zieht, dann ist das für das Gelingen eines Festivals wie ARSONORE das Allerwichtigste.
Würden Sie sich in das Programm überhaupt Einmischung erlauben?
Das ist eine schwierige Frage. Wenn jemand künstlerisch sehr versiert ist, was man aber von einem Sponsor nicht im Ausmaß eines ausgebildeten Musikers erwarten kann, dann ja. Aber ich habe auch das Gegenteil bereits erlebt, so wie viele Künstler vor mir, bis zurück in die frühe Mäzenatenzeit, wo man praktisch ein Leibeigener eines Fürsten war, der nur Geld gab für etwas, das ihn persönlich interessiert hat. Das ist gefährlich und umso wichtiger ist es, schalten und walten zu können, weil der Partner, in dem Fall die HYPO Steiermark, an mich glaubt. Heraus kommen dann Programme, die wie heuer zu einer fast 100%igen Auslastung geführt haben. Was man aber auch nicht immer erwarten kann. Auch da muss man am Boden bleiben.
Ist absolute Meisterschaft in der Kunst ohne Mäzen überhaupt möglich?
In einem mutigen Konzept wie dem unsrigen sicher nicht. Wir sind ein neues Festival und gehen einen anderen Weg als alle anderen und haben über die letzten vier Jahre etwas wirklich Tolles aufbauen können. Und dazu braucht man eben auch einen mutigen und auch geduldigen Sponsor, der nicht nur ein Jahr dabei ist nach dem Motto „Schauen wir uns das einmal an“, sondern an die Nachhaltigkeit glaubt. Und das tat die HYPO Steiermark und deshalb hat sie an dem Erfolg sehr großen Anteil. Denn Entwicklung braucht Zeit und ein guter Sponsor begleitet einen auf diesem Weg.