Wen angesichts des heranrückenden Winters das Fernweh packt, kann mit der aktuellen Ausgabe der manuskripte im Kopf verreisen.
Text: Wolfgang Pauker
Ende November präsentierten Alfred Kolleritsch und Andreas Unterweger im Haus 3 des Grazer Schauspielhauses die 222. Ausgabe der Literaturzeitschrift manuskripte mit Lesungen von Arnold Stadler und Andrea Winkler. Schauspielerin Susanne Konstanze Weber las Lyrik von Kornelia Koepsell, Ursula Krechel und Max Sessner. Inhaltlich bietet die aktuelle Ausgabe eine literarische Reise um die Welt. So folgt man etwa Arnold Stadler zum Kilimandscharo und an andere Sehnsuchtsorte, streift mit Leopold Federmair durch die Gegend von Takehara (in Japan), mit Rosa Pock durch die stadt der müßiggänger oder schaut mit Jan Volker Röhnerts Gedichten durch Teheran-Fenster. Die ganze Ambivalenz des Exotischen zeigt sich auch in Milena M. Flašars (Österr. Buchpreis Shortlist 2018) Erzählung Ferngespräch, in der sie sich auf die Spuren von Exilanten begibt – von der Kaspar-Hauser-Variation der französischen Avantgarde-Dichterin Laure Gauthier ganz zu schweigen.
Hochkarätige internationale Beiträge
Ebenso bunt gemischt ist die Liste der Beiträge von Autorinnen und Autoren aus insgesamt sechs Ländern: So finden sich internationale Literaturstars wie Büchner-Preisträger Arnold Stadler oder Ursula Krechel (Dt. Buchpreis 2016) neben nationalen Größen wie Andrea Winkler und Lydia Mischkulnig oder Newcomern wie der Grazerin Silvana Cimenti (manuskripte-Förderpreis der Stadt Graz 2018). Weiters bespricht die Germanistin Alexandra Millner Thomas Antonics Wolfgang-Bauer-Biografie und Literaturhauschef Klaus Kastberger Flašars Roman Herr Kato spielt Familie. Mit an Bord ist mit Rui Nunes auch eine überraschende Neuentdeckung: Der arrivierte portugiesische Autor lebt seit Jahren vom hiesigen Literaturbetrieb unbemerkt in St. Pölten. Seine in dieser Ausgabe veröffentlichten Prosastücke sind seine erste Publikation in Österreich.
manuskripte-Förderungspreis
Verliehen wurde auch der manuskripte-Literaturförderungspreis der Stadt Graz an die 1981 in Wolfsberg geborene und seit 1999 in Graz lebende Silvana Cimenti, die dank ihrer wissenschaftlichen und vermittelnden Tätigkeit im Literaturhaus Graz und am Franz-Nabl-Institut der kunstinteressierten Öffentlichkeit der Stadt schon seit Jahren bekannt ist. Dass sie auch selbst höchst versierte Prosa zu schreiben versteht, darf als die erfreuliche Überraschung des Grazer Literaturjahres gelten. In der Jurybegründung heißt es: „Der Grazerin Silvana Cimenti gelang das Kunststück, die manuskripte-Redaktion gleich mit ihrer ersten Einsendung zu überzeugen. In einem Auszug aus ihrem Romanprojekt Die Reste meines Gestern liegen immer noch im Kühlschrank beeindruckte sie durch ihre reflektierte und dicht komponierte Erzählweise.“ Cimenti zeigt sich dankbar wie erstaunt: „Dank des Preises werde ich mich in den kommenden Monaten nach Rumänien aufmachen, um den Ort zu suchen, der bis dato nur in meinem Kopf existiert. Mein Romanprojekt Die Reste meines Gestern liegen noch immer im Kühlschrank wird in ein Morgen getragen“, so die Preisträgerin, und weiter: „Mit meinem Manuskript Teil der manuskripte zu sein, von Fredy und Andreas Platz, Raum bekommen zu haben – noch immer ist da der Drang, mich zu vergewissern, nachzublättern, ob es sein kann, wirklich ist.“ Die Vergabe des jährlichen Preises, der mit 2.200 Euro dotiert ist, erfolgt auf Empfehlung von manuskripte-Herausgeber Alfred Kolleritsch, seit 2016 wirkt auch Mitherausgeber Andreas Unterweger entscheidungsfindend mit. Der Preis soll Autoren und Autorinnen in ihren Anfängen unterstützen und bestärken.