Ein elegantes Spiel zwischen Schwere und Leichtigkeit erwartete die Besucher der Ausstellung „Mehr Feuer in die Kunst”. In seinen Werken verbindet Nikola Markovic´ gekonnt feine Ironie mit malerischer Fertigkeit.
Text: Lydia Bißmann
Nikola Markovic´ ist Mitglied von ULUS (Verein der Maler in Serbien) und auch der erste Preisträger des Preises für junge Maler in der Organisation Nis Art Verein. In Österreich war er bisher erst einmal zu sehen. „Ich habe ihn nicht entdeckt – er hat mich gefunden. Bei mir stellen sich viele vor, ich schau‘ mir vieles an – manchmal zündelt es halt”, begründet Kurator Johannes Rauchenberger die Entscheidung, die erste Ausstellung im kommenden Jahr einem noch recht unbekannten Künstler zu widmen. „Was ich immer gerne in der Kunst habe, ist Leidenschaft für etwas. Die ist hier deutlich zu spüren. Seine Kunst ist schwer und leicht zugleich. Man kann darüber lachen, obwohl sie teilweise auch sehr tiefgründig daherkommt. Er persifliert etwas und auf der Rückseite dieses Persiflierens bringt er diese Ernsthaftigkeit mit hinein. Außerdem kann er einfach verdammt gut malen.“
Was will die Kunstpolizei?
Ein Teil der Schau besteht aus einem Zyklus, den Markovic´ für sein Doktorat an der Fakultät für Bildende Künste in Belgrad angefertigt hat. Hier lässt er Polizisten, die mit Schutzschildern ausgestattet sind, an denen die Aufschrift „Kunstpolizei“ zu lesen ist, auf gezeichnetes Feuer treffen. Ganz bewusst hat er sich dabei für die deutsche Sprache entschieden. Ein Gebäude mit der Aufschrift „Kunst“ steht ebenfalls in Flammen. Ob die Polizisten das Feuer selbst gelegt haben oder ob sie es löschen möchten, ist dabei nicht zu erkennen. Der Titel der Reihe Die Hüter der Flamme. Entweder mehr Feuer ins Bild oder das Bild ins Feuer hilft hier nicht wirklich weiter. Aber er macht klar, worauf der Künstler hinaus möchte. „Markovic´ geht den Umweg über die Kunstaktion. Die sogenannte Kunstpolizei sagt, was Kunst ist und was nicht – gleichzeitig thematisieren diese Zeichnungen das Demonstrieren oder vielleicht bald Nicht-mehr-Demonstrieren und die damit verbundene Frustration. Das sagt etwas über unsere Zeit aus. Unsere Gesellschaft beginnt sich latent zu radikalisieren. Zumindest gefühlsmäßig. Das ist an diesen Bildern leicht zu merken.“ Begleitet wird der Feuer-Zyklus von einer Videoinstallation, die wirkliches Feuer live aus dem Künstleratelier in Belgrad überträgt, und von Gittern, die an Straßensperren erinnern.
Nonverbale Sprache auf vielsagendem Schwarz
Den erhobenen Zeigefinger sucht man im Werk von Markovic´ aber vergebens. Er nimmt auch in der Titelvergabe selten eine eigene Haltung ein und lässt den Rezipienten damit viel Spielraum und Freiheit in der Betrachtung. Vor allem der dunkle Hintergrund, der sich in der Reihe Extracts from the nonverbal-Speech durch seine Darstellungen von menschlichen Gliedmaßen durchzieht, bietet Raum für Phantasie und Spekulationen. Und für Abgründe. Auf einem Bild taucht eine geöffnete Hand aus der dunklen Leinwand hervor. Es ist so angefertigt, dass man nicht wirklich sagen kann, ob es sich um Fotografie oder um sehr, sehr naturgetreue Malerei handelt. Irritierend ist nicht nur diese erste optische Unsicherheit, es poppen automatisch Gedanken an Menschen, die ertrinken oder betteln müssen, vor dem inneren Auge auf. Zwei weitere Bilder stellen in die Höhe gereckte, überlebensgroße Händepaare, die einmal die Handrücken und einmal die Handinnenflächen zeigen, dar. Der restliche menschliche Körper, zu dem diese Hände gehören, ist nicht sichtbar. Man muss gar nicht erst an eine Verhaftung oder Razzia denken, um ein mulmiges Gefühl beim Betrachten dieser Inszenierung zu bekommen. Schon die Gedanken an die heutzutage üblichen Verrenkungen bei einer standardmäßigen Flughafenkontrolle reichen dafür völlig aus.
Surreale Inszenierungen oder Realität?
Amüsanter ist ein surrealistisch anmutender, sich nach oben verjüngender Händeberg, der an Magrittes Verwirrbilder, an das Intro von Monty Python‘s Flying Circus, aber auch an den Kinderfresser im Film Pans Labyrinth, der nur mit Augäpfeln in den Händen sehen kann, erinnert. Etwas leiser, aber genauso berührend sind die Darstellungen von ineinander verschränkten Fingern, die unterschiedliche Hautfarben, aber dieselben, dunklen Trauerränder unter den Fingernägeln aufweisen. Auf einem Exponat sind die Umrisse dieser sehr intimen Geste mit einfachen Strichen nachgezeichnet. Das wirkt schwungvoll, aber auch zärtlich. Markovic´ spielt mit Symbolen und Gesten, die teilweise sehr konkret, meistens aber von tatsächlichen Handlungsinhalten befreit sind. Es ist eben das, was man nicht sieht, was im Verborgenen bleibt, was einem zum Schmunzeln, Zögern oder Kopfschütteln bringt. Auch Interaktion ist gefragt. In einem Raum lässt der Künstler die Besucher über ein gemaltes Meer an Köpfen gehen. Dafür muss man sich allerdings bücken und hat obendrein vier riesige Leinwände über sich, bei der sich auf jeder einzelnen zunehmend mehr nackte Füße befinden.
Die freigestellten Fußsohlen auf pechschwarzem Hintergrund duplizieren sich von Bild zu Bild. Wie böse Krankheitserreger unter einem Mikroskop. Nach unten treten und nach oben buckeln. Sollte es nicht besser umgekehrt sein? Obwohl es weder Rettungswesten, Schlauchboote oder weiße Transporter zu sehen gibt, ist es fast unmöglich, bei dieser schlichten, aber eindrucksvollen Inszenierung nicht an flüchtende Menschen und den Umgang anderer damit zu denken. „Markovic´ kommt auf den Punkt. Seine Bilder vermitteln ein Gefühl für die brodelnden, untergründigen Energien, die die Gesellschaft beschäftigen. Für Themen wie Migration, Macht, Unterdrückung und auch Armut. Er ist sowohl formal als auch im Suchen seines künstlerischen Weges überzeugend.“ Spätestens hier knüpft die Ausstellung an die Grundintention des Kultum, die Verbindung zeitgenössischer Kunst mit Kirche, an. Extracts from the nonverbal-Speech ist einige Jahre vor dem Flüchtlingsjahr 2015 entstanden, einem Jahr, in dem die katholische Kirche und ihre Institutionen mit Taten und Worten klarer als je zuvor ihre Stellung zu Menschlichkeit und Flucht untermauert haben und es immer noch tun. Und damit auch jenen Hoffnung gibt, die sich selber aktuell gar nicht auf der Flucht befinden.
Mehr Feuer in die Kunst: Nikola Markovic´
Kultum [Galerie], Mariahilferplatz 3/I, 8020 Graz
12.1 bis 9.3.19, Di bis Fr, 10–17 Uhr