Film-Regisseur, Entwickler von Fernsehformaten und Autor. Im Vorfeld zu seinem Auftritt mit Julia Stemberger im Greith-Haus in St. Ulrich bat „Achtzig“ den Geschichtenerzähler David Schalko zum Interview.
Text: Stefan Zavernik / Wolfgang Pauker
Eben lief Ihr neuestes Werk „M – Eine Stadt sucht einen Mörder“ im ORF. Sie zeichnet ein düsteres Bild unserer Zeit – und führt zugleich zu der Frage, ob die Realität nicht noch viel schlimmer ist, als man bisher angenommen hat. Ist sie es?
M versteht sich eher als eine Art traumwandlerisches Abbild einer Gesellschaft, die am Rande einer dunklen Wende steht. Es ist keine naturalistische Darstellung der Verhältnisse, sondern eine Art Schaudermärchen, eine Analogie zum „Schlafwandler-Bild“ von Broch. Es dekliniert einen entrückten Albtraum und versucht mit diesen „unvernünftigen Mitteln“ zu zeigen, wie fragil unsere aufgeklärte Gesellschaft ist und was darunter wabert.
Sie meinten einmal, jedem wohnt eine gute und eine böse Seite inne. Wie schaffen Sie es, Ihre böse zu unterdrücken oder leben Sie diese über Ihre Bücher und Filme aus?
Ich glaube nicht wirklich an die Begriffe Gut und Böse. Ich versuche, über meine Figuren nicht zu urteilen. Ich glaube, in uns allen steckt jede Geschichte, die als Mensch möglich ist. Zwischen Hitler und Jesus passt – so blöd es klingt – gerade Mal ein Blatt Papier.
Stereotype Politiker wie in der Serie kommen in ganz Europa an die Macht. Wo sehen Sie die Europäische Union in ferner Zukunft?
Ich hoffe vor allem, dass die Europäische Union eine ferne Zukunft hat.
Welchen Anteil haben die Medien an dieser Entwicklung?
Die Medien müssen sich den Realitätsbegriff wieder zurückholen. Wir leben in Zeiten, in denen Wahrheit und Lüge fast gleichwertig behandelt werden. Wir bewegen uns von der Aufklärung weg und bevorzugen das Narrativ, das uns in den Kram passt. Dahinter steckt eine Frustration, die viel tiefer geht, als es gängige Erklärungsmodelle wie Versagen der Linken oder Vereinzelung durch Leistungsgesellschaft begreifbar zu machen versuchen.
Sie selbst sind aus Facebook ausgestiegen. Denken Sie, dass soziale Netzwerke grundsätzlich zu nichts Wünschenswertem führen können oder haben sich diese einfach in die falsche Richtung entwickelt?
Ich glaube, dass sozial etwas damit zu tun hat, dass man sich auch körperlich begegnet. Alles andere ist Simulation und eine Pervertierung desselben.
Ihre TV-Formate passen auf den ersten Blick oft so gar nicht in den ORF, sind aber stets erfolgreich. Sind Sie selbst überrascht über die Freiheiten, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk Ihnen gibt?
Erstens sind meine Projekte selten erfolgreich, wenn man auf Quoten schaut. Ich glaube aber auch nicht an den primitiven Gedanken, dass Relevanz vor allem dadurch entsteht, dass sich möglichst viele Leute an einem Tag um eine gewisse Uhrzeit vor dem Fernseher treffen. Und was die Freiheit betrifft: Jede Freiheit muss man sich täglich neu erkämpfen. Das gilt im ORF genauso wie im echten Leben.
Sind bereits neue Projekte für den ORF im Entstehen?
Wir sind mit dem ORF wie immer im Gespräch. Aber im Augenblick ist nichts spruchreif.
Mit einigen Ihrer Formate ist es Ihnen gelungen, die österreichische Fernsehlandschaft regelrecht zu revolutionieren. Etwa mit der „Sendung ohne Namen“ oder „Willkommen Österreich“. Was braucht das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Zukunft, um junge Generationen anzusprechen?
Mut und inhaltliche Relevanz vielleicht. Aber was weiß ich. Ich bin ja nicht jung.
Gibt es für Sie eigentlich so etwas wie einen idealen Zustand, in dem Sie kreativ werden?
Geldnot. Nein, ich scherze. Ich glaube, es hat mit einer Art Dringlichkeit zu tun. Wenn die einem abhandenkommt, dann muss man keine Kunst mehr machen. Vielleicht ein angenehmer Zustand. Ich weiß nicht, was besser ist.
Schon jemals eine Schreibblockade gehabt?
Ich wünsche mir oft eine, dann würde man vielleicht seltener in die falsche Richtung abbiegen.
Neben Ihren TV- und Filmprojekten haben Sie sich auch als Roman-Autor einen Namen gemacht. Was gibt den Ausschlag, um eine Idee nicht zu verfilmen, sondern als Buch zu veröffentlichen. „Schwere Knochen“ etwa wäre wohl auch als Spielfilm ein Erfolg geworden.
Ach, dafür gibt es keine Rezeptur. Eher Umstände. Und die sind immer anders. Bei Schwere Knochen ist tatsächlich beides möglich. Mal schauen.
Wien scheint einer Ihrer bevorzugten Orte zu sein, wenn es darum geht, eine Geschichte umzusetzen. Ist es eine Liebesbeziehung?
Wien ist meine Heimat. Da gibt es viele Gefühlslagen. Liebe. Aber auch viel Abneigung. Heimat ist vermutlich das, wohin man immer wieder unfreiwillig zurückkehrt.
Mitte Mai werden Sie mit Julia Stemberger im Greith-Haus in St. Ulrich live zu erleben sein. Was zieht Sie in die Südweststeiermark?
Ich mag die Steiermark. Gerhard Roth hat mich gefragt. Und wenn einen Gerhard Roth fragt, dann denkt man nicht lange nach.
Schon einmal daran gedacht, Graz eine eigene Story zu widmen?
Um ehrlich zu sein, den Ansatz, die eigene Arbeit nach Städten zu sortieren, habe ich noch nicht verfolgt.
David Schalko und Julia Stemberger: M – Eine Stadt sucht einen Mörder
Filmabend mit Bühnengespräch am 11.5.2019, 20 Uhr, Greith-Haus, Kopreinigg 90, 8544 St. Ulrich im Greith, Tel. 03465 20200