Zu ihrem 100. Geburtstag gewährt die Grazer Urania Einblick in ihre Geschichte und die ihrer Gründer und Gestalter. Illustriert und begleitet wird dieser Rückblick mit Sonderveranstaltungen, Ausstellungen, einem Festakt und einer Publikation.
Am 14. März 1919 fand die Gründungsversammlung des Vereines „Urania Graz” statt. Seit hundert Jahren bietet die österreichische Urania für Steiermark in enger Zusammenarbeit mit Universitäten, Kultureinrichtungen und Museen Bildung und Weiterbildung für Erwachsene an. Obwohl die namensgebende „himmlische” Urania die Muse der Astronomen ist, legte man in Graz den Fokus der Bildungseinrichtung von Anfang an auf Kultur. In der Zwischenkriegszeit war die Urania fast die größte Konzertagentur der Stadt. Als Vereins-Volkshochschule finanzierte sie sich durch Mitgliedsbeiträge und zu jener Zeit zu einem Großteil aus den Einnahmen von Musik- oder Filmvorführungen. Unzählige Besucher strömten in die Kinos, um das neue Medium Film in Form von Dokumentationen zu erleben. Ein eigenes Urania-Quartett füllte in der Zwischenkriegszeit Konzertsäle im In- und Ausland mit Kammermusikvorführungen. Die Festveranstaltung im Mai, wo die Sonate für Violine und Klavier von Eberhard Harnoncourt-Unverzagt, dem Vater von Styriarte-Gründer Nikolaus Harnoncourt, aufgeführt wird, soll an diese Epoche erinnern. In der Jubiläums-Vortragsreihe, in der aktuell gebliebene Themen aus den Anfangsjahren wieder aufgegriffen werden, widmet sich ein Termin dem Thema „Graz als Musikstadt”.
Kunstvermittlung in der Nachkriegszeit
Nach dem Anschluss an das Deutsche Reich 1938 musste die Bildungseinrichtung ihre Pforten schließen. Neun Jahre später nahm sie ihre Arbeit unter der Leitung von Wolfgang Johann Schaukal wieder auf. Der damalige Direktor war selbst Grafiker und Maler, ein Auszug seiner Werke wird ab Oktober in der Urania-Galerie zu sehen sein. In Zusammenarbeit mit den Grazer Universitäten übernahm Schaukal den Neuaufbau der Urania und verlieh ihr die Struktur, die sie heute immer noch hat. Mit dem Kernbereich Popularisierung von Wissenschaft wollte man in Vorträgen und Seminaren die Tiefe und mit dem Kursangebot die Breite erzielen. In den Kursen konnten die Bürger Fremdsprachen erlernen, Jiu-Jitsu-Übungen praktizieren oder Aktzeichnungen nach lebendem Modell anfertigen. Ein wichtiges Anliegen war Schaukal die Vermittlung von Gegenwartskunst. Mit inszenierten Schauprozessen und Bildungs-Ausstellungen versuchte er, den modernen Kunstbegriff anhand von Reproduktionen und in nachgestellten Streitgesprächen zu erklären. Der amtierende Direktor und Universitätsdozent Hannes Galter sieht in der Urania auch eine wichtige Wegbereiterin für identitätsstiftende kulturelle Einrichtungen wie den steirischen herbst oder das Forum Stadtpark in Graz. „Die Urania hat durch ihre Ermöglichung von Diskussionen ein Klima geschaffen, aus dem heraus die Moderne in Graz Einzug gehalten hat.“ Auf 350 Seiten hat Hannes Galter die Urania-Geschichte aufgeschrieben und mit Beiträgen von Gerhard Bisowsky, Rudolf Egger, Wilhelm Filla, Markus Jaroschka und Karl Kalcsics versehen. Das Buch erscheint im Leykam-Verlag und wird im April in der Urania präsentiert.
Noch vorne blicken: Wohin geht die Bildung, wohin Europa?
Die beiden wichtigsten Veranstaltungen zum runden Geburtstag werden im Herbst stattfinden. Mit dem postfaktischen Zeitalter und ihren Herausforderungen beschäftigt sich ein Bildungskongress im Oktober, der gemeinsam mit dem Institut für Erziehungswissenschaften veranstaltet wird. Im Symposium „Fact or Fake – Wie können wir entscheiden?” wird der Bildung im Zeitalter alternativer Wahrheiten auf den Grund gegangen. Die Vortragsreihe „Europa – Was ist das? Was könnte das sein?” startet mit der Kulturwissenschafterin Aleida Assmann und begibt sich in sechs Terminen mit unterschiedlichen Referenten auf die Suche nach der europäischen Identität.
Buchpräsentation: „Die Urania in Graz – 100 Jahre Erwachsenenbildung und Kultur“ von Hannes Galter, Urania, Burggasse 4/I, am Freitag, 26. April, 17 Uhr
Festveranstaltung „100 Jahre Urania-Gründung” mit einer Lesung von Barbara Frischmuth
Interventionen: Ernst Sittinger, Jörg-Martin Willnauer
Festvortrag: Thomas Macho
Musik: Urania-Chor unter der Leitung von Barbara Herzog-Drewes, Haslmayr-Peyr, Ulrike Dusleag-Schubert (Sonate für Violine und Klavier in A-Dur von Eberhardt Harnoncourt-Unverzagt)
Montag, 27. Mai, Dom im Berg
Cervantes, Hoffmann und Co.
Illustrationen von Johann Wolfgang Schaukal; Oktober bis November 2019, Urania-Galerie, Burggasse 4/I
Symposium: Fact or Fake – Wie können wir entscheiden?
Bildung im Zeitalter alternativer Wahrheiten, Universität, Meerscheinschlössl, Mozartgasse 3, 17.10., 9–18 Uhr
Vortragsreihe: Europa – Was ist das? Was könnte das sein?
Beginn: 16. Oktober mit Aleida Assmann
Weitere Referenten: Univ.-Prof. Dr. Aleida Assmann, Kulturwissenschafterin, Konstanz, Dr. Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie, Wien, UD Dr. Hannes Galter, Direktor der Österreichischen Urania für Steiermark, Graz, Univ.-Prof. Dr. Ulrike Guérot, Politikwissenschafterin, Krems, Dževad Karahasan, Literat, Graz/Sarajevo, Univ.-Prof. Dr. Claus Leggewie, Kulturwissenschafter, Gießen
Hörsaal VI, Rechbauerstraße 12
Oktober bis November 2019, jeden Mittwoch 19 Uhr