Ab 11. September zeigt das Kultum die Vorauswahl „Phantastisches Wissen, innerlich durchleuchtet“ zum Kunstpreis der Diözese Graz-Seckau. Nach einer Pause wird der Preis heuer wieder verliehen.
Text: Lydia Bißmann
Die Ausstellung „Phantastisches Wissen, innerlich durchleuchtet“ zeigt die Werke von sieben steirischen Künstlerinnen und Künstlern. Kuratiert wurde sie von Katrin Bucher Trantow, Roman Grabner und Astrid Kury. Die Entscheidung für den Siegerbeitrag liegt bei der Hauptjury. Darunter auch die Träger des letzten Preises von 2010, Eva Pichler und Gerhard Pichler vom Künstlerkollektiv zweintopf. Als externer Kunstsachverständiger wurden Lucas Gehrmann von der Kunsthalle Wien und als Fachfrau aus der Steiermark Kate Strain vom Kunstverein Graz eingeladen. Walter Prügger als Ressortleiter für Bildung, Kunst und Kultur der Diözese Graz-Seckau und Astrid Polz-Watzenig als Vertreterin der katholischen Aktion machen das Jurorenteam komplett. Verliehen wird der mit 10.000 Euro dotierte Preis einen Monat später, am 11. Oktober, durch den Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl. Seit 1983 wird der Preis alle zwei Jahre an steirische Kunstschaffende verliehen. Er ist einer der ältesten Preise für zeitgenössische bildende Kunst in Österreich.
Märchenvernunft
Die Schau zeigt sieben völlig unterschiedliche Zugänge zu einem Thema, das sich eigentlich in der Kunst permanent findet, aber nicht immer so explizit angesprochen wird. Wie kann zeitgenössische Kunst dabei helfen, die Welt zu erforschen und systemische Zusammenhänge herzustellen? Wo sind die Berührungspunkte mit der Wissenschaft und wo driften beide Disziplinen auseinander? Wird nicht die Kunst selbst von Schwerkraft, Aggregatszuständen und Optik beherrscht? studio ASYNCHROME, Max Frey, Anita Fuchs, Markus Jeschaunig, Ulrike Königshofer, Alfred Lenz und Wendelin Pressl begeben sich in ihren Werken auf die Suche nach der Antwort auf ganz alltägliche Fragen. Vermeintliches Allgemeinwissen wird dabei auf die Probe gestellt – Sehgewohnheiten und die intellektuelle Komfortzone hinterfragt. Der verspielte Titel der Schau bezieht sich auf eine Rezension des Soziologen und Filmkritikers Siegfried Kracauers im Münchner Abendblatt 1931. Dabei geht es um einen Vortrag von Albert Einstein, der an Kinder und Amateure gerichtet war und physikalische Zusammenhänge ganz einfach erklären sollte. Kracauer vergleicht darin das Genie mit einem Märchenonkel, der seine Zuhörer mit auf eine atemberaubende Reise in die Welt der Wissenschaft nimmt. Unscheinbare Alltagsdinge verwandeln sich dabei in einen fantastischen Kosmos, der Lust auf mehr macht. Naturwissenschaftliches Basis-Know-how wurde hier durch erzählerische Kunst zum spannenden Erlebnis, wie es auch in der Science Fiction passiert. Märchenvernunft tauft er diese veränderte Sichtweise, die die neue, naturwissenschaftliche Perspektive auf das Gefühl von Sand unter bloßen Füßen oder das Schillern einer Seifenblase bei Menschen auslöst. „Das war nicht der Sand mehr, auf den man bisher gedankenlos getreten hatte, das war ein innerlich durchleuchteter Sand.“ heißt es darin. Um das Verhältnis von Fakten und Fiktion, Dokumentation und Fabulation geht es nun auch in den Werken der Preisausstellung, die bis zum 9. November zu sehen ist.
studio ASYNCHROME, ON-LINE
studio ASYNCHROME wurde 2013 als „transdisziplinäres Experiment“ von Marleen Leitner und Michael Schitnig gegründet. In ihrem Wettbewerbsbeitrag ON-LINE werfen Zeichnungen auf einem durchsichtigen Hintergrund ihre Schatten und vermischen sich mit den Schatten der Zuschauer. Der Name ON-LINE spielt dabei auf die permanente Präsenz des modernen Menschen im Internet und der freiwillig zur Verfügung gestellten Riesenmenge an Daten und Informationen an.
Rotoren, Max Frey
Energie, Bewegung, Licht und physikalische Phänomene sind Themen der Arbeiten des in Berlin lebenden Künstlers Max Frey. Er studierte an der Universität für angewandte Kunst bei Brigitte Kowanz. Aus eher simplen, alltäglichen Materialien wie Fahrradspeichen, Spiegeln, Tischtennisbällen und Pappe entstehen in seinen Objekten und temporären Installationen komplexe und zugleich poetische Bilder. In seinem Beitrag Rotoren, der aus LED- Lampen besteht, bestimmen eingeätzte Zeichnungen die Stromzufuhr. Sie lassen das Licht aufleuchten oder verschwinden.
Anita Fuchs, Linetransect
Anita Fuchs ist eine Künstlerin der „Nature Art“. Ihre Projekte haben oft einen aktionistischen Ansatz. Es sind Roadtrips oder Bootsfahrten, angewandter Pflänzchenschmuggel oder Videoaufzeichnungen von Tieren in der Nacht. Seit 2018 untersucht sie etwa einen „Grenzstreifen“ an der österreichisch-ungarischen Grenze. Eine Erkenntnis dabei ist jedenfalls: Tiere und Pflanzen kümmern sich nicht um Grenzen. In der Ausstellung für den Kunstpreis der Diözese Graz-Seckau zeigt Anita Fuchs ihre Erkundungsreise entlang des Flusses Feistritz, den sie bis zur Mündung in die Lafnitz durchwandert und in Teilstrecken mit dem ausgestellte Kanu befahren hat.
Markus Jeschaunig, Diatmoeen Bacillariophyta
Markus Jeschaunig studierte Architektur an der Kunstuniversität Linz und der Mimar Sinan Fine Arts University Istanbul und ist seit 2010 freischaffender Künstler. Seine künstlerische Arbeit erforscht Wechselbeziehungen zwischen Kultur und Natur. Die Installation Diatomeen Bacillariophyta besteht zum Großteil aus dem fossilen Diatomeen-Sand, der vor 23 Millionen Jahren aus Kieselalgen entstanden ist. Das Skelett der Kieselalgen besteht zum größten Teils aus Siliziumdioxid (SiO2), also Glas. Um die 70 Kilo Diatomeen-Sand wurden von der Firma Heraeus Quartz in einem speziellen Prozess extra für die Ausstellung zu Glaskörpern geschmolzen. Sie werden auf einem zarten Holzgerüst über dem mehrere Kubikmeter fassenden Sandbett im Ausstellungsraum gezeigt.
Ulrike Königshofer, Same Time; Wind
Ulrike Königshofer studierte an der Universität für angewandte Kunst in Wien. In ihren Fotografie-, Medienarbeiten und Installationen befasst sie sich mit verschiedenen Aspekten der menschlichen Wahrnehmung. In ihrer Arbeit Same Time; Wind werden in zwei Videoaufnahmen der Sonnenaufgang in Wien und zeitgleich der Sonnenuntergang in Los Angeles gezeigt. Überall auf der Erde sieht man dieselbe Sonne. Der Horizont aber ist ein anderer. Durch das Verschieben der Perspektive kann dasselbe Ereignis völlig anders erscheinen. Ein kleiner Stromgenerator an einem Windrad erzeugt daneben durch die Bewegung im Wind elektrische Signale. Diese werden aufgezeichnet und verstärkt. So kann der Wind vergangener Tage wieder reproduziert werden.
Wendelin Pressl, Planetothek – mit Progress Chart
Seit rund 20 Jahren ist Pressl ein „Feldforscher“ an der Grenze zwischen Kunst, Wissenschaft, Wahrnehmung und Kosmos. In zahlreichen Ausstellungen, Auslandsaufenthalten und Publikationen hat Pressl das Forschungssystem Kunst auf seine für ihn typische Weise von Wahrheit und Täuschung ausgelotet und bestimmt. Er experimentiert immer wieder mit optischen Täuschungen. Seine Planetothek ist poetisch und wunderschön, aber ein Trugbild. Die gezeigten Sternbilder gibt es gar nicht.
Alfred Lenz, Hamburger Bild
Alfred Lenz studierte Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien und Generative Kunst an der Universität der Künste Berlin. Seit vielen Jahren beschäftigt er sich mit dem Regenbogen. Auch in seiner Beitragsarbeit besteht ein Link zu diesem Motiv. Eine gerahmte Reproduktion des Werkes Hamburger Bild zeigt den Maler Caspar David Friedrich bei der Arbeit. Er malt einen Regenbogen. Der Pinsel in der Hand des Malers wurde wegretuschiert und durch einen echten, motorbetriebenen ersetzt. Der Prozess der Robotisierung eines alten Meisters verknüpft auf spielerische Weise die Vergangenheit mit der Gegenwart.
Phantastisches Wissen, innerlich durchleuchtet
Ausstellung zum Preis der Diözese Graz-Seckau für zeitgenössische, bildende Kunst 2019.
Kultum [Galerie], Mariahilferplatz 3, 8010 Graz, 11.9.–9.11.19, Di–Sa, 10–17 Uhr
Eröffnung: Mi, 11.9.19, 18 Uhr.
Eintritt: 3 €, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren frei.
Lange Nacht der Museen: Sa, 5.10.19, 18–1 Uhr, Führung mit Johannes Rauchenberger.
Kunstpreisverleihung mit Diözesanbischof Dr. Wilhelm Krautwaschl: Fr, 11.10.19, 18 Uhr