Günter Eichbergers absurdes Drama markiert den Startschuss für die neue Spielzeit des TiK. „Siedende Gehirne“ beeindruckt mit einer grotesken Collage von literarischen Motiven und der Verschmelzung von Dimensionen.
„Lovers and men have such seething brains“: Diesen Vers aus Shakespeares Sommernachtstraum stellt Günter Eichberger seinem neuesten Stück Siedende Gehirne als Leitsatz voran. Das extra für das TiK verfasste Theaterstück präsentiert sich als Paraphrase und Neudeutung des englischen Klassikers, sozusagen als Sommernachtsalbtraum. „Der Kern von Shakespeares Komödie, diesem grausamen Traum von einem Stück, ist das Begehren in seinen lust- und qualvollen Facetten“, betont Eichberger. Dieser menschliche Trieb verwickelt Herrn Hinterer, inspiriert vom literarischen Handwerker Bottom, und die weibliche Figur Sequenz, karikierter Abklatsch des „Peter Squenz“, in ein irrwitziges Beziehungsspiel.
Als theatralische Folterkammer …
… präsentiert sich die leere Bühne, als Hinterer plötzlich in den Raum stolpert, ohne zu wissen, wie er an diesen sonderbaren Ort gelangt ist und was er hier überhaupt soll. Wie aus dem Nichts erscheint Sequenz und verlangt vom Eindringling durch Rollenspiele unterhalten zu werden. Währenddessen flackert fernab aller Romantik auf der Leinwand Shakespeares Sommernachtsalbtraum, in dem die Protagonisten mit verstümmelten Namen ihr Intrigenspiel treiben, bis die Herzen brechen und Rachegelüste aufkommen: Zwischen Oboe (kurz für Oberon) und seiner Gattin Tita (Titania) tobt ein beständiger Ehestreit, in dem sich keiner der beiden etwas schuldig bleibt. Oboes Psychiater Fuck bestärkt seinen Klienten im Glauben, ein Feenkönig zu sein, und Tita hält sich junge Liebhaber. Den aktuellen bezahlt übrigens ohne ihr Wissen ihr Mann. Nachdem Fuck seiner vermeintlichen Patientin angeboten hat, sie durch Sex zu heilen, wird er verhaftet. Er beschuldigt Tita, ihn denunziert zu haben, und initiiert eine Intrige. Inspiriert von der Videoeinblendung versucht nun auch Sequenz ihren unangemeldeten Gast zu verführen. Als sie merkt, dass ihre Avancen nicht den gewünschten Erfolg bringen, ändert sie ihre Strategie und beginnt ihn zu quälen. Doch plötzlich verschwimmen die Dimensionen und die beiden treten in die Videowand ein. „Der Motor des Stückes beginnt heiß zu laufen, die Intrigenstränge führen ihre Mechanik vor und ad absurdum. Die getrübten Quellen münden in Hinterers Kopf. Das Geschehen erscheint als Bewusstseinsvorgang im siedenden Hirn eines Geträumten“, verrät der Autor.
Blaubart als Aperitif
Noch bevor sich der Vorhang Ende Oktober das erste Mal für Siedende Gehirne öffnet, unterhält das Theater im Keller im Rahmen einer Kooperation mit dem Theater Quadrat das Publikum mit einem mörderischen Stück: „Es gibt kein gemeinsames Gedächtnis“, stellt Max Frisch in seiner Erzählung Blaubart fest; doch dann stellt sich die Frage: Was ist Wahrheit? Der Arzt Dr. Schaad soll seine sechste Frau mit seiner Krawatte erdrosselt haben. Mangels todsicherer Beweise wird er schlussendlich freigesprochen. Man könnte glauben, dies sei das obligatorische Happy End, doch der Kampf beginnt erst jetzt. Seine Innenwelt besteht nun hauptsächlich aus anklagenden Stimmen und dem vernichtenden Druck der Moral. Seine Welt ist geschrumpft auf die Wahrnehmung seines ewig weitermurmelnden Gewissens. Dieses Stück lässt die verworrene Innenwelt sukzessive zur Außenwelt werden.
„Siedende Gehirne“: Premiere Anfang Oktober
„Blaubart“: Premiere: Mi, 2.10.2019 um 20 Uhr
Weitere Termine: Fr, 4.10., Sa, 5.10., Do, 10.10., Fr, 11.10. und Sa, 12.10.2019,
jeweils um 20 Uhr
mit Alexander Kropsch und Werner Halbedl / Regie: Kropsch/Halbedl / Assistenz: Sarah Füssl / Technik: Peter Spall
Tickets unter 0664 97 33 184 oder auf www.tik-graz.at