Unglücklich verwickelte Liebesbeziehungen, politisches Geschehen und christlich-religiöse Hintergründe. Mit „Don Carlo“ hebt sich zum ersten Mal in der neuen Saison der Vorhang der Oper Graz. „Achtzig“ sprach mit Regisseurin Jetske Mijnssen über gespaltene Identitäten und die Theatralik unerfüllter Liebe.
In „Don Carlo“ treffen unweigerlich viele thematische Ebenen aufeinander: Haben Sie in Ihrer Inszenierung einen Schwerpunkt gesetzt oder sollen alle Ebenen homogen ineinander verwoben werden?
Für mich sind – wie immer – die psychologische Gestaltung der Figuren und ihre Verhältnisse zueinander das Wichtigste, aber ich versuche alle thematischen Ebenen zu zeigen, da ohne Politik und Religion die Geschichte keinen Sinn ergibt.
Das Stück ist geprägt von zahlreichen Orts- und Szenenwechseln, was die Umsetzung vor eine große Herausforderung stellt. Wie gelingt es, diese unterschiedlichen Plätze bzw. die schnellen Wechsel in den zahlreichen Szenen bühnentechnisch darzustellen?
Don Carlo ist für mich ein Kammerspiel. Im Team haben wir eine Welt erfunden, die verschiedene Orte im Palast zeigen kann. Ein zentraler Aspekt ist, dass die Figuren immer unter dem Druck stehen, niemals privat sein zu können: Immerfort kann jemand kommen, der einen beobachtet oder belauscht. Wie immer in meinen Inszenierungen gibt es keine realistischen Orte, sondern Gefühlsräume, die sich wie magisch verwandeln.
In jedem dramatischen Text gibt es den Moment, der unwiderruflich die Katastrophe einleitet. Welches Element im Werk markiert für Sie diesen Wendepunkt und welchen Stellenwert nimmt dieses in Ihrer dramaturgischen Umsetzung ein?
Dieser Moment findet sich im Duett Don Carlo – Marquis von Posa im ersten Akt: Carlo erzählt, dass er seine Stiefmutter liebt. Damit setzt er alles in katastrophale Bewegung; wie ein Schneeball rollt das Schicksal über die Figuren. Wenn er das nicht erzählen würde, würde nichts passieren. Vielleicht hätte er dann in Stille gelitten oder sich umgebracht. So zieht er alle, die er liebt, mit in seinen dramatischen Untergang.
Worin liegt Ihrer Meinung nach heute noch der Reiz, sich für etwa drei Stunden in die Welt Don Carlos versetzen zu lassen?
Diese Oper muss man erleben! Die unfassbare Kraft der Musik von Verdi und die tief gefühlten Emotionen der Figuren sind einzigartig. Außerdem sind die Gefühle sehr direkt und durchaus zeitaktuell: eine unglückliche Liebe, ein zerstörtes Vater-Sohn-Verhältnis, Freundschaft, Eifersucht und Verrat … das alles ist uns nicht unbekannt.
Premiere: Sa, 28.9.2019 um 19 Uhr
Weitere Termine: Do, 3.10., Mi, 9.10., So, 20.10.*, Mi, 23.10., Sa, 26.10.**, Fr, 1.11.**, So, 10.11*., Sa, 16.11., Fr, 6.12.2019 und Sa, 6.6., Fr, 18.6., So, 21.6.**, 26.6.2020 um 19 Uhr/*15 Uhr/**18 Uhr
Vor der Premiere: So, 15.9.2019 um 11 Uhr
Kostprobe: Mi, 18.9.2019 um 18.30 Uhr
Nachklang für Studenten: Mi, 9.10.2019 Grenzenlose Liebe, Hass und Erlösung