Start Kunst & Kultur Freie Theaterszene Graz & Steiermark: Niemand ist gut allein

Freie Theaterszene Graz & Steiermark: Niemand ist gut allein

Spielort für die Freie Szene, das Kristallwerk Foto: Edi Haberl

Seit zwei Jahrzehnten unterstützt der Verein „Das andere Theater“ die Freie Szene in Graz und in der Steiermark durch Know-how, Werbekooperationen und Optimierung von Ressourcen. Zum Geburtstag lassen die Akteure die Geschichte Revue passieren.

Text: Lydia Bißmann

Das Kristallwerk in der Viktor-Franz-Straße trägt nicht nur einen glitzernden Namen, auch die Geschichte der gar nicht mehr so neuen Heimat für Das andere Theater passt sehr gut zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Ursprünglich wurden hier Geräte wie Radios, Verstärker und Stereo-Anlagen hergestellt. Seit über zwei Jahren ist die ehemalige Fabrik Hauptsitz der Interessengemeinschaft für freie Theater in der Steiermark. Geschäftsführerin Andrea ­Egger-Dörres freut sich nicht nur auf das Jubiläumsfest – die letzte Zeit war ebenfalls recht erfolgreich für die Ziele der Institution. „Wir haben viel zu tun und sind bis Juni 2020 fast ausgebucht.“ Der Standort mit dem klingenden Namen hat sich als Aufführungsort für die Freie Theaterszene in Graz etabliert. Mit Übernahme des Probenhauses in der Orpheumgasse 11 gibt es dort auch unser DaT-Büro, im Erdgeschoß. Hier werden die Druckfahnen für den gemeinsamen Spielplan der freien Grazer Tanz- und Theaterszene gesetzt, von hier aus wird der Newsletter verschickt und hier gibt es auch den praktischen ­10er-Block zu kaufen, der für 92 Euro zehn Besuche zu Aufführungen der Mitglieder bietet. Hierher kann aber auch jeder kommen, dem wichtige Fragen zu Förderungen, Budgetplanung, Equipment und so weiter auf der Seele brennen. „Unsere Bürotür steht allen Mitgliedern jederzeit offen“, so Katharina Dilena, Assistentin der Geschäftsführung. „Am Anfang, wenn sie noch neu sind, kommen sie ganz oft. Mit der Zeit werden die Besuche dann seltener – dann wissen sie alles.”

Der Humus der Freiheit

Die Freie Szene ist ein wesentlicher Motor der Theaterlandschaft einer Stadt. Anders als etablierte Häuser können freie Theaterkollektive oder lose Gruppen schneller und direkter auf aktuelle Ereignisse reagieren. „Kommt ein Stück nach einiger Zeit wieder auf den Spielplan, kann ein Regisseur beim Theater im Bahnhof zum Beispiel das Stück schnell umschreiben, wenn in der Zwischenzeit etwas passiert ist. Im Schauspielhaus kann es sein, dass ein Regisseur längst schon in der Schweiz engagiert ist“, erklärt Katharina Dilena die Situation. Inhaltliche und performative Flexibilität ist sicher eines der wichtigsten Merkmale der Freien Theaterszene. Eine Szene, die in Graz blüht und gedeiht wie in fast keiner anderen österreichischen Stadt. Die Freie Szene ist flexibler, wandelbarer und ungleich weniger hierarchisch aufgebaut. Das lässt Raum für kreative Lösungen, Experimente und künstlerische Freiheiten. Um die 20 unabhängige Theater können mit dem offs­ZEHNer, dem 10er-Block der Freien Theater, besucht werden. Alles zusammengerechnet sind es um die 60 verschiedene Formationen und lose Gruppierungen. Viele darstellende Kollektive oder Einzelkünstler haben keinen eigenen Spielort und finden sich auch immer wieder in anderen Formationen.

Katharina Dilena und Andrea Egger-Dörres aus dem Vereinsteam Das andere Theater
Foto: Edi Haberl

Mitglieder im Verein dürfen die Räume im Kristallwerk zu günstigeren Preisen und die von der Stadt Graz zur Verfügung gestellten und vom Verein verwalteten Proberäume in der Orpheumgasse nutzen. Das ist nützlich, sinnvoll und praktisch. Ein eigener Spielort braucht viel Zeit, Kosten und Mühen – Ressourcen, die die Freie Theaterszene lieber in die künstlerische als in die administrative Arbeit investiert. Das macht die Freie Szene auch zu einer Vorreiterin, die Zeichen und Akzente setzt, von der sich auch große Institutionen gerne etwas abschauen. Etwas ganz Besonderes ist auch die Vielfalt, die speziell in der Grazer Szene zum Tragen kommt. Vom Kinder- über Laien-, Impro-, Sprech-, Tanz- oder Musiktheater ist für jeden Geschmack, jede Vorliebe in der steirischen Landeshauptstadt alles vorhanden. Damit das Publikum in dieser bunten, schillernden und quicklebendigen Dramalandschaft den Überblick behält, gibt Das andere Theater einen gedruckten Spielplan und einen umfassenden Programm-Newsletter heraus.

Gemeinsame Arbeit für das freie Theater

Am Anfang der Vereinsgeschichte stand die Idee, gleiche Voraussetzungen und Chancen für alle zu schaffen. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Auftreten und eine einheitliche Kommunikation nach außen und in Richtung Fördergeber führte zur Gründung des Vereins im Dezember 1999. Regelmäßige Treffen mit Vertretern der Grazer Kulturpolitik ermöglichen bis heute ein gegenseitiges Kennenlernen und Austausch auf sehr entspannte Art und Weise.

Probenhaus Theater und Tanz

Wesentlich beteiligt am Projekt, das mit wöchentlichen Jour fixes und schließlich einem gemeinsam herausgegebenen Spielplan startete, waren unter anderem die Mitglieder des TiB – Theater im Bahnhof, des Theater Mezzanin, des TAO (Theater am Ortweinplatz) und das Duo Steinbauer & Dobrowsky. Als für alle verfügbarer Spielort diente anfangs das Teatro im Lend. Für Proben installierte der damalige Kulturstadtrat Helmut Strobl die Räume in der Orpheumgasse, die eigens dafür renoviert wurden. Im Kulturjahr 2003 bezog das p.p.c. als Club die Räumlichkeiten des vormaligen Teatro, wodurch ein wichtiger Aufführungsort verloren ging. Kindertheater konnten ins neue Kindermuseum FRida & freD ausweichen und tun das bis heute. Eine großzügige Zuwendung der damaligen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic konnte aber gleich zwei Probleme lösen. Ein damit angeschaffter Technikpool existiert noch immer, ist gewachsen und ermöglicht den Mitgliedern der Freien Szene kostengünstigen Zugang zu Scheinwerfern, Podesten und anderem Equipment, das zu normalen Verleihpreisen unerschwinglich wäre. Mit dem Geld wurden auch fixe Spieltage im damals neu eröffneten Kristallwerk angemietet. Nach zweimaligem Betreiberwechsel hat der Verein in Gösting nun seine fixe Homebase gefunden und betreibt die Spielstätte seit 2017 selbst. Die Location ist öffentlich gut angebunden und hat genügend Parkplätze. Auch die Raumgestaltung selbst lässt viel Gestaltungsmöglichkeiten zu. „Die Freie Szene braucht keine Guckkastenbühne, sie braucht Räume die sie selbst gestalten, passend und unkompliziert adaptieren kann”, unterstreicht die Geschäftsführerin Andrea Egger-Dörres die Besonderheiten dieses Ortes. 7.000 bis 8.000 Besucher finden jährlich an durchschnittlich drei Spieltagen pro Woche ihren Weg hierher. Die Mieten für Mitglieder sind fair gestaltet. Je weniger finanziellen Spielraum eine Produktion oder eine Inszenierung zur Verfügung hat, je kleiner die Förderungen sind, desto günstiger werden die Konditionen.

Probenraum, Probenhaus Theater

Struktur durch Ausdauer

Zwanzig Jahre Vereinsarbeit haben dem Team von Das andere Theater viel Hartnäckigkeit, Ausdauer, Einfühlungsvermögen und diplomatisches Geschick abverlangt. Das Ergebnis ist ein attraktiver Veranstaltungsort (Das Kristallwerk in der Viktor-Franz-Straße 9) und das Probenhaus (Theater und Tanz in der Orpheumgasse 11), die aus der Freien Theaterszene nicht mehr wegzudenken sind, eine halbwegs stabile Fördersituation, viel kostbares Know-how und niederschwellig verfügbare Hilfestellungen. Auch das Publikum und die Fans der Szene profitieren von dem einheitlichen Auftritt und der gebündelten Information, die Newsletter und Spielplan anbieten. Gefeiert wurde der 20-jährige Geburtstag an zwei Orten. In der Orpheumgasse wurde am 14. September in den Proberäumen mit Sekt angestoßen, bevor an der Mur entlang gemeinsam mit allen Gästen zum Kristallwerk spaziert wurde. Dort begann die eigentliche Geburtstagsparty nach der Premiere der Animal Farm vom Theater Agora. Das andere Theater ist aber nicht die einzige Institution mit einem runden Geburtstag. Auch die Größen der Szene, das TiB, Mezzanin und TaO dürfen heuer 30 Jahre Bestehen zelebrieren.

Innenansicht Kristallwerk
Foto: Edi Haberl

Das andere Theater

Orpheumgasse 11 , 8020 Graz

Bürozeiten: Mo–Do, 9–15 Uhr
office@dasanderetheater.at