Von 7. bis 10. November findet in Graz die vierte Ausgabe des InTaKT Festivals statt.
Das inklusive Tanz-, Kultur- und Theaterfestival – geleitet von Lina Hölscher (Künstlerische Leitung) und Christoph Kreinbucher (Organisatorische Leitung) – bespielt von 7. bis 10. November wieder die unterschiedlichsten Orte der Stadt Graz: Kristallwerk, Schauspielhaus Graz, Kunsthaus Graz, FRida & freD, Rechbauerkino sowie GrazMuseum.
Uraufführung „Die Frühwirts“
Die Eröffnung gestaltet in diesem Jahr das Mezzanin Theater, das schon seit über 30 Jahren inklusive Kunst in Graz ins Rampenlicht rückt. Die Uraufführung „Die Frühwirts“ im Kristallwerk Graz erzählt die Geschichte einer bunt zusammengewürfelten Familie im eigentlichsten, besten und chaotischsten Sinn. Eine weitere Uraufführung kommt vom österreichischen Kollektiv büro lunaire: „Aufzeichnungen einer Blinden“ ist ein Live-Hörspiel über den Alltag einer Blinden, das durch veränderte Wahrnehmung zum Perspektivwechsel einlädt. Zu sehen in HAUS DREI des Schauspielhaus Graz. Im Kindermuseum FRida & freD erwartet das Publikum auch in diesem Festivaljahr eine Produktion für die Kleinsten: „Das kleine Zottel Mottel“ vom Kölner Künstler Theater holt Kinder in ihrer Erfahrungswelt ab, in der das Andere einfach nur anders ist, frei von Bewertungen.
Kultur inklusiv 2020
Besonders hervorzuheben im Rahmen der aktuellen Ausgabe des Festivals ist der Auftakt von „Kultur inklusiv 2020“, ein Projekt im Rahmen von Graz Kulturjahr 2020. In Impulsvorträgen geben Expert*innen Einblick in aktuelle Arbeiten zum Thema inklusive Kultur in Österreich. Ziel des Projektes ist es, Strategien für mehr Inklusion in Kulturbetrieben zu entwickeln. Kultur inklusiv 2020 wird verwirklicht gemeinsam mit der Akademie Graz, dem Zentrum für Genderforschung der Kunstuniversität Graz und zahlreichen weiteren Projektpartner*innen. Neben dem Programm gibt es auch Möglichkeiten für das Publikum, das Festival aktiv mitzugestalten: Bei „InTaKT Shortcut“ konnten Filmkünstler*innen Kurzfilme zum Thema „Menschen mit Beeinträchtigungen“ einreichen. Die von einer Fachjury gewählten Filme werden im Filmzentrum Rechbauerkino im Rahmen des Festivals gezeigt, der Film mit den meisten Publikumsstimmen wird auf Österreichs führendem Mitmachsender Okto ausgestrahlt. Gemeinsam mit der international tätigen Komponistin und Pianistin Elisabeth Harnik entsteht ein inklusiver Chor, der im Rahmen des Festivals erstmals auftreten wird. Daneben gibt es weitere Workshops im Rahmen von InTaKT: Etwa Theaterworkshops für Erwachsene und für Kinder.
Lina Hölscher und Christoph Kreinbucher im Interview
Das InTaKT Festival findet 2019 bereits zum vierten Mal statt. Worauf darf sich das Publikum freuen? Wie hat sich das Festival entwickelt?
Lina: Das Publikum darf sich wie immer auf jede Menge inklusive Kunst freuen! Wir haben wieder nationale und internationale Künstlerpersönlichkeiten eingeladen, um Graz im November ein wenig bunter und inklusiver zu gestalten und dem Publikum zu zeigen, was Menschen mit und ohne Beeinträchtigung zusammen erreichen können. 2019 möchten wir uns die Zeit und Ruhe nehmen in neue Gebiete vorzustoßen, z. B. mit einem inklusiven Filmwettbewerb und einem inklusiven Chor.
Christoph: Wir haben heuer mit dem Familientheaterstück vom Mezzanin Theater und einer experimentellen Produktion von büro lunaire gleich zwei Uraufführungen im Programm, dazu kommt noch eine Österreich-Premiere vom Kölner Künstler Theater für Kinder ab 3 Jahren. Ich denke, dass dies auch die Entwicklung und Ausrichtung des Festivals zeigt. Wir wollen neue, innovative Produktionen im Spannungsfeld zwischen Inklusion und Kultur zeigen. Es ist uns besonders wichtig, professionell arbeitende Gruppen aus dem In- und Ausland einzuladen und durch den Austausch und Impulse auch die regionale Szene zu stärken.
Gibt es von euch ein persönliches Programm-Highlight 2019?
Lina: Ich freue mich sehr, dass sich heuer endlich eine Premiere des Mezzanin Theaters im Rahmen von InTaKT ausgeht. Die Truppe rund um die beeindruckenden Powerfrauen Martina Kolbinger-Reiner und Hanni Westphal leisten ja schon seit Jahrzehnten wertvolle Arbeit im Bereich inklusiver Kunst in der Steiermark. Sie waren mit „Tarte au Chocolat“ und „Kein Päckchen für Sando“ ja schon häufiger beim Festival vertreten, aber dass sie InTaKT 2019 mit einer Uraufführung zum Thema Familie eröffnen, freut mich besonders!
Christoph: Ich freue mich besonders über die Resonanz bei unserem Filmaufruf „InTaKT Shortcut“. Wir werden als Abschluss des Festivals Kurzfilme von und mit Menschen mit Beeinträchtigungen im Filmzentrum im Rechbauerkino zeigen. Die Jury ist mit Sebastian Höglinger von der Diagonale, Barbara Eppensteiner von Okto, dem Regisseur Paul Poet und anderen sehr hochkarätig besetzt. Dieses Format ist sehr reizvoll, weil wir nicht genau wussten, was auf uns zukommt, wer was einreicht etc.
Was ist eure Motivation? Was liegt euch besonders am Herzen?
Christoph: Die Motivation ergibt sich dadurch, zu zeigen, was im künstlerischen Bereich alles möglich ist. Wir wollen weg von der Denkweise „Nein, das geht nicht, weil …“ hin zu „Vieles ist möglich!“. Und wenn wir das nicht im künstlerischen Bereich schaffen und beispielhaft vorangehen, wo denn dann? Wir möchten dadurch auch die Begegnungen von Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen im Alltag inspirieren und noch immer vorhandene Berührungsängste minimieren.
Lina: Dass Menschen sich mit auch mit Beeinträchtigung am kulturellen Leben beteiligen können, ist für mich schon immer glasklar gewesen. Dass Menschen mit Beeinträchtigung spannende und innovative künstlerische Beiträge erarbeiten und diese einen Mehrwert für die Kunst darstellen, habe ich in den letzten 10 Jahren meiner beruflichen Laufbahn gelernt. Es gibt so viel Ungerechtigkeit in der Welt, so viele Probleme, gegenüber denen ich mich machtlos fühle. Unter anderem durch InTaKT habe ich das Gefühl, einen Beitrag leisten zu können.
Gibt es einen InTaKT-Lieblingsmoment von euch?
Christoph: Puh, das ist schwer zu beantworten, weil es so viele schöne Momente und Erlebnisse in den letzten drei Jahren gab! Einer dieser Momente war 2017 mit der Eröffnung der Ich bin O.K. Dance Company im Schauspielhaus. Nach der Show gab es minutenlange Standing Ovations, die Zuschauerinnen und Zuschauer sind zum Tanzen auf die Bühne gekommen – das war einfach ein toller Moment! Da habe ich bemerkt, dass etwas Großartiges entstanden ist, das die Leute berührt und zum Nachdenken anregt.
Lina: Für mich war die Lesung von Agnes Zenz und Simone Fürnschuss-Hofer im letzten Jahr außerordentlich berührend. Manchmal sind es die kleinen, feinen Sachen, welche die größte Wirkung erzielen. Agnes Zenz präsentierte ihre Ohrenschmaus-Texte und Simone Fürnschuss-Hofer las aus ihrem Buch „Das Leben ist schön“ über ihre persönlichen Erfahrungen als Mutter eines Kindes mit Down-Syndrom. Es entstand eine sehr emotionale Verbindung zwischen den beiden Autorinnen, die ich nicht vergessen werde. Aber auch die Reaktionen der Schüler*innen im Publikum bei der Vorstellung und in Publikumsgesprächen bei „Mongos“ von Sergej Gössner und Follow the Rabbit haben mich begeistert.
Wo liegen die Herausforderungen?
Christoph: Sicherlich noch immer in der Barrierefreiheit und Zugänglichkeit für Menschen mit Beeinträchtigungen. Zum einen in baulicher Hinsicht und zum anderen ist es wichtig, die Informationen so aufzubereiten, dass sie für alle Menschen verständlich und entsprechend aufbereitet sind, also beispielsweise mittels Audiodeskriptionen oder Übersetzungen in einfache und Gebärdensprache. Wir haben heuer das Kernteam bewusst verstärkt und mit Matthias Grasser eine künstlerisch arbeitende Persönlichkeit mit einer körperlichen Beeinträchtigung dazugewonnen. Der Austausch mit ihm ist sehr bereichernd und gewinnbringend, auch wenn wir manchmal bei den einfachsten Entscheidungen wie z. B. der Ortswahl für das nächste Teammeeting an unsere Grenzen stoßen.
Lina: Programmatisch stoßen wir immer wieder auf Grenzen. Wir haben schon zahlreiche inklusive Künstler*innen und Gruppen eingeladen. Um weiterhin innovative, inklusive Arbeiten zu zeigen und nicht immer dieselben Künstler*innen zu präsentieren, müssten wir die Reichweite erhöhen und auch mehr internationale Gruppen einladen. Wir möchten auch weiterhin neue Impulse nach Graz bringen. Und das geht nur Hand in Hand mit entsprechender finanzieller Unterstützung der Förderer. 2020 wird es ja auch einen inklusiven Schwerpunkt unter Mitarbeit von InTaKT innerhalb des Graz Kulturjahres 2020 geben.
Könnt ihr dazu schon mehr berichten?
Lina: Wir haben das Projekt „Kultur inklusiv“ eingereicht, u. a. gemeinsam mit der Akademie Graz, dem Zentrum für Genderforschung Kunstuniversität Graz, der Lebenshilfe Steiermark und dem Kunsthaus Graz. Hauptsächlich geht es darum, inklusive Strategien für Kulturinstitutionen zu entwickeln und eine ganzjährige Arbeit zu ermöglichen um nachhaltiger zu werden. Wir freuen uns sehr, dass das geklappt hat und der Programmbeirat des Kulturjahrs 2020 die Wichtigkeit unseres Anliegens erkennt!
Christoph: Besonders wichtig ist uns, im Projekt eine Fokusgruppe aus kulturinteressierten Menschen mit Beeinträchtigungen zu bilden, die sich regelmäßig im kulturellen Bereich trifft. Sie geht den folgenden zwei Fragen nach: Was braucht es, dass Menschen mit Beeinträchtigungen Kulturangebote wahrnehmen und sich aktiv und gestalterisch einbringen können? Was wünschen sich Menschen mit Beeinträchtigungen im kulturellen Bereich? InTaKT 2020 wird dann im November schon einen Einblick in die Ergebnisse liefern, die wir im Laufe des Kulturjahres sammeln. Neben diesem Projekt ist uns auch weiterhin die regionale Vernetzung in Graz und der Steiermark sowie der internationale Austausch ein großes Anliegen. So arbeiten wir gerade mit Kolleginnen und Kollegen aus Slowenien, Kroatien und Spanien daran, den Themenbereich der Inklusion in Kinderstücken zu verankern. Dies passt auch gut zur Philosophie des Vereins IKS als Veranstalter von InTaKT. Wir möchten frühestmöglich Begegnungen auf Augenhöhe schaffen, damit es zu keinen Berührungsängsten oder gar Diskriminierungen kommt.