Hierarchien und Definitionen von Kunst und Handwerk im Lauf der Kunstgeschichte sind Basis des kritischen Blicks auf Grenzziehungen. Eine spannende Ausstellung zu neuen Betrachtungsweisen auf alte Beziehungsmuster.
Text: Natalie Resch
„Handwerk, bei dem Gebrauchsgegenstände, Schmuckwaren und dergleichen künstlerisch gestaltet werden“ – eine Definition wie diese spielt Eindeutigkeit vor. Ein verständlicher wie zugleich problematischer Versuch, durch Kategorisierungen unsere komplexe Welt zu ordnen. Wenn die Besucher/innen am 24. November gemeinsam mit der Ausstellungskuratorin Barbara Steiner Haegue Yangs Werks „Head Carrying Woman“ aus dem Jahre 2017 besprechen, ist eine Definition wohl unmöglich oder besser gesagt: unnötig. Referiert die Künstlerin mit der Korbstruktur, dem Material und der Formgebung auf einen bestimmten Kulturkreis? Welche Assoziationen und Referenzen zum Hier und Heute eröffnet das Kunstwerk, das an ein raumeinnehmendes Gefäß für Blumenschmuck ebenso erinnert wie an eine Strohpuppe? Spielt hier Kunst mit dem Kunsthandwerk? Welches Kunsthandwerk liegt dem Objekt zugrunde? Sind diese Fragen überhaupt von Relevanz? Solche oder so ähnliche Fragen könnten in den Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken, die die Kunsthausleiterin Barbara Steiner monatlich abhält, zur Sprache kommen.
Ausgehend von der klassischen Grenzziehung zwischen Kunst und Handwerk sowie den Hierarchien zwischen „High Art und Low Art“ in der Kunstgeschichte richtet die Ausstellung KUNST ⇆ HANDWERK einen neugierigen und offenen Blick auf den aktuellen Diskurs. In den letzten Jahren ist das Interesse zeitgenössischer Künstler/innen am Material, an (kunst-)handwerklichen Verfahren und am Experimentieren mit Material und verschiedenen Techniken gewachsen. Arbeiten beziehen sich auf kunsthandwerkliche, volkstümliche, künstlerische Traditionen sowie zeitgenössische und technologische Diskurse gleichermaßen. Der Umgang mit vormodernem, tradiertem bzw. lokalem Wissen, mit diversen Materialien und Verfahren ist nicht abschottend, sondern öffnend – hin zu anderen Kulturen, zur modernen und zeitgenössischen Kunst, zu aktuellen Diskursen und digitalen Entwicklungen. Anhand von künstlerischen Positionen von Azra Akšamija, Olaf Holzapfel oder Olivier Guesselé-Garai fragt die Schau nach einem fruchtbaren Dialog zwischen Kunst und Handwerk im Wechselspiel von Tradition, Diskurs und Technologien. Ausgangspunkt für die Ausstellung ist die Beobachtung, dass Handwerk heute so hoch im Kurs steht wie nie zuvor, sich aber enorm ausdifferenziert hat: vom Neokonservativismus, der Volkskultur, DIY-Bewegungen bis hin zu „Craftivism“.
Passend zu DIY: Im Rahmen des partizipativen Formats Open House (23./24. November) sind Besucher/innen eingeladen, mit dem Grazer Künstlerkollektiv ROTER KEIL im Space04 den Geist gotischer Bauhütten zu erwecken, alte Bautechniken zu verwenden, um eine zeitgenössische Rauminstallation zu kreieren. Eine weitere Gemeinschaftsinstallation aus feinen Pflanzenfasern initiiert die Künstlerin Marlene Gollner in der Needle. Durch das kollektive Sicheinweben der Besucher/innen in eine raumgreifende Installation entsteht ein (Hand-)Werksstück in Handarbeit.
Ausstellung KUNST ⇆ HANDWERK. Zwischen Tradition, Diskurs und Technologien
Bis 16.02.2020
kunsthausgraz.at