Start Kunst & Kultur Berühren verboten? Anfassen ausdrücklich erwünscht!

Berühren verboten? Anfassen ausdrücklich erwünscht!

Foto: J.J. Kucec

Jörg Ehtreiber, Intendant des Grazer Kindermuseums FRida & freD und Projektleiter des neuen Center of Science Activities (CoSA) über kreative Talente, museale Prototypen und spielerisches Lernen.

Text: Wolfgang Pauker

2018 war ein Rekordjahr im Grazer Kindermuseum. Wird man die Besucherzahlen auch 2019 wieder toppen?

Die Besucherzahlen eines Museums hängen von vielen Aspekten ab, aber wir sind aktuell ziemlich gleichauf mit dem letzten Jahr, wo wir die magische Marke von 100.000 Besuchern fast geknackt haben. Es ist aber nicht unser erklärtes Ziel, jedes Jahr die Besucherzahlen zu steigern. Vielmehr geht es um eine konstant hohe Qualität der Ausstellungen, und hier sind wir mit den aktuellen Schauen Mal mal! und Was kost‘ die Welt? wieder sehr zufrieden.

In „Mal mal!“ dürfen die Kinder ihrer Kreativität freien Lauf lassen und munter drauflospinseln. Wurden schon ein paar herausragende Talente entdeckt?

Wir haben tatsächlich schon ein paar sehr tolle Arbeiten gesehen und deshalb eine Kooperation mit „Rainbows“, der Grazer Hilfsorganisation für Kinder in stürmischen Zeiten, gestartet. Kunstwerke, die in der Ausstellung entstanden sind, werden hierfür in den Schaufenstern von Grazer Betrieben ausgestellt und können für einen guten Zweck käuflich erworben werden. Aber die Intention der Schau sind ja grundsätzlich nicht die fertigen Bilder, sondern der kreative Schaffensprozess. Denn dieser ist im Rahmen der interaktiven Ausstellung ja in einer Art möglich, wie man es zu Hause wohl kaum machen kann. Nämlich mit ordentlich Flüssigfarbe – und hochgerechnet werden fast 9.000 Liter Farbe über den Ausstellungszeitraum verbraucht. Das ist natürlich ein Angebot an unsere jungen Besucherinnen und Besucher, dass man sonst nicht hat. Und das gefällt den Kindern wirklich unglaublich gut.

Foto: Hannes Loske

Mit „Was kost‘ die Welt?“ zeigt man zum zweiten Mal eine Ausstellung zum Thema Geld. Wieso?

Diese Ausstellung haben wir 2011 schon einmal sehr erfolgreich gezeigt, bevor sie die letzten Jahre ebenso erfolgreich auf internationale Tour ging. Nun haben wir uns entschlossen, sie nochmals zu zeigen. Ganz einfach deshalb, weil unsere „Kundschaft“ ja laufend wächst und damit aus dem Museum hinauswächst. Bei guten und wichtigen Themen macht es deshalb durchaus Sinn, eine Ausstellung nochmals zu zeigen. Und sie ist nach wie vor sehr beliebt, weil sie das allgegenwärtige Thema Geld zum Inhalt hat und es nicht nur darum geht, wie man mit Geld wirtschaften kann, sondern klar vermittelt wird, dass es auch Werte gibt, die nichts mit Geld zu tun haben und die man sich nicht kaufen kann.

Foto: Hannes Loske

Was ist in der nächsten – im Frühjahr 2020 – startenden Saison geplant?

Wir werden zwei Ausstellungen zum Thema Zeit machen, die wir vor über einem Jahr gemeinsam mit dem Museum in Mannheim hier in Graz entwickelt haben. Ein Novum für uns ist, dass die Ausstellung zuerst an einem anderen Ort, nämlich in Mannheim, läuft, bevor sie an ihren Ursprung zurückkehrt. Üblicherweise läuft es ja genau umgekehrt. Der Vorteil ist, dass die Schau damit schon getestet ist und wir sie mit ein paar Nacharbeiten im Frühjahr bei uns starten lassen können.

Jörg Ehtreiber
Foto: Petra Heider

Viele der Ausstellungen gehen von Graz aus auf internationale Tour. Ist das FRida & freD führend auf dem Gebiet der spielerischen Wissensvermittlung?

In Europa und vor allem im deutschsprachigen Raum sind wir ganz sicher ein wichtiger Player, was Ausstellungen für Kinder und Familien betrifft. Wir haben auch meist drei bis vier von uns konzeptionierte Ausstellungen parallel in diversen Museen laufen und die Standards und die Qualität, die wir liefern, die ist international durchaus geschätzt.

Mit dem CoSA wurde eben ein weiteres Haus in Kooperation mit dem Universalmuseum Joanneum eröffnet. Ist das Center of Science Activities so geworden, wie Sie sich das vorgestellt haben?

Es ist tatsächlich so geworden, wie ich mir das vorgestellt und erhofft habe. Ich war unmittelbar nach der Eröffnung in meiner Funktion als Präsident der Vereinigung der internationalen Kindermuseen auf einer Konferenz im Ausland und es ist ganz gut, wenn man auf ein Projekt, an dem man eigentlich jahrelang gearbeitet hat, auch den Außenblick bekommt. Und am besten bekommt man den mit ein bisschen Abstand. Als ich wieder zurück durch das fertige Haus spaziert bin, muss ich wirklich sagen: Ich bin hoch zufrieden. Das sagt zwar noch nichts darüber aus, wie es funktionieren wird, weil alles, was man neu auf die Beine stellt, natürlich auch ein gewisses Experiment ist und man nie weiß, wie es angenommen wird.

Foto: J.J. Kucek

Wie fühlt sich der Abschluss eines so großen Projektes an?

Fantastisch, denn es war aus vielerlei Hinsicht ein sehr ambitioniertes Projekt. Der Kostenplan – es wurden etwas mehr als drei Millionen Euro investiert – war natürlich eine Herausforderung. Es hat sich glücklicherweise aber gezeigt, dass wir diesen durch unser Netzwerk mit den Firmen hier vor Ort wirklich wunderbar umsetzen konnten. Das CoSA ist auch ein Prototyp auf vielen Ebenen, und vieles, was wir hier nun bieten, gibt es so noch nirgends. Auch die zeitgerechte Eröffnung stand immer wieder auf der Kippe und als es dann schlussendlich vollbracht war, ist uns allen ein wirklich großer Stein von Herzen gefallen.

Wie geht es nach der Eröffnung weiter?

Wir werden jetzt einmal evaluieren und haben mit ein paar tausend Besuchern in den ersten Wochen auch schon großen Publikumsandrang. Jetzt geht es um ein paar Nachbesserungen da und dort, denn bei einem Projekt dieser Größe kann es gar nicht ohne laufende Adaptierungen abgehen. Es ist ja ein Storytelling Science Center, wo alle Tools in Geschichten verpackt sind. Und in diesen Geschichten erfährt man nicht nur etwas über Naturwissenschaften und Technik, sondern auch über den entsprechenden Kontext. Und wie dieser Typus eines Science Centers nun funktionieren wird, das werden wir genau beobachten. Wir haben aber schon auf verschiedenen Ebenen Feedbacks – sowohl von Jugendlichen, die bereits hier waren, oder aus der Wirtschaft, die uns bei dem Projekt großzügig unterstützt hat – und die sind durchwegs positiv.

Das Science Center ist ein Kabinett des Wissens, in dem Jugendliche spielerisch lernen können. Steht es in Konkurrenz zum Grazer Kindermuseum?

Das tut es überhaupt nicht, weil es sich ja an eine andere Zielgruppe richtet: ab 12 Jahren. Auch wenn die Methodik der Wissensvermittlung auf spielerische Weise dieselbe ist, so steht sie nicht in Konkurrenz. Denn das Spiel ist ja per se nichts Triviales, sondern ein Zugang, um lustvoll zu lernen und sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. Von dem her sehe ich keine Konkurrenz, sondern vielmehr einen nahtlosen Anschluss. Eine Unterscheidung ist auch, dass wir hier den Schwerpunkt ganz klar auf Naturwissenschaft und Technik legen, und im Kindermuseum doch ein weiteres Feld an Wissen vermittelt wird. Ganz grundsätzlich denke ich, dass ein Mehr an kulturellem Angebot immer etwas Gutes ist und wenn es qualitativ gut gemacht ist, dann wird es auch genutzt.

Augmented Reality im CoSA

Wie ist die Besuchererwartung für das Center of Science Activities?

Wir haben uns mit unserer Erwartungshaltung jetzt zwischen 60.000 und 70.000 Besuchern eingependelt und uns damit ein Ziel gesetzt, das eigentlich realistisch sein sollte. Ob das erste richtige Jahr 2020 diese Erwartung erfüllen wird, wird sich zeigen, aber ich bin hier sehr zuversichtlich. Ein ganz wichtiger Aspekt wird sicher sein, was wir laufend an Neuem anbieten können. Denn so ein Haus lebt natürlich auch von der Veränderung, von neuen Installationen und Sonderausstellungen. 

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen dem Kindermuseum und dem Universalmuseum Joanneum?

Der Prozess der Findung von zwei so unterschiedlichen Häusern – einem so großen Tanker wie dem UMJ und einem verhältnismäßig kleinen Betrieb wie dem Kindermuseum – stellte uns natürlich vor große Herausforderungen und tut es im Betrieb auch nach wie vor. Aber es funktioniert sehr gut und auch der Standort, eingebettet im Universalmuseum, ist ein sehr logischer. Denn hier entstand die Technische Hochschule, hier in diesen Räumlichkeiten hat Nikola Tesla gearbeitet. Die Gründung dieses Komplexes hat also unmittelbar mit Naturwissenschaft und Technik zu tun und von dem her passt es perfekt, dass das CoSA hier angesiedelt ist.   

CoSA – Center of Science Activities

FRida & freD – Das Grazer Kindermuseum und das Universalmuseum Joanneum realisierten nach einer vierjährigen Planungsphase gemeinsam das CoSA – Center of Science Activities. Zielgruppe sind Jugendliche ab 12 Jahren, aber auch interessierte Erwachsene. Auf knapp 1200 m² werden im ersten Obergeschoß des Naturkundemuseums im Joanneumsviertel anhand von 13 speziell gestalteten Themenbereichen auf leicht zugängliche, interaktive und unterhaltsame Weise Naturwissenschaften und Technik erfahrbar gemacht. Die Methoden zur Wissensvermittlung sind sehr unterschiedlich, allen gemeinsam ist allerdings der partizipative Zugang zu den Themen: Im Vordergrund steht immer das Mitmachen und Aktivwerden. Darüber hinaus wird auch über berufliche Möglichkeiten im Bereich Wissenschaft und Technik informiert. Das CoSA ist damit ein wesentlicher Baustein der Zukunftsfaktoren Forschung, Innovation und Technologie in der Steiermark und stärkt langfristig den Wirtschaftsstandort. Ein Highlight und in Graz erstmals und weltweit einmalig ist die Augmented Reality: Auf 250 m² wird Wissen mittels computergestützter Erweiterung der Realitätswahrnehmung erfahrbar gemacht und die Besucherinnen und Besucher bewegen sich, ausgestattet mit speziellen AR-Brillen, zum Lösen von Aufgaben zwischen realer und virtueller Welt.

CoSA – Center of Science Activities

Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag und Feiertage: 10–17 Uhr

Joanneumsviertel, 8010 Graz

www.museum-joanneum.at

Foto: J.J. Kucek

FRida & freD – Das Grazer Kindermuseum

Kinder ab drei Jahren, Familien, Kindergärten und Schulen sind im Grazer Kindermuseum am Rande des Augartens dazu eingeladen, im Rahmen jährlich wechselnder Mitmach-Ausstellungen, Workshops und in zahlreichen Rahmenprogrammen ihren Horizont zu erweitern. Auf rund 600 m² Ausstellungsfläche auf zwei Geschoßen sowie Cafeteriabereich, Labor, Theater und Garten können sich Kinder austoben und ihren unbändigen Wissensdurst interaktiv stillen. In der aktuellen Schau Mal mal! (von 3–7 Jahren) widmet man sich der Malerei, denn kreatives Gestalten ist ein wichtiger Beitrag zur ganzheitlichen Förderung von Kindern, für deren Gehirnentwicklung das freie Spiel essenziell ist. Die kleinen KünstlerInnen können auf unterschiedlichen, teils großflächigen Leinwänden mit diversen Materialen munter drauflosmalen und den gesamten Körper als Gestaltungswerkzeug wahrnehmen. Die zweite Ausstellung Was kost‘ die Welt?“ (ab 8 Jahren) beschäftigt sich mit dem Thema Geld, seiner Geschichte, seiner Funktion als allgemeines Tauschmittel, seiner Herstellung und Verteilung. Die Kinder werden mit den Grundbegriffen des Geld- und Finanzwesens vertraut gemacht, um sie für den verantwortungsvollen Umgang mit Geld zu sensibilisieren und in ihrer Urteils- und Kritikfähigkeit zu fördern.

FRida & freD – Das Grazer Kindermuseum

Öffnungszeiten: Montag – Donnerstag: 9–17 Uhr; Freitag: 9–19 Uhr

Samstag, Sonn- und Feiertage: 10–17 Uhr

Friedrichgasse 34, 8010 Graz

www.fridaundfred.at

Foto: Hannes Loske