„Achtzig“ spricht in einer neuen Serie mit steirischen Künstlern, Kulturmachern und der Politik. In dieser Ausgabe: Fehlt Graz ein eigenes Haus für zeitgenössische bildende Kunst aus der Steiermark? Im Interview: Johann Baumgartner, Leiter der Grazer Hofgalerie.
Text: Stefan Zavernik
Die Hofgalerie gibt es bereits seit 1971, zur heutigen etablierten Kultureinrichtung hat sie sich allerdings erst seit dem Jahre 2003 entwickelt. Wie schwierig war es, die „Hofgalerie“ zu mehr werden zu lassen als nur ein Ausstellungsformat in einem Bildungshaus?
Das Erfolgsrezept der Hofgalerie ist eine Qualitätsmischung zwischen „Steirischer Gegenwartkunst“ und internationalen Formaten. Im Fokus steht die steirische Postmoderne. Ziel der Hofgalerie ist es, der bildenden Kunst neue Räume zu geben und einen niederschwelligen Zugang zur Kunst zu ermöglichen.
Neben der Schwerpunktsetzung auf die „Steirische Moderne“ haben die Ausstellungen mit heimischen Größen der Hofgalerie ihre meistbesuchten Ausstellungen beschert. Sind lokale Künstler unterschätzte Publikumsmagneten?
Absolut, einen Kunstbetrieb ohne heimische Größen zu führen, ist wie ein Haubenlokal ohne regionale Produkte.
Dennoch wurden steirische Maler wie Gerald Brettschuh oder Wolfgang Wiedner jahrzehntelang von öffentlichen Häusern nur sehr zurückhaltend bis gar nicht mit eigenen Ausstellungen thematisiert. Für Sie nachvollziehbar?
Dies ist nicht nachvollziehbar: Man hat es in den letzten Jahren versäumt, Günter Waldorf, Giselbert Hoke, Wolfgang Wiedner oder Gerald Brettschuh große Personalen zu widmen. Aber auch junge steirische Gegenwartskünstler finden kaum Platz im Kunst- oder Künstlerhaus.
Der Andrang heutzutage, in der Hofgalerie auszustellen, soll laut eigenen Angaben von Jahr zu Jahr größer werden. Nach welchen Kriterien werden Künstler für Ausstellungen ausgewählt?
Bei der Entwicklung des Kunstprogrammes stehen wir eng in Verbindung mit den Künstlern. Auf aktuelle gesellschaftspolitische Positionen im Kontext mit Künstlern wird besonders Wert gelegt. Kuratiert wird die Auswahl vom Kulturreferenten, wo ich, je nach Erfordernis, anerkannte Kunsthistoriker als unterstützende Positionen miteinbeziehe. Annähernd 100 Bewerbungen aus Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Ungarn und Deutschland bekommen wir pro Jahr, maximal zehn große Ausstellungen sind in der Hofgalerie möglich.
Die Ausstellungen der Hofgalerie sind kostenlos zugänglich. Sollten auch öffentliche Museen kostenlosen Zugang für Interessierte bieten? Welche Rolle spielen die Öffnungszeiten, um mit einer Kunsteinrichtung erfolgreich zu sein?
Für junge Menschen bis 18 Jahre würde ich den Museumsbesuch kostenlos gestalten, darüber hinaus sind neue Öffnungszeiten unabdingbar. Öffnungszeiten von 9 bis 17 Uhr entsprechen nicht mehr den aktuellen Lebensrealitäten, man schließt den Großteil der Bevölkerung aus.
Auch wenn die Hofgalerie für viele in der Szene die Funktion einer heimlichen Stadtgalerie bereits erfüllt – braucht Graz dennoch ein öffentliches Haus, das sich ganz gezielt steirischen Malern widmet?
Auf alle Fälle, Graz als zweitgrößte Stadt Österreichs und als Kulturhauptstadt braucht eine eigene Stadtgalerie.
Gäbe es überhaupt genügend heimische Künstler, um hier ein kontinuierliches und qualitätsvolles Programm umsetzen zu können?
Sicher, die Quantität und Qualität wäre kein Problem, wichtig ist ein eigenständiges Konzept mit internationalem Anstrich.
Ein Haus, das von seiner Geschichte her als Stadtgalerie funktionieren könnte und lange Zeit das Zuhause heimischer Künstlerverbände war, ist das Grazer Künstlerhaus. Fehlt es diesem an Verwurzelung in der heimischen Szene?
In der Konzeption des Künstlerhauses ist man neue Wege gegangen. Es wird professionell und anspruchsvoll geführt, unter einer Verwurzelung in der freien Szene verstehe ich aber etwas anderes. Und wenn ich von heimischen Künstlern spreche, meine ich nicht nur Künstlervereinigungen, sondern es beginnt schon mit den jungen Talenten in der Ortweinschule und endet bei renommierten Persönlichkeiten. Das Haus wäre als Stadtgalerie sicherlich prädestiniert.
Johann Baumgartner ist Leiter der Hofgalerie im Steiermarkhof, einer Bildungseinrichtung der steirischen Landwirtschaftskammer. Mit der Hofgalerie hat er einen Raum für zeitgenössische Kunst etabliert, der mittlerweile als eigenständige Kunsteinrichtung in der Steiermark wahrgenommen wird.
Lücke in Galerienlandschaft
„Graz braucht dringend eine Stadtgalerie. Bereits seit der Schließung des Kulturhauses in der Elisabethstraße und dem Rückzug des Graz Museums als Stadtgalerie hat sich in Graz eine große Lücke in der öffentlichen Galerienlandschaft aufgetan. Während verdienstvolle regionale Künstlerinnen und Künstler z. B. in Leoben, Mürzzuschlag oder Weiz zu runden Geburtstagen durch eine Ausstellung an ihrem Geburts-, Heimat- oder Wohnort geehrt werden, ist das in Graz sehr schwierig, da die Neue Galerie als Landesgalerie grundlegend für das Werk von Künstlerinnen und Künstlern mit überregionaler und landesweiter Bedeutung verantwortlich ist. Anerkennenswerterweise muss man aber auch betonen, dass der Steiermarkhof sich in den letzten Jahren mit seinem engagierten Programm sehr bemüht hat, diese Lücke einer fehlenden städtischen Galerie in Graz zu schließen.“
Wolfgang Muchitsch, wissenschaftlicher Direktor des Universalmuseum Joanneum
Ausstellungsflächen suchen
„Ich bin der Meinung, dass wir nicht die Rolle von privaten Galeristen übernehmen können, die auf Risiko Künstlerinnen und Künstler vermarkten. Die heuer von uns eingeführte Galerienförderung ist ein Zeichen dafür, dass wir das Problem der fehlenden Förderung bzw. Vermittlung von Galerien und Kunstschaffenden erkannt haben und etwas tun wollen. Wenn es darum geht, für die freie Szene Räumlichkeiten zu schaffen, die als Ausstellungsflächen genutzt werden können, dann bekenne ich mich zum Prinzip der Kuratierung, wie ehemals die Ausstellungsfläche in der Gotischen Halle. Ich bin durchaus bereit nach einer Ausstellungsfläche zu suchen. Das kann in jedem Fall nur gemeinsam mit dem Land Steiermark geschehen. Ich werde das Gespräch dahingehend suchen.“
Günter Riegler, Kulturstadtrat der Stadt GrazMuseeum als Karrieresprungbrett
Graz verliert auf lange Sicht
„Meiner Meinung nach braucht Graz zwingend eine öffentliche Stadtgalerie für steirische Künstler. Stadt und Land versäumen so, ihre eigenen Talente zu fördern, zu ehren und damit auch den heimischen Kunstmarkt zu unterstützen. Ausstellungen in Museen sind für Künstler wahrscheinlich das wichtigste Karrieresprungbrett. Werden heimische Künstler von lokalen Museen über Jahre hinweg ignoriert, mindert das ihren Marktwert. Künstler haben dann nur mehr die Möglichkeit, ihr Schaffen in andere Städte zu verlagern, so verliert Graz allerdings auf lange Sicht. Der zweite Punkt ist, dass es sehr wenige Galerien in Graz gibt, die es sich leisten können, junge Kunst zu zeigen. Deshalb gehört in Graz ein öffentliches Haus etabliert, wo sich bildende Künstler treffen und auch ausstellen können.“
Gerhard Sommer, Galerist, Galerie Kunst & Handel, Graz
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